Hallo Larissa,
habe länger überlegt, ob ich auf Deine Nachricht antworten soll, aber nach so vielen „Verrissen“ fühle ich mich doch genötigt, hier einiges anzumerken:
Zunächst einmal: Die Zeiten, in denen Gedichte sich reimen müssen sind lange vorbei. Darüber hinaus ist es schon schlimm mit Schulbuchanalyse an ein Gedicht heran zu gehen (auch wenn man da noch so professionell sein will).
Es gibt die berühmte dichterische Freiheit. In dieser Freiheit ist zunächst einmal ALLES erlaubt. Es gibt zahlreiche berühmte Beispiele an Gedichten, bei denen die Schulweisheiten bis heute an der Analyse scheitern und den wahren Inhalt niemals erfahren werden, ganz einfach, weil der Dichter die Bedeutung nicht preisgegeben und vielleicht längst mit ins Grab genommen hat. Weil es aber ein berühmter Dichter war, muss es auch ein gutes inhaltsschweres Gedicht gewesen sein. Das ist natürlich Unsinn.
Du „outest“ Dich als Neuling. Es ist also nur allzu einfach, Dich hier als inkompetent abzuspeisen.
Aber Du wolltest ja Meinungen hören und daher gebe auch ich Dir meine Meinung zu Deinem Gedicht.
Hallo,
mir war langweilig und somit habe ich mich zum ersten Mal im
Dichten versucht.
Ich weiß, mein Gedicht ist auf jeden Fall noch ausbaufähig.
Ich werde es noch weiter schreiben und hier uns da noch
ändern.
Jedoch wäre es sehr nett, wenn ihr es euch einmal durchlesen
und es vielleicht kommentieren würdet, denn über Kritik bin
ich sehr dankbar!
„Seelenamme“
Bitte lass Dir niemals von anderen verbieten, neue Worte zu erschaffen. Es ist wunderbar!! (Ich erlaube es mir auch immer wieder und wie arm wäre die Welt ohne Worterfinder - man denke nur an Pippi Lanstrumpf/Astrid Lindgren -) Und mir gefällt auch diese Wortschöpfung erst einmal sehr sehr gut. Es ist auch kein Wort, das unverständlich wäre (um es klar zu sagen, auch das wäre natürlich „ERLAUBT“, denn es gibt keine Verbote!). Eine Sellenamme ist für mich jemand, der (besser „die“) sich um eine Seele kümmert. Viel mehr weiß man hier noch nicht, aber das macht neugierig!! Und das ist auch gut so. Eine Amme ist ja eine Frau, die sich um ein neugeborenes Kind kümmert - also eine Ersatzmutter. Wer kümmert sich also warum um eine (junge?) Seele? Wir sind gespannt!!
Oh bittersüße Seelenamme,
du stopfst mich, bis ich dich verdamme.
Ich sehe kein Ausdrucksproblem und auch hier noch keinen erzwungenen Reim. Das kann man in diesem Stadium des Lesens unmöglich behaupten! Vielleicht im Rückblick auf diese Zeile, das werden wir sehen, aber noch nicht hier. Und „bittersüß“ ist ein Adjektiv, das keinesfalls veraltet ist. Lass Dir nichts einreden. Und reime nicht nach Mode, sondern nach Deinem Gefühl! Für mich heißt bittersüß hier schon sehr viel: es bedeuted für mich, hier hat es die Amme zu gut gemeint - stimmts? Wenn Du das ausdrücken wolltest, ist „bittersüß“ hier genau das richtige Wort!!
Lab für die Seele, Schwere für´ s Herz,
erstickt durch Liebe, kaum Platz für Schmerz.
ok hier wird es auch für mich schwierig. Herz und Seele zu trennen ist für mich noch nicht ganz einfach zu verstehen. Ich denke, Du wolltest hier zum Ausdruck bringen, dass es die Amme zu gut gemeint hat und Dir - oder dem „lyrischen Ich“
- keinen Platz gelassen hat, Deinen Schmerz auszuleben und zu verarbeiten. So zumindest verstehe ich diese Zeilen.
Einst jung und klein, zerbrechlich und rein.
Die Amme, wäscht sich die Seele fein.
Hm, nicht ganz einfach. Auch hier vermute ich wieder, die Amme hat es sich zu leicht gemacht, Deine Probleme - wie ein schmutziges Stück Wäsche - schnell mit „erdrückender“ Liebe „wegzuwaschen“?
Seelenchaos, mal gut, mal böse.
Drang nach Freiheit, nur mit Getöse.
Diese Liebe der Amme hat Dich „erdrückt“ und Dir keine Freiheit gelassen, an eigenen Problemen zu wachsen?
Vage Grenzen, töricht Gewissen,
lässt Amme ihre Flagge hissen.
Die Amme siegt immer wieder, ihre Verhaltensregeln haben sich als „schlechtes Gewissen“ bei Dir verankert und erschweren Dir, zu leben und Fehler machen zu dürfen? Also wenn sie immer wieder siegt, ist „Flagge hissen“ eine gute Metapher.
Ich weiß nicht, ob meine Interpretationen stimmen, aber das ist auch nicht ganz entscheident. Sicher für den Dichter auch schön, wenn seine „Nachricht“ beim Leser ankommt, aber auch hier gibt es keine Regeln: manche Dichter wollen auch bewusst keine Klarheit schaffen.
In einer Sache muss ich meinen Vorkritikern hier zustimmen: Verwende bitte NIE Worte im Gedicht nur deshalb, weil sie sich reimen. Eines steht über allem: das was DU ausdrücken willst. Der Reim hat sich da unterzuordnen - NIE umgekehrt. Und siehe da, das geht auch. Es finden sich immer wieder Reime, die genau das, was Du sagen willst, ausdrücken. Und wenn nicht, dann wird eben an den Stellen nicht gereimt. Du wirst sehen, auch das kann man mit etwas Erfahrung gut in Reime einbinden und die dichterische Freiheit lässt auch zu, dass Du mal reimst, mal nicht reimst, wie es DIR gefällt!!
Abschließend möchte ich nur sagen, dass ich das Gedicht (und auch die Wortwahl) sehr schön finde und Dich dringend bitte, damit weiter zu machen, wenn Du es willst und Dich noch dringender bitte, Dich nicht von jeder Kritik umhauen zu lassen. Damit muss jedes Genie umgehen können. Und es gibt genug Künstler, deren Genialität erst viele Jahre nach ihrem Tod erkannt wurde.
Ich warte auf Deine neuen Gedichte!
Viele Grüße