Etwas verstaubt schon und nicht ganz treffend
Hallo,
… aber vielleicht …
"Das schreibende Haus
Einen Freund habe ich, der Schriftsteller ist,
Und geheirathet hat die Schriftstellerin,
Mit zwo schriftstellernden Töchtern.
Jüngst besucht’ ich den Mann um die Hundstagsgluth,
Da hab’ ich gesehn, was geschrieben jetzt wird,
Ich will euch das Schreiben beschreiben.
Durch den einsamen Flur, wo der eigene Tritt
Nachdröhnte mir dumpf, stieg die Treppe ich ‚nauf
Und klopft‘ an die Stube des Freundes;
Der winkt mich jedoch mit den Händen zurück,
Denn er hat keine Zeit, denn er schreibt den Traktat
Von der höhern Bedeutung der Schafzucht.
Nun, dacht’ ich, die Frau wird wohl höflicher seyn,
Und trat in’s Gemach, wo die Geistreiche saß,
Bekleks’t von dem Haupte zur Sohle.
Sie winkt mich jedoch mit den Händen zurück,
Denn sie hat keine Zeit, denn sie schreibt an: Ideen
Ueber Feinheit im Leben und Umgang.
So sey denn mein Heil bei den Töchtern versucht!
Ich stieg in die dritte Etage hinauf,
Und begrüßte Melanien und Armgard;
Da winkten mich beid’ mit den Händen zurück,
Denn sie hatten nicht Zeit, denn sie saßen am Tisch,
Und schrieben Roman’ in Gemeinschaft.
Ei so hole der Henker das Schriftstellerthum!
Giebt’s denn keinen Laquai’n, der das Zimmer mir zeigt?
Ich lief in die Stube der Diener.
Doch die winken mich all’ mit den Händen zurück,
Denn sie haben nicht Zeit, denn sie sitzen umher,
Und die ganze Livrée schreibt Bücher.
Der Kutscher, der schreibt über Kümmel, Anis,
Die Amme, die schreibt von der Unschuld Erlatz
Im beglückenden Muttergefühle;
Der Bediente, der schreibt über Hegel ein Werk,
Die Köchin ahmt Clauren dem Göttlichen nach:
„Vergißmeinnicht,“ schreibt sie, „für Mägde.“
Es verbrennet am Spieße der Braten, es schrein
Im Stalle die Pferde nach Hafer und Heu,
Laut schreien die hungrigen Kinder.
Laß sie schreien! Es komme das Ende der Welt,
Das verstöret die schreibenden Schriftsteller nicht
Vom Parterre bis zur dritten Etage.
Ich ergreife die Flucht, auf dem Hofe vernehm
Ich Geräusch aus dem Stall; nun guck’ ich hinein,
Da stehet das Reitpferd und schreibet.
Die Zeit und den Hunger vertreibt sich das Vieh,
In die Pfütze beian eintaucht’ es den Huf,
Und kratzt in den Sand: „Elegien.“
Ach, wo soll doch die Welt vor Autoren noch hin?
Woher schafft man die Lumpen zu all’ dem Papier?
Es fehlen die Gäns’ zu den Federn!
Ihr Scribenten, seyd gut, und verschont das Papier
Und sparet die Federn, und macht’s wie der Rapp’;
Kratzt, kratzt in den Sand eure Sachen!"
aus: Carl Leberecht Immermann, Gedichte. Neue Folge,
Stuttgart und Tübingen 1830, S. 191-193
Herzliche Grüße
Thomas Miller