Gedenkenexperiment

Hallo,
folgendes Gedankenexperiment, angeregt durch den Film „The Six Day“ (gebe zu, der Film war nicht so toll):
Ein Mensch könnte vollkommen geklont werden. Vollkommen heißt, auch all seine Gedanken, Gefühle, erlernten physiologischen Reaktionen usw.Das bedeutet nicht nur das, was im Gehirn gespeichert ist, würde vollkommen identisch sein. Möglicherweise haben auch die Sinneszellen Erfahrungen gemacht, so dass sie bei einer ähnlichen Erfahrung anders reagieren als beim ersten Mal.All das wäre gleich.
(Ist nur ein Gedankenexperiment)
Nun zum Problem:
Eines Tages wache ich auf und bin der geklonte Mensch. Natürlich würde ich nichts merken. Später erfahre ich, dass ich nur eine Kopie bin (das Original existiert nicht mehr). Auch das würde doch nichts ändern, weil es ja keinen Unterschied gibt.
Im anderen Fall erfahre ich, dass der Doppelgänger noch existiert (ob Kopie oder Original ist egal) und einer von uns beiden vernichtet werden muss. In diesem Fall ist mir es doch überhaupt nicht egal, wer das sein muss. Ich würde mich doch für mich entscheiden. Die Existenz eines identischen Wesens kann mich doch hier nicht trösten, da ja mein ICH untergehen würde. Dass dieses ICH nochmal existiert kann da kein Trost sein.
Wie ist dieses Paradoxon auflösbar?
Steffen

Hallo!

Deine Annahme: es existieren zwei ununterscheidbare Menschen. Nehmen wir einmal an, das wäre möglich…

Eines Tages wache ich auf und bin der geklonte Mensch.
Natürlich würde ich nichts merken. Später erfahre ich, dass
ich nur eine Kopie bin (das Original existiert nicht mehr).
Auch das würde doch nichts ändern, weil es ja keinen
Unterschied gibt.
Im anderen Fall erfahre ich, dass der Doppelgänger noch
existiert (ob Kopie oder Original ist egal) und einer von uns
beiden vernichtet werden muss. In diesem Fall ist mir es doch
überhaupt nicht egal, wer das sein muss. Ich würde mich doch
für mich entscheiden. Die Existenz eines identischen Wesens
kann mich doch hier nicht trösten, da ja mein ICH untergehen
würde. Dass dieses ICH nochmal existiert kann da kein Trost
sein.
Wie ist dieses Paradoxon auflösbar?

Wo ist denn das Paradoxon? Ich sehe keines…

Wenn ich erfahre, daß es einen Menschen gegeben hat, der so ist wie ich, den es aber nicht mehr gibt, dann folgt daraus nicht zwangsläufig irgendetwas für mich. Soweit ist das klar…

Wenn ich erfahre, daß es einen Menschen gibt, der so ist wie ich, dann folgt doch auch nicht irgendetwas zwangsläufig. Es gibt keinen Grund, wieso eine der beiden Personen „eliminiert“ werden müßte. Falls doch (wegen irgendwelcher idiotischen Gesetze wie im Film…), dann entwickele ich einen gesunden Überlebenstrieb, der uns dann wieder unterscheidbar macht.

Aber Widersprüche entstehen nicht - auch keine scheinbaren…

Grüße,
Vlado

Wieder: Wer denkt?

Ich würde mich doch
für mich entscheiden. Die Existenz eines identischen Wesens
kann mich doch hier nicht trösten, da ja mein ICH untergehen
würde. Dass dieses ICH nochmal existiert kann da kein Trost
sein.

Hallo Steffen,

hier wird eigentlich wieder das Problem von „Wer denkt?“ (s.u.)
aufgegriffen.
Wer ist denn ICH? Bin ICH (einschließlich meines Bewußtseins) nur definiert durch mein Gehirn und dessen Zustände - dann müßte ich mich nach dem Klonen in BEIDEN Wesen wiederfinden,
oder - und das hast du mit deiner Fragestellung impliziert - meine Persönlichkeit (mein ICH-Bewußtsein) „sitzt im Gehirn“, und dann hat das geklonte Wesen mit mir nichts zu tun, es ist nur zufällig genauso wie ich.

Klio.

Etwas klareres Beispiel
Hallo

Ich denke beim „Klonen“ ist das Bild, das dahintersteht, immer das von eineiigen Zwillingen und da haben wir keine Probleme, diese als verschiedene personen zu sehen.

Ein klareres Beispiel wäre das von Raumschiff Enterprise, das Beamen. Da wird ein Mensch aufgelöst und an einem anderen Ort wieder zusammengesetzt. Angenommen das ginge, warum bin „Ich“ dann versetzt? Ich glaube, die einzige Antwort hier ist „das geht eben nicht“.

Aber ebenso kann man folgendes Beispiel in die andere Richtung bringen. Ich betrachte ein Photo von mir, das meinetwegen einen Monat alt ist. Ich erinnere mich an die Situation, ich erinnere mich, wie ich damals „Ich“ gewesen bin.
Warum bin ich heute immer noch „Ich“?
Seit damals ist ein Monat vergangen. Ich habe andere Erfahrungen als damals, ich habe mich auch körperlich verändert, Was verbindet mich bei all diesen massiven Unterschieden mit dem „Ich“ von damals? Was sorgt für die Kontinuität des „Ich“??

Fragt sich
Thomas

eindeutig besseres Beispiel hier

Danke,
dein Beispiel ist natürlich viel besser als mein idiotisches Beispiel.
Aber wer hat von den Experten eine Theorie, das zu erklären?
Gespannt,
steffen

hallo steffen!

folgendes Gedankenexperiment, angeregt durch den Film „The Six
Day“ (gebe zu, der Film war nicht so toll):
Ein Mensch könnte vollkommen geklont werden. Vollkommen heißt,
auch all seine Gedanken, Gefühle, erlernten physiologischen
Reaktionen usw.Das bedeutet nicht nur das, was im Gehirn
gespeichert ist, würde vollkommen identisch sein.
Möglicherweise haben auch die Sinneszellen Erfahrungen
gemacht, so dass sie bei einer ähnlichen Erfahrung anders
reagieren als beim ersten Mal.All das wäre gleich.
(Ist nur ein Gedankenexperiment)

hier liegt schon der haken an deiner theorie: das wesen eines menschen ist sehr geprägt von seiner umwelt, von seinen mitmenschen. wenn du einen menschen klonen willst, ohne dass er das erfährt (bewusst) musst du auch sein ganzes umfeld klonen. stell dir vor du (resp. ein klon) erwacht eines morgens, und du bist in einem komplett anderen umfeld, da wärst du sicher nicht mehr derselbe.

Nun zum Problem:
Eines Tages wache ich auf und bin der geklonte Mensch.
Natürlich würde ich nichts merken. Später erfahre ich, dass
ich nur eine Kopie bin (das Original existiert nicht mehr).
Auch das würde doch nichts ändern, weil es ja keinen
Unterschied gibt.

da bin ich mit dir einverstanden: wenn man das original „eliminiert“ und den klon hinstellt, dann merkt niemand etwas, weder der klon, noch das umfeld --> völlig sinnloses unterfangen…

Im anderen Fall erfahre ich, dass der Doppelgänger noch
existiert (ob Kopie oder Original ist egal) und einer von uns
beiden vernichtet werden muss. In diesem Fall ist mir es doch
überhaupt nicht egal, wer das sein muss. Ich würde mich doch
für mich entscheiden. Die Existenz eines identischen Wesens
kann mich doch hier nicht trösten, da ja mein ICH untergehen
würde. Dass dieses ICH nochmal existiert kann da kein Trost
sein.

vom moment an, wo es zwei identische menschen gibt, beide in derselben welt leben, aber nichts voneinander wissen, dann lebt einer der beiden zwingenderweise in einem anderen umfeld --> die zwei INDIVIDUEN entwickeln sich unterschiedlich und man kann nur noch äusserlich von einem klon reden, aber nicht vom geist her (ausser die erinnerungen).

Wie ist dieses Paradoxon auflösbar?
Steffen

von mir aus ist es so gelöst.

cu

laurent

Gibt es diese „Kontinuität des Ich“ überhaupt?
Ich habe Zweifel.
Das „Ich“ vor einem Monat ist nicht identisch
mit dem aktuellen. Was beide „ich“ miteinander
verbindet sind zeitlich eingeschränkte, jedoch
identitätsstiftende Bezugspunkte (Erinnerungen,
Erfahrungen, physische und psychische Eigenhei-
ten von vor einem Monat minus x-Zeit), auf die
beide gleichermaßen als eigen zurückgreifen, auf
die beide ihr Selbstverständnis gründen.

Die scheinbare Kontinuität einer „ich-Identität“
ist jedoch ein Konstrukt.
Erst das wache Bewußtsein schafft das Bedürfnis
nach Verständnis und reimt sich aus den ihm zur
Verfügung stehenden Anhalts- und Bezugspunkten
das zusammen, was sich schließlich als kompakter
und Kontinuität suggerierender Begriff „ich“ bzw.
„Identität“ präsentiert. Wirkliche Kontinuität
liegt, denke ich, nur bei ausgeprägt pathologi-
schen „Identitäten“ vor. Wo der durchschnittliche
Mensch Holzwege beschreitet, diese als „Brüche“
in seiner „Identitätsgeschichte“ wahrnimmt und
sich in je unterschiedlicher Entsprechung zu die-
sen „Brüchen“ neuorganisiert und neuorientiert,
gibt es für die pathologisch konstituierte Iden-
tität keine „Brüche“, da ihr Bewußtsein nur durch
äußere Stimulanz angesprochen wird und nur affek-
tiv zu reagieren vermag.
Im Grunde und streng genommen müßte man dem „patho-
logisch konstituierten Ich“ jegliche Identität ab-
sprechen. Nicht nur, daß es völlig desinteressiert
(bzw. nicht in der Lage) ist an der Konstruktion ei-
ner eigenen Identität, diese ihm allenfalls von aus-
sen zugetragen wird. Die Kontinuität schon verweist
auf einen Automatismus, der ein Programm abspult,
dem das „pathologisch konstituierte Ich“ determinis-
tisch unterworfen ist.
Sowenig Maschinen „Identität“ eigen ist, sowenig ha-
ben Tiere - nach meinem Wissensstand - ein so waches
Bewußtsein, daß sie aus dem eventuell vorhandenen Be-
wußtsein ihrer selbst Schlüsse zu ziehen in der Lage
sind, die sie in kreativer Weise zur Selbsterklärung
(„Identität“) führen.
(Die crux ist wahrscheinlich, daß auch das zugestan-
dene Vermögen zur Identitätsstiftung bei Tieren auf
Desinteresse stieße, da „Identität“ ein vernachläs-
sigbarer Luxus gegenüber den sonst in der Natur herr-
schenden Prioritäten ist. Andererseits hat so ein
„Silberrücken“ sicherlich ein Bewußtsein seiner
alpha-Rolle und sicherlich verbindet er auch konkrete Erinnerungen an seine letzte Auseinandersetzung mit dem stärksten Konkurrenten, doch: das alles macht noch kei-
ne „Identität“ aus. Eine Kreatur ohne die Option Suizid
ist nicht „identitätsfähig“, weil sie instinkthörig ist.)

Schließlich: Der „brüchige“ Charakter der „Identität“
liegt zum einen in ihrer situativen Festgelegtheit und
zum anderen darin, daß sie stetig rekonstruiert und eben-
so stetig neukonstituiert werden muß. Indem „Ich“ stetig
Wahrnehmung und Reflexion aneinanderreiht, schafft es Be-
zugspunkte, auf die es in anderer, weil späterer Konstitu-
tion zurückgreifen kann. Erst die Verknüpfung ausgewählter
Bezugspunkte schafft Identität, d.h. die Illusion von Kon-
tinuität…

(Den immanenten Einfluß der Außenbewertung auf die Selbsteinschätzung im Medienzeitalter vernachlässige
ich lieber…)

In der Diskussion um das „Klonen“ findet eine „Identitäts-
angst“ ihren Ausdruck, die dem gewachsenen Druck geschuldet
ist, in einer Massegesellschaft Individualität zu demons-
trieren. Da dieses Bestreben die Masse in je gleicher Wei-
se mit den je gleichen Mitteln wiederum in eine Masse (von
vermeintlichen „Individualisten“) führt, ist das Individu-
um permanent mit der Erfahrung eigener Indifferenz konfron-
tiert. Anders als Goethes Hommunculi oder „Frankenstein“,
die Ausdruck ähnlicher Wahrnehmungen sind, indem sie die
menschliche Einzigartigkeit relativieren, relativiert die
Möglichkeit des Klonens die individuelle Einzigartigkeit.
Daß dies in einer Massegesellschaft die darauf beharrt,
sich aus Individualisten zusammenzusetzen, existentielle
Angst produziert, ist wenig verwunderlich.
Interessant finde ich hierbei eigentlich nur, daß die
pseudoindivdualistischen Massemenschen sich mehrheitlich
aus einem sehr egoistischen Abgrenzungsbedürfnis zum Zwek-
ke des „Erhalts“ der eigenen „Einmaligkeit“ gegen das Klo-
nen wenden und nicht aus einem ethischen Verantwortungs-
gefühl gegenüber der eigenen Spezies.

x-nada

1 Like

Hallo Steffen,

das Problem löst sich gar nicht.
Mal abgesehen davon, daß es nicht geht. Du kannst nicht einen menschen mit all seinen Erfahrungen, seinem Wissen und Erkenntnissen durch Klonen kopieren. Ich weiß nicht mal, ob das funktioniert, wenn Du da den ganzen Menschen Atom für Atom kopierst.
Es kommt beim Klonen allenfalls ein Mensch heraus mit den gleichen genetischen Anlagen. Nir ob dieser Mensch sich genau so entwickelt, wie das Original, ist zweifelhaft. Nimm doch nur mal die Zufälle bei der Berufswahl. Ein anderer Lehrer in der Schule, und der begeistert sich womöglich statt für Architektur für Maschinenbau. Die gleichen genetischen Anlagen hat er ja. Aber die Fähigkeiten, die bei der Planung eines Gebäudes gebraucht werden sind etwa die Gleichen wie bei der Entwicklung neuer Maschinen.

Und genau das wird letztlich der ganzen Klonerei den Todesstoß versetzen. Die menschen denken, sie könnten Kopieen von sich selbst produzieren, die eventuell später die unerfüllten Pläne realisieren, die sie selber haben. Das läuft aber nicht. Die Umwelt prägt den Menschen. Einstein (der auch sehr gut Geige spielen konnte) hat die Atomspaltung erfunden und keine Oper geschrieben. Das war so nicht vorhersehbar.
Und genau das stelle ich mir schrecklich vor. Die „Originale“ werden enttäuscht sein und mir ihren „mißratenen Kopien“ haaaadern. Aber doe „Kopie“ ist noch schlimmer dran. Sie wird ja ständig an der Meßlatte des „Originales“ gemessen werden, gewollt oder ungewollt. Wir sehen das doch heute schon bei den Kindern berühmter und erfolgreicher Eltern. Die sind dann oft als Versager gebranntmarkt, weil sie nicht in die Fußstapfen der alten treten wollen, den Laden des Alten übernehmen wollen usw. Bei den Klonen, bei denen man ja auf Grund der gleichen Gene das Gleiche erwartet, wird das noch viel schlimmer. Und daran werden sie psychisch zerbrechen.

Gernot Geyer

Hallo Steffen,
Habe auch schon an „Seelenklon“ gedacht. Da es aber praktisch unendlich viele Möglichkeiten von Verknüpfungen und Rück-Koppelungen unter den Mia. von Neuronen im Gehirn gibt (und auch Du hast täglich, ja stündlich neue Verknüpfungen etc.), glaube ich, dass jeder unter den Bewusstseinsträgern (Tier od.Mensch)einzigartig ist.
Mit Gruss: engelhard

___
Mod: Ich habe übermäßig viel zitierten Text, auf den sich nicht direkt bezogen wurde, entfernt. Ansosnten ist nichts verändert. Nike