Ich habe einmal zu dem Beitrag recherchiert. Anfangs noch einigermaßen glaubwürdig, würde ich diese 6 Minuten Zeitverschwendung, die von den Herren Ralf Dörwang und Christian Kossin vor über 20 Jahren produziert wurden, in den Müll werfen.
Meine Kritikpunkte und Einschätzungen:
1.) „Die meisten von denen, die dort in der Anwendung sind, machen das in Form eines Nervengiftes. Und diese Nervengifte wirken prinzipiell eben nicht nur bei Insekten, sondern auch beim Menschen.“
Korrekt, nur spricht Herr Dr. Hostrup hier nicht die Dosierung an. Ebenso wird nichts über den Expositionspfad gesagt. Pyrethroide wirken am stärksten über die Inhalation (direkt sowie mittelbar über kontaminierten Hausstaub), über Haut werden sie so gut wie nicht aufgenommen und dann aber über die Esterasen in der Haut verstoffwechselt.
2.) „Nach einer Studie der Universität Oldenburg gilt das auch für die weit verbreiteten Pyrethroide. Weil ein ähnlicher Wirkstoff in Chrysanthemen vorkommt, galten diese synthetischen Gifte lange als harmlos - zu Unrecht, wie die Studie zeigt…“
Stimmt nicht, die Studie hat kein Human-Monitoring berichtet. Es wurden nur Hausstaubproben genommen und analysiert
3.) „Heike-Ellen Wandner haben die angeblich „harmlosen“ Pyrethroide die Gesundheit ruiniert. Mehrere Ärzte bescheinigen ihr Organschäden, Nervenleiden, Allergien… Ständig muß die Asthmatikerin mit Erstickungsanfällen rechnen. Sie ist berufsunfähig. Ursache: eine Pyrethroidvergiftung am Arbeitsplatz. Im Kaufhof Hannover bediente sie am Pralinentresen“
Heike Ellen Wandner (mittlerweile unter dem Namen Kunzmann in Uetze zu finden) betrieb scheinbar eine seit 2020 nicht im Netz vollständig verfügbare Website. Sie verklagte Kaufhof bzw. die Berufsgenossenschaft auf Zahlung einer Rente, das Verfahren hat sie nach Jahren verloren bzw. die Staatsanwaltschaft Hannover hat selbiges eingestellt, da eine Intoxikation durch Maßnahmen am Arbeitsplatz bzw. durch Pyrethroide nicht nachgewiesen werden konnte
4.) „Ich habe stechende Kopfschmerzen gekriegt, Übelkeit, Herzrasen, ich hatte richtige Herzkrämpfe. Dann habe ich Haarausfall bekommen, Sehstörungen, und ich leide heute noch unter Krämpfen, im ganzen Körper Schmerzen, Schwindel, Durchblutungsstörungen im Gehirn.“
Die unter 3.) sowie unter 4.) genannten Krankheitsbilder sind für Pyrethroide sehr ungewöhnlich. Auf der o.g. Internetseite war in einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu lesen, dass Frau Wandner’s Kollegen keinerlei Vergiftungserscheinungen zeigten. Ferner wurde bemerkt, dass die Symptome erst zunahmen, als Frau Wandner von einer Asien Reise zurückkehrte.
Insgesamt erscheinen mir die Beschwerden vergleichbar mit denen des Havanna Symdroms. Hier steht der Verdacht nahe, dass eine Phosphorsäureester Vergiftung vorlegen hat. Diese Ester wurden bis in die frühen 2000er Jahre noch in Deutschland eingesetzt, in der 3. Welt setzt man sie noch heute ein.
Diese Organo-Phosphate haben in der Tat das Potential, irreversible Organ- wie insbesondere Nervenschäden zu erzeugen (dies nicht erst seit Herrn Nawalny).
Auf der Wandner Website war ein Dokument zu sehen, das einen Überblick der am Arbeitsplatz im Hausstaub zu findenden Insektizide zeigte. In der Tat waren neben Permethrin, Deltamethrin usw. auch diverse Organo-Phosphate nachweisbar. Diese Stoffgruppe hat generell die Eigenschaft, Esterasen zu hemmen, die etwa bei der Entgiftung der Pyrehtroide wesentlich sind.
5.) "„Wir haben mit zwei von einander völlig unabhängigen Gutachten, wobei ein Gutachten von uns eingeholt worden ist und ein Gutachten von der Anzeigeerstatterin selber beigebracht wurde, die Ursächlichkeit zwischen dem Einsatz der Pyrethroide und der Erkrankung von Frau Wandner im wesentlich belegen können.“
Nach Rücksprache mit Herrn Dörwang wurden die Aussagen von Frau Wandner nie auf Wahrheitsgehalt geprüft, die Gutachten nie gesichtet…
Ich halte die Rolle von Frau Wandner gelinde gesagt für äußerst fraglich und unglaubwürdig. Gerade mit Blick auf Klagen über eine Rente stelle ich mir zumindest Fragen, u.a., ob wir hier wirklich über Pyrethroide als Vergiftungsursachen sprechen oder ob sie selbst nur als Aufhänger für die Klage genommen wurden.
6.) „Ich sollte ja alles aussprühen, wo die Katze war. Da hab’ ich das Sofa ausgesprüht, später dann auch meine Matratze, das Federbett, als ich nachts merkte, die kommen aus diesem Federbett raus. Die Katze hatte sich auch im Schrank versteckt, die Flöhe kamen mir aus meinen Sachen entgegen, und ich dachte, ach prima, wenn das durch Lüften rausgeht, dann sprühe ich die Sachen und lüfte sie.“"
Aussage von Gudrun Plank -> klare Fehlanwendung, nach einem Spiegelbericht wurden drei Liter Insektizid versprüht. Generell zeigt der Fall aber, das Insektizide mit unter völlig verharmlost werden und Leute noch heute damit Schlafplätze einsprühen.
7.) „Gerade die sogenannten Langzeit-Pyrethroide, namentlich das Permethrin, verhalten sich in Innenräumen ausgesprochen stabil und sind in der Regel mit normalen Haushaltsreinigern auch nicht von Oberflächen zu entfernen, bzw. sie kommen auch aus dem Material wieder heraus.“
Aussage von Olaf Hostrup - das Fraunhofer Institut hat bereits vor Bekanntwerden dieses TV Beitrags gezeigt, dass Dekontamination mittels Haushaltsreiniger materiell zur Reduktion der Konzentrationen auf Oberflächen führt. Die Aussage, wonach Reinigungsmitteln prinzipiell nicht wirken, ist grober Unfug. Gleichwohl muss beachtet werden, dass Reinigungsmittel (wie auch organische Lösemittel), das Nervengift nur in der Reinigungsflotte binden, ein Abtransport von der Oberfläche aber mittels eines Lappens eher zu suboptimalen Ergebnissen führt. Die Aussage zur Langlebigkeit der Pyrethroide muss differenziert betrachtet werden. Permethrin, Deltametrhin und Cypermethrin sind definitiv langanhaltende Wirkstoffe. Die anderen Pyrethroide wie etwa Tetramethrin sind dies nicht unbedingt. Generell ist dies aber kein Freifahrtschein für deren Einsatz
„…sie kommen auch aus dem Material wieder heraus.“ Na ja, Permethrin und Co. migriert insbesondere über die Lösemittel in die Materialen, per se zu sagen, es kommt wieder heraus, halte ich angesichts des Dampfdrucks dieser Stoffe für diskutabel.
Die einzig richtige Aussage von Hostrup ist aber, dass eine Dekontamination per se nicht einfach ist. Gerade saugende Oberflächen wie Tapeten oder Textilien sind nur sehr schwer zu reinigen.
8.) „Laut Packungsaufdruck sind sie überall bedenkenlos einsetzbar. Viele Anwender glauben, was frei verkäuflich ist, das ist geprüft und ungefährlich.“
Dieser Punkt stimmt. Die meisten Pyrethroid Sprays haben selbst heute nur eine BauA Reg-Nummer, was bedeutet, dass sie keine Zulassung in der EU haben, aber potentiell ins Zulassungsverfahren kommen können -> Gesundheitsrisiken der Produkte sind unklar!
Fazit:
Der Bericht ist schlecht. Wissenschaftlich lassen sich viele Punkte über Studien widerlegen. Die Gesundsheitsrisiken durch Pyrethroide müssen ernstgenommen werden. Ob allerdings diese katastrophale Bild wie bei Frau Wandner (und Frau Gudrun Plank) hier ernsthaft der Maßstab sind, ist zweifelhaft. Ferner sehe ich die Krankheitsbilder eher in der Ecke der Organophosphate, auch weil hier in der Tat irreversible, chronische Beschwerden möglich sind.
Nicht unerwähnt bleiben sollte aber die Tatsache, dass seit den 90er nie wirklich belastbar gezeigt werden konnte, dass Pyrethroide - gerade über permanente Exposition im Niedrigdosen Bereich (z.b. Einatmen des kontaminierten Hausstaubs) - ungefährlich sind.