Gefühl, Verstand und Verhalten bei Prauss

Gefühl, Verstand und Verhalten bei Prauss

In seinem letzten Band 2/II kommt Prauss nach einer kurzen polemisch gewürzten Distanzierung von der gängigen Meinung unserer Zeit schon auf den ersten Seiten zum Kern seines Anliegens:

Seite 512
_„Denn »natürlich« habe Subjektivität - so meint man durchwegs, aber eben fälschlich — nicht nur »theoretische« Vermögen, wie Verstand und Sinnlichkeit, die im Zusammenhang mit ihm ein »theoretisches« Vermögen sei. Vielmehr besitze Subjektivität auch »praktische« Vermögen noch, wie »Willen«, und mit ihm zusammenhängend wiederum sei Sinnlichkeit auch noch ein »praktisches« Vermögen. Schließlich spiele Sinnlichkeit nicht nur in der Gestalt von Anschauung für den Verstand als »theoretisches« Vermögen eine Rolle, sondern auch in der Gestalt von »Neigung« oder »Trieb« noch für das »praktische« Vermögen dieses »Willens«. Dementsprechend rumpeln in der Kammer nicht allein »Verstandesakte«, sondern auch noch »Willensakte« - jeweils mit all dem zusammen, was angeblich mit dazugehöre. Und weil diese Akte doch als »theoretische« und »praktische« von Grund auf unterschiedlich seien, müsse sich mit einem »theoretischen« Verstandesakt ein Willensakt als »praktischer« auch immer erst »zusammensetzen«, auf daß insgesamt nicht nur »Erkennen«, sondern auch noch »Handeln« einer Subjektivität zustande komme.
Nur muß eben unverständlich bleiben, weshalb sich an einen angeblich bloß »theoretischen« Verstandesakt ein Willensakt als »praktischer« noch sollte anzuschließen haben. Denn daß dies »natürlich« wegen eines Auftretens von »Neigung« oder »Trieb« geschehen müsse, wie man ferner meint, kann gleichfalls nicht verständlich werden, weil das nur eine Verschiebung des Problems bedeutet. Muß doch dann genauso unverständlich bleiben, weshalb sich an Sinnlichkeit als angeblich bloß »theoretische« wie Anschauung auch Sinnlichkeit als »praktische« wie Neigung oder Trieb noch sollte anzuschließen haben.

Zu verstehen ist das alles vielmehr nur, wenn Subjektivität von vornherein schon immer Praxis ist und nicht etwa im nachhinein erst immer Praxis wird, indem sie sich an etwas gänzlich anderes, wie »Theorie«, erst immer anzuschließen hätte.“_

Das, was wir dem limbischen System des Zentralhirns als Ursprung von Trieb und Lust, von Aggression oder Angst usw. zuschreiben, dem ich die Triebe Existenzerhalt, Arterhalt und Geltungstrieb zuordne, was sich jeweils in Form einer Mixtur von bestimmten Hormonen und Endofinen als Botenstoffe vielleicht sogar messen und eventuell sogar künstlich erzeugen oder regulieren lässt. Diesen Gefühlen kann in der Tat nicht zuerst nur eine Theorie zu Grunde liegen oder auch nicht zuerst folgen, Das wäre absurd zu denken. Andererseits sind wir aber auch keine determinierten Triebtäter, keine reinen Triebwesen, was die Konsequenz der oben von Prauss kritisierten Ansichten wäre, gegen die Bieri vergeblich um einen kleinen Freiraum für den freien Willen des Menschen kämpft. (Dies sieht selbst Habermas zurecht kritisch!)
Dieser scheinbar unlösbare Widerspruch lässt sich nach Prauss eben – wie kurz vorher abgeleitet – nur auflösen, wenn wir Gefühl, Verstehen und Verhalten zusammen bereits als Praktizität verstehen.
Und damit wird das Folgende denn auch spannend, wie Prauss dann Absicht und Verhalten als Kausalzusammenhang erklären wird.

Friedhelm