Gefahr durch Pyrethroide (Permethrin)

Hallo zusammen,

in einem Beitrag von ARD wird berichtet, dass die Personen Heike Ellen Wandner und Gudrun Plank an Permethrin und Pyrethroid Vergiftung langfristig erkrankt sind. Der Spiegel hat dazu auch berichtet.
Heike Ellen Wandner berichtet über chronische Kopfschmerzen, Erstickungsanfälle, Schwäche, unheilbare Nervenschäden usw. Alles nach einem Kammerjäger Einsatz im Kaufhof Hannover.
Bei Gudrun Plank wurden Nervenschäden ob eines Flohmitteleinsatzes diagnostiziert. Sie hat sich wohl die ganze Bude eingesprüht.

Haltet ihr diese Krankheitsbilder für realistisch? Das sieht mir alles sehr übertrieben aus, schließlich kann doch ein wenig Insektenspray das nicht verursachen oder?

Die Quellen:

Beitrag ARD: einmal googlen
" Nervengift im Kaufhaus - Chemiekonzernen droht neue Prozesslawine"

Spiegelbericht
„von Giften und Mäusen“ + dazu Heike Ellen Wandner und Gudrun Plank

Grüße

Mark

Können wir hier nicht so pauschal beurteilen, da wesentliche Faktoren unbekannt sind. Nur: Dioxin war im Mittelalter auch unbedenklich…

Der ist 22 Jahre alt und macht keinen seriösen Eindruck.

Es gibt durchaus das Kranheitsbild der „Multiplen Chemikalien Sensitivität“.
„Ein wenig“ scheint sehr untertrieben zu sein. Im Kaufhaus soll ja erst ein professioneller Kammerjäger aktiv geworden sein, dann habe ein Vorgesetzter wiederholt massiv herumgesprüht und es seien Pulver in großer Menge verteilt worden.

Gegen Ende des Beitrags wird davon berichtet, dass in 50% aller Hausstaubproben eine Pyrethroid-Kontaminierung nachweisbar war. Das beruhigt mich dann (obwohl es sicher als beunruhigende Aussage gedacht war).

Eine Unschädlichkeit eines Wirkstoffs lässt sich kaum sicher beweisen, erst recht nicht eine Verträglichkeit für jeden Menschen. Wenn aber 1998 50% alle Menschen in mit Pyrethroid vereseuchten Wohnungen lebten, dann wird das Zeugs schon nicht so schädlich sein.

Pyrethrum ist ein klassisches Beispiel für ein Insektizid, das man als natürliche Substanz -also unschädlich- angesehen hat. Pyrethrum wurde aus Chrysanthemen gewonnen als natürlich vorkommendes Insektizid. Die Natur macht aber keinen Unterschied zu den vom Menschen chemisch erzeugten Substanzen. Pyrethrum hat sich nach anfänglichem überschwänglichem Lob als genauso problematisch herausgestellt wie die meisten synthetischen Insektizide. Insbesondere reagieren einzelne Menschen allergisch, ein Problem das für fast alle Chemikalien gilt. Ob jeder zehnte Mensch auf eine Substanz allergisch reagiert oder jeder Zehntausendste kann man erst mal nicht wissen und verhindert die Zulassung vieler neu entwickelter Medikamente und Pestizide. Die Varianten des Pyrethrums, Pyrethroide, sind vielfältig und jede hat ein eigenes Wirkspektrum für Insekten und eine Toxizitäts- und Allergierate für Säugetiere.
Udo Becker

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Ich habe einmal zu dem Beitrag recherchiert. Anfangs noch einigermaßen glaubwürdig, würde ich diese 6 Minuten Zeitverschwendung, die von den Herren Ralf Dörwang und Christian Kossin vor über 20 Jahren produziert wurden, in den Müll werfen.
Meine Kritikpunkte und Einschätzungen:
1.) „Die meisten von denen, die dort in der Anwendung sind, machen das in Form eines Nervengiftes. Und diese Nervengifte wirken prinzipiell eben nicht nur bei Insekten, sondern auch beim Menschen.“
Korrekt, nur spricht Herr Dr. Hostrup hier nicht die Dosierung an. Ebenso wird nichts über den Expositionspfad gesagt. Pyrethroide wirken am stärksten über die Inhalation (direkt sowie mittelbar über kontaminierten Hausstaub), über Haut werden sie so gut wie nicht aufgenommen und dann aber über die Esterasen in der Haut verstoffwechselt.

2.) „Nach einer Studie der Universität Oldenburg gilt das auch für die weit verbreiteten Pyrethroide. Weil ein ähnlicher Wirkstoff in Chrysanthemen vorkommt, galten diese synthetischen Gifte lange als harmlos - zu Unrecht, wie die Studie zeigt…“
Stimmt nicht, die Studie hat kein Human-Monitoring berichtet. Es wurden nur Hausstaubproben genommen und analysiert

3.) „Heike-Ellen Wandner haben die angeblich „harmlosen“ Pyrethroide die Gesundheit ruiniert. Mehrere Ärzte bescheinigen ihr Organschäden, Nervenleiden, Allergien… Ständig muß die Asthmatikerin mit Erstickungsanfällen rechnen. Sie ist berufsunfähig. Ursache: eine Pyrethroidvergiftung am Arbeitsplatz. Im Kaufhof Hannover bediente sie am Pralinentresen“

Heike Ellen Wandner (mittlerweile unter dem Namen Kunzmann in Uetze zu finden) betrieb scheinbar eine seit 2020 nicht im Netz vollständig verfügbare Website. Sie verklagte Kaufhof bzw. die Berufsgenossenschaft auf Zahlung einer Rente, das Verfahren hat sie nach Jahren verloren bzw. die Staatsanwaltschaft Hannover hat selbiges eingestellt, da eine Intoxikation durch Maßnahmen am Arbeitsplatz bzw. durch Pyrethroide nicht nachgewiesen werden konnte

4.) „Ich habe stechende Kopfschmerzen gekriegt, Übelkeit, Herzrasen, ich hatte richtige Herzkrämpfe. Dann habe ich Haarausfall bekommen, Sehstörungen, und ich leide heute noch unter Krämpfen, im ganzen Körper Schmerzen, Schwindel, Durchblutungsstörungen im Gehirn.“

Die unter 3.) sowie unter 4.) genannten Krankheitsbilder sind für Pyrethroide sehr ungewöhnlich. Auf der o.g. Internetseite war in einer Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu lesen, dass Frau Wandner’s Kollegen keinerlei Vergiftungserscheinungen zeigten. Ferner wurde bemerkt, dass die Symptome erst zunahmen, als Frau Wandner von einer Asien Reise zurückkehrte.

Insgesamt erscheinen mir die Beschwerden vergleichbar mit denen des Havanna Symdroms. Hier steht der Verdacht nahe, dass eine Phosphorsäureester Vergiftung vorlegen hat. Diese Ester wurden bis in die frühen 2000er Jahre noch in Deutschland eingesetzt, in der 3. Welt setzt man sie noch heute ein.
Diese Organo-Phosphate haben in der Tat das Potential, irreversible Organ- wie insbesondere Nervenschäden zu erzeugen (dies nicht erst seit Herrn Nawalny).
Auf der Wandner Website war ein Dokument zu sehen, das einen Überblick der am Arbeitsplatz im Hausstaub zu findenden Insektizide zeigte. In der Tat waren neben Permethrin, Deltamethrin usw. auch diverse Organo-Phosphate nachweisbar. Diese Stoffgruppe hat generell die Eigenschaft, Esterasen zu hemmen, die etwa bei der Entgiftung der Pyrehtroide wesentlich sind.

5.) "„Wir haben mit zwei von einander völlig unabhängigen Gutachten, wobei ein Gutachten von uns eingeholt worden ist und ein Gutachten von der Anzeigeerstatterin selber beigebracht wurde, die Ursächlichkeit zwischen dem Einsatz der Pyrethroide und der Erkrankung von Frau Wandner im wesentlich belegen können.“

Nach Rücksprache mit Herrn Dörwang wurden die Aussagen von Frau Wandner nie auf Wahrheitsgehalt geprüft, die Gutachten nie gesichtet…
Ich halte die Rolle von Frau Wandner gelinde gesagt für äußerst fraglich und unglaubwürdig. Gerade mit Blick auf Klagen über eine Rente stelle ich mir zumindest Fragen, u.a., ob wir hier wirklich über Pyrethroide als Vergiftungsursachen sprechen oder ob sie selbst nur als Aufhänger für die Klage genommen wurden.

6.) „Ich sollte ja alles aussprühen, wo die Katze war. Da hab’ ich das Sofa ausgesprüht, später dann auch meine Matratze, das Federbett, als ich nachts merkte, die kommen aus diesem Federbett raus. Die Katze hatte sich auch im Schrank versteckt, die Flöhe kamen mir aus meinen Sachen entgegen, und ich dachte, ach prima, wenn das durch Lüften rausgeht, dann sprühe ich die Sachen und lüfte sie.“"

Aussage von Gudrun Plank -> klare Fehlanwendung, nach einem Spiegelbericht wurden drei Liter Insektizid versprüht. Generell zeigt der Fall aber, das Insektizide mit unter völlig verharmlost werden und Leute noch heute damit Schlafplätze einsprühen.

7.) „Gerade die sogenannten Langzeit-Pyrethroide, namentlich das Permethrin, verhalten sich in Innenräumen ausgesprochen stabil und sind in der Regel mit normalen Haushaltsreinigern auch nicht von Oberflächen zu entfernen, bzw. sie kommen auch aus dem Material wieder heraus.“

Aussage von Olaf Hostrup - das Fraunhofer Institut hat bereits vor Bekanntwerden dieses TV Beitrags gezeigt, dass Dekontamination mittels Haushaltsreiniger materiell zur Reduktion der Konzentrationen auf Oberflächen führt. Die Aussage, wonach Reinigungsmitteln prinzipiell nicht wirken, ist grober Unfug. Gleichwohl muss beachtet werden, dass Reinigungsmittel (wie auch organische Lösemittel), das Nervengift nur in der Reinigungsflotte binden, ein Abtransport von der Oberfläche aber mittels eines Lappens eher zu suboptimalen Ergebnissen führt. Die Aussage zur Langlebigkeit der Pyrethroide muss differenziert betrachtet werden. Permethrin, Deltametrhin und Cypermethrin sind definitiv langanhaltende Wirkstoffe. Die anderen Pyrethroide wie etwa Tetramethrin sind dies nicht unbedingt. Generell ist dies aber kein Freifahrtschein für deren Einsatz

„…sie kommen auch aus dem Material wieder heraus.“ Na ja, Permethrin und Co. migriert insbesondere über die Lösemittel in die Materialen, per se zu sagen, es kommt wieder heraus, halte ich angesichts des Dampfdrucks dieser Stoffe für diskutabel.
Die einzig richtige Aussage von Hostrup ist aber, dass eine Dekontamination per se nicht einfach ist. Gerade saugende Oberflächen wie Tapeten oder Textilien sind nur sehr schwer zu reinigen.

8.) „Laut Packungsaufdruck sind sie überall bedenkenlos einsetzbar. Viele Anwender glauben, was frei verkäuflich ist, das ist geprüft und ungefährlich.“

Dieser Punkt stimmt. Die meisten Pyrethroid Sprays haben selbst heute nur eine BauA Reg-Nummer, was bedeutet, dass sie keine Zulassung in der EU haben, aber potentiell ins Zulassungsverfahren kommen können -> Gesundheitsrisiken der Produkte sind unklar!

Fazit:

Der Bericht ist schlecht. Wissenschaftlich lassen sich viele Punkte über Studien widerlegen. Die Gesundsheitsrisiken durch Pyrethroide müssen ernstgenommen werden. Ob allerdings diese katastrophale Bild wie bei Frau Wandner (und Frau Gudrun Plank) hier ernsthaft der Maßstab sind, ist zweifelhaft. Ferner sehe ich die Krankheitsbilder eher in der Ecke der Organophosphate, auch weil hier in der Tat irreversible, chronische Beschwerden möglich sind.
Nicht unerwähnt bleiben sollte aber die Tatsache, dass seit den 90er nie wirklich belastbar gezeigt werden konnte, dass Pyrethroide - gerade über permanente Exposition im Niedrigdosen Bereich (z.b. Einatmen des kontaminierten Hausstaubs) - ungefährlich sind.

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Unseriös, da nicht neutral recherchiert, einseitig und reißerisch verfasst.

Danke für deine sehr ausführliche Einschätzung!

Naja, also so reißerisch finde ich die Aussagen nicht.

Ich finde eher den Beitrag der beiden sogenannten Journalisten vom NDR reißerisch. Der Faktencheck war ja eher negativ ausgefallen, mit einigen Ausnahmen…

Nach einiger Recherche drängt sich auch bei mir der Verdacht auf, dass Heike Ellen Kunzmann (Wandner oder wie auch immer) hier eine Story erzählt.
Als ob da tonnenweise Insektizid auf einen Verkaufsstand im einem Kaufhaus gesprüht werden.
Sorry, um Ungeziefer zu bekämpfen, reicht oft eine Ladung, Punkt Ende Aus. Die Mittel wirken in der Tat in Innenräumen sehr lange. Wie will man denn an einem Verkaufsstand, der voll mit Insektiziden ist, noch unter Hygiene Gesichtspunkten Pralinen verkaufen? Wie soll da auch nur im Ansatz eine Schabe überleben?

Also was Frau Wandner / Kunzmann da erzählt, ist schon abenteuerlich. Wenn ich dann sehe, dass sie behauptet, sie hätte Dinge wie Sehstörungen, Haarausfall usw. wegen Permethrin und Co. gehabt, frage ich mich, warum sie im TV Auftritt mit Haarpracht in der Lage war, vor der Kamera zu sprechen.
Auch interessant finde ich, dass sie während des Beitrags scheinbar in einem Holz-Haus sitzt. Gerade die im Beitrag benannten Holzschutzmittel Verfahren (eine Klage gg die Bayer AG) Ende der 80er / Anfang der 90er gingen für die Opfer entschädigungslos zu Ende. Die verwendeten Holzmittel mit den Wirkstoffen Lindan bzw. PCP sind im Gegensatz zu Pyrethroiden dafür bekannt, in die Raumluft zu migrieren; viele Menschen sind damals erkrankt - lt. Prof Schöndorf gab es bis zu 50 Krankheitsbilder (siehe " Langlebiges Gift im Holzschutzmittel"). Wie gesagt, die Opfer gingen in dem Prozess leer aus… War die gute Frau auch eine Klägerin? Würde mich mal interessieren…

Im Falle von Frau Plank sehe ich es wie mein Vorredner: drei Liter Gift, vermutlich eine kleine, enge Wohnung für einen Single, ggf. andere Insektengifte wie damals üblich auch verwendet, und schon hat man den Salat. Da finde ich es eher erschreckend, dass der NDR nicht stärker auf die Werbelügen der Industrie bzw. des damaligen Tierarztes eingeht. Wenn man heute noch sieht, dass Anbieter behaupten dürfen, dass Permethrin und andere Pyrethroide max 4-8 Wochen wirken (und nicht bis zu 12 Monate oder mehr), der Nutzer alle Wochen nachsprüht, nachkauft (und damit die Kasse beim Hersteller klingeln lässt) und er sich letztlich seine Wohnung verpestet, hätte das eigentlich die Botschaft sein müssen. Flohmittel als Nebelautomaten / Fogger kann man heute im Internet ohne Aufklärung kaufen und Leute brüsten sich gar damit, ihre Kinderzimmer eingenebelt zu haben.

Also, für mich ist der Beitrag grenzwertig, einige Infos sind aber ok, danke an alle für die Diskussion bis hierhin.

Die Story mit der Frau Plank passt zu dem, was wir an der Uni Klinik oft beobachtet haben, wohl gemerkt: Ferndiagnose.

Leute die sogenannte Fogger mit Pyrethroiden als Wirkstoff verwendet hatten, entwickelten eine allgemeine Chemikalien Allergie (praktisch allergisch gg Haarspray etc.), was ggf. auch in Richtung MCS geht / gehen könnte. Diese Leute litten dann massiv unter Pyrethroiden, auch weil Stoffe wie das Permethrin über viele Jahre im Haus verweilen können („die Geister, die ich rief…“). Wir vermuteten, dass quasi diese Omipräsenz der Pyrethroide durch den Foggereinsatz auf Sitzstellen, Esstischen, Wänden, Fenstergriffen, im Hausstaub etc. den Organismus in Richtung dieser Abwehrreaktionen getrieben haben. Ob man deswegen Nervenschäden bekommt, keine Ahnung, aber unsere Patienten waren mit ihrer Chemo-Allergie im Eimer, kein schönes Leben.

die Story von Frau Wandner: habe da große Zweifel, Kontamination nur am Arbeitsplatz, kein 24/7 Problem. Ok, lt. Aussage im TV Bericht haben wir wohl eine Überdosierung der Mengen, nur Frage ich mich, welcher Kammerjäger so was macht (ok, waren auch die 90er, wo die Leute noch bunte Krawatten trugen und schrille Trainingsanzüge). Haarausfall ist mW kein Zeichen von Permethrin Vergiftungen, Schmerzen am ganzen Körper, wenn man die Permethrin verseuchte Umgebung verlassen hat? Schwierig, muss ich sagen. Da ist eher die Plank Story plausibel, hat wohl so viel Permethrin versprüht, dass es einem fehlgeleiteten Fogger Einsatz gleichkam.

PS: der Einsatz von Foggern ist wirklich Sch…