Gegenwartsbezug Dt-Fr. Krieg?

Moinsen,

ich habe vor einiger Zeit was Gutes dazu gelesen …
http://www.amazon.de/Der-Deutsch-Franz%C3%B6sische-K…

Mir fallen an Ansatzpunkten zur gegenwart ein:

Der Auslösemechanismus eines Krieges in der Demokratie
-Geheimrede mit Maximalforderungen
-Bündnissverträge

Entwicklung des Kriegsrechtes im Krieg
-in diesem Krieg wurden erstmals die ‚Genfer Konventionen‘ getestet
-Theorie und Praxis von Geiselnahmen und Verwundetenschutz

Notwendigkeit einer stabilen Nachkriegsregelung
-Radikalisierung der Kriegsziele

All das kann man mit verschiedenen aktuellen Konflikten vergleichen
und so bei den Schülern klarmachen, dass heute all dies den selben
Regeln folgt … nur dass man bei ‚alten‘ Konflikten alle Akten
einsehen kann und alles besser analysieren und was daraus lernen
kann.

Viele Grüße

Jake

Und um meinen Strauß an Möglichkeiten noch zu erweitern wäre
es vielleicht auch hilfreich mich ein wenig mehr in die
Militärgeschichte einzulesen. Von den einzelnen Waffen, von
denen du schreibst, habe ich nämlich ehrlich gesagt noch nicht
zu viel Ahnung.

Wobei ein wesentlicher „Erfolgsfaktor“ die politische Vorbereitung durch Bismarck war, der auf der militärischen Seite völlig außen vor war. Die geschickte Manipulation, Frankreich zu einer Kriegserklärung zu provozieren, war ja erst die Voraussetzung dafür, dass die selben süddeutschen Staaten, die gerade mal fünf Jahre zuvor Preußen im Deutschen Krieg unterlagen, plötzlich nicht mehr neutral blieben oder gar an der Seite Frankreichs standen.

Gleichzeitig war der schnelle militärische Sieg Voraussetzung, den Machtwechsel auf dem Kontinent zu vollziehen, bevor die anderen Großmächte sich einmischen konnten.

Ciao, Allesquatsch

Wobei ein wesentlicher „Erfolgsfaktor“ die politische
Vorbereitung durch Bismarck war, der auf der militärischen
Seite völlig außen vor war.

Bismarck und Moltke waren in ständigem engem Kontakt. Das unterschied ihn ja von Napoleon III.: Die Leistungsfähigkeit des Instruments zu kennen, dessen er sich zur „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ zu bedienen gedachte, und dementsprechend präzise seine Erfolgsaussichten kalkulieren zu können.
Die geschickte Manipulation,

Frankreich zu einer Kriegserklärung zu provozieren, war ja
erst die Voraussetzung dafür, dass die selben süddeutschen
Staaten, die gerade mal fünf Jahre zuvor Preußen im Deutschen
Krieg unterlagen, plötzlich nicht mehr neutral blieben oder
gar an der Seite Frankreichs standen.

Die süddeutschen Landesfürsten konnten schwerlich umhin, an der Seite Preußens in den Krieg gegen Frankreich zu ziehen, eines Bündnisses hätte es dazu gar nicht bedurft. Eine Beteiligung auf französischer Seite jedenfalls hätte die Bevölkerung eingedenk zahlloser französischer Aggressionen in der Vergangenheit wohl mit einer Revolte beantwortet und das Heer mit Meuterei. Immerhin war der deutsche Nationalismus auch dort schon ein Menschenleben alt. Und so naiv-selbstverliebt zu glauben, die Deutschen würden gerne wieder mal für einen Napoleon gegeneinander kämpfen und sterben, konnten auch nur die Franzosen sein. Nach Sedan fragte der französische Botschafter Monbourg in Wien, gegen wen die Deutschen dennn nun noch weiterkämpften, nachdem Napoleon III. doch gestürzt und gefangen genommen sei. Er erhielt dort zur Antwort: „Gegen Ludwig den Vierzehnten“.

Gleichzeitig war der schnelle militärische Sieg Voraussetzung,
den Machtwechsel auf dem Kontinent zu vollziehen, bevor die
anderen Großmächte sich einmischen konnten.

Naja, der Beginn der britischen Missvergnügens mit Deutschland lässt sich recht präzise auf den 2. September 1870 datieren, und die anschließende kriegsverlängernde wenn auch nicht -entscheidende Lieferung von britischen Waffen und Munition nach Frankreich spricht Bände bezüglich der Frage, wie sich Großbritannien fürderhin machtpolitisch zu positionieren gedachte. Aber Russland war eine französische Republik nicht weniger zuwider als ein napoleonisches Kaisertum, und so hätte Moskau Berlin wohl noch länger die Südflanke gedeckt.

Ich sehe übrigens keine deutschen Ambitionen, einen Machtwechsel auf dem Kontinent zu vollziehen. Es war einfach so, dass eine Einigung Deutschlands ohne Krieg mit Frankreich nicht zu machen war. Das hatte weniger mit deutschen Ambitionen zu tun als mit französischen Befindlichkeiten. Dass Deutschland dann Frankreich als beherrschende Kontinentalmacht ablöste, war kein Ausdruck von Aggression, sondern schlicht der demografischen, industriellen und wissenschaftlichen Potenz, die ein geeinigtes Deutschland nun einmal - und ganz ohne bösen Willen - seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte.

Gruß
smalbop

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Bismarck und Moltke waren in ständigem engem Kontakt.

Mehr aber auch nicht. Denn von allen militärischen Entscheidungsgremien war Bismarck ausgeschlossen. Bismarck hat jedenfalls ordentlich rumgejammert, dass er in militärischen Angelegenheit nur nach Gutdünken informiert und ansonsten entsprechend seines militärischen Rangs - und nicht als Reichkanzler - behandelt wurde.

Die süddeutschen Landesfürsten konnten schwerlich umhin, an
der Seite Preußens in den Krieg gegen Frankreich zu ziehen,
eines Bündnisses hätte es dazu gar nicht bedurft. Eine
Beteiligung auf französischer Seite jedenfalls hätte die
Bevölkerung eingedenk zahlloser französischer Aggressionen in
der Vergangenheit wohl mit einer Revolte beantwortet und das
Heer mit Meuterei. Immerhin war der deutsche Nationalismus
auch dort schon ein Menschenleben alt. Und so
naiv-selbstverliebt zu glauben, die Deutschen würden gerne
wieder mal für einen Napoleon gegeneinander kämpfen und
sterben, konnten auch nur die Franzosen sein.

Wobei die Liebe gegenüber den Preußen auch nicht sehr ausgeprägt war. Sowohl in der schon einverleibten Rheinprovinz als auch im Süden. Schließlich hatten preußische Truppen schon eingegriffen, um die National- und Demokratiebewegung zusammenzuschießen. Das sehr feudal und militärisch ausgerichtete Preußen stand nicht gerade für bürgerlichen Freiheiten, die man in den vormals unter französischem Einfluss stehenden Ländern schon kannte.

Ich sehe übrigens keine deutschen Ambitionen, einen
Machtwechsel auf dem Kontinent zu vollziehen.

So sehe ich es auch. Der Machtwechsel war die logische Konsequenz aus der deutschen Einigung.

Ciao, Allesquatsch

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Bismarck und Moltke waren in ständigem engem Kontakt.

Mehr aber auch nicht. Denn von allen militärischen
Entscheidungsgremien war Bismarck ausgeschlossen. Bismarck hat
jedenfalls ordentlich rumgejammert, dass er in militärischen
Angelegenheit nur nach Gutdünken informiert und ansonsten
entsprechend seines militärischen Rangs - und nicht als
Reichkanzler - behandelt wurde.

Bismarck hatte ja immerhin direkten Zugang zu Moltkes Chef.
Moltke war es übrigens, der die nach 1866 einsetzende französische Heeresreform zum Anlass nahm, Bismarck einen Präventivkrieg nahezulegen. Und Bismarck war es, der diesen dann so einfädelte, dass Frankreich der Angreifer war - und noch dazu ohne Verbündete dastand.
In der 2. Phase des Krieges kam es zu wiederholten Auseinandersetzungen zwischen militärischer und politischer Führung über die Weiterführung des Krieges - Moltke, Bismarck und Wilhelm waren ja selbst mit der Armee ins Feld gezogen. Wilhelm als oberster Kriegsherr war Soldat und Politiker zugleich - und oft Mediator.

Woran es Deutschland in den nächsten 85 Jahren zumeist fehlen sollte, zeichnete sich dabei auch schon ab: An einer Weisungsbefugnis der Volksvertretung gegenüber der militärischen Führung. Der Reichstag hatte dann allerdings zumindest ein Budgetrecht betreffend das Militär - und davon vor 1914 nicht immer zum Vorteil Deutschlands Gebrauch gemacht.

Wobei die Liebe gegenüber den Preußen auch nicht sehr
ausgeprägt war. Sowohl in der schon einverleibten Rheinprovinz
als auch im Süden. Schließlich hatten preußische Truppen schon
eingegriffen, um die National- und Demokratiebewegung
zusammenzuschießen. Das sehr feudal und militärisch
ausgerichtete Preußen stand nicht gerade für bürgerlichen
Freiheiten, die man in den vormals unter französischem
Einfluss stehenden Ländern schon kannte.

Die Kriegsbegeisterung in Süddeutschland war nicht Ausdruck einer plötzlich aufflammenden Zuneigung zu Preußen, sondern ein elementarer Ausbruch von Franzosenhass (S. Haffner).

Gruß
smalbop

Danke

für die interessanten Informationen. Leider gibt es kaum Literatur zu 70/71. Das meiste ist antiquarisch und die Preise sind exorbitant über dem, was militärhistorische Literatur zum 20. Jh. kostet.

Wikipedia sei Dank kann man sich zumindest schnell einen Überblick über den Verlauf verschaffen, aber danach wird’s schwierig.

Ciao, Allesquatsch

Hallo

für die interessanten Informationen. Leider gibt es kaum
Literatur zu 70/71. Das meiste ist antiquarisch und die Preise
sind exorbitant über dem, was militärhistorische Literatur zum
20. Jh. kostet.

Ja, antiquarisch habe ich zu dem Thema auch nur „Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin“ zu bieten, ansonsten beziehe ich meine Informationen aus Sekundärliteratur, zum Thema Moltke steht hier z. B. Dupuys „Der Genius des Krieges“ im Regal. Moltke selbst hat der Nachwelt ja über seine Person nichts schriftliches hinterlassen, dazu war er zu bescheiden, obwohl er nicht nur ein militärisches Genie war, sondern auch ein hoch begabter Schriftsteller.

Wikipedia sei Dank kann man sich zumindest schnell einen
Überblick über den Verlauf verschaffen, aber danach wird’s
schwierig.

Es ist bei geschichtlichen Recherchen im Internet leider auch oft unklar, woher genau die angeblichen Infos stammen.

Gruß
smalbop

Das Buch von Ganschow habe ich auch schon gelesen und es bietet wirklich einen guten Überblick.
Und besonders deine Gegenwartsbezüge sind interessant. Sie gehen nochmals in eine ganz andere Richtung, als die Beiträge bisher. Vielen Dank :smile:
Könntest du mir aber vielleicht noch kurz etwas näher erleutern, was du mit „Geheimrede mit Maximalforderungen“ meinst?
Viele Grüße

Wow, Smalbop und Allesquatsch. Da habt ihr euch wirklich viel Mühe gegeben und sehr ausführlich geantwortet!
Vielen Dank dafür! Eure Diskussion hat mir einige gute infos geliefert und ich werde definitiv in diese Richtung auch noch ein wenig weiter recherchieren.
Zwar ging der didaktische Aspekt dabei ein wenig unter, aber eine wirklich gute didaktische Methode kann schließlich auch nur auf einem differenzierten Fachwissen aufgebaut werden.
Dankeschön!

Hallo Wunderfitz,

Könntest du mir aber vielleicht noch kurz etwas näher
erleutern, was du mit „Geheimrede mit Maximalforderungen“
meinst?

Ich fasse mal meine Erinnerung zusammen: Der französische
Aussenminister hatte damals vor einer Kammer des Parlamentes
in einer an sich geheimen Sitzung eine Rede gehalten.

Preussen sollte sich nicht nur zum Verzicht einer Kandidatur
um den spanischen Thron bereitfinden (was diplomatisch schon
zugesagt worden war!) sondern dazu auch garantieren für alle
Zeiten ähnliche Schritte zu unterlassen wenn es keinen Krieg
wolle - was eine offene Erpressung und daher unannehmbar war.

Diese Rede wurde natürlich bekannt und danach hatte die franzö-
siche Regierung nur noch die Wahl zurückzutreten oder Krieg zu
führen. Ohne Not hatte die Politk sich selber schachmatt gesetzt.

Im Kern war es so, dass ein neuer Minister einer schwachen Regierung
innenpolitisch Stärke zeigen wollte, indem er nach aussen Forderungen
erhob, die weder erfüllbar noch zurücknehmbar waren.

Das kommt einem ja so bekannt vor …

Viele Grüße

Jake

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Welcher aktuelle Gegenwartsbezug kann zum
Deutsch-Französischen Krieg angegeben werden?(neben
Denkmälern)

Hallo, ich nochmal.

Mir ist eben noch ein Gedanke in den Sinn gekommen, den ich, glaube ich, so ungefähr zuerst bei Haffner gelesen habe: Bismarck hat mit

  1. der Reinstitutionalisierung von Kaiser und Reich nach
  2. einem Sieg über den Erbfeind
    den deutschen Nationalismus aus einem republikanisch-liberal geprägten in einen monarchistisch-reaktionären gewandelt, also aus der linken in die rechte Ecke geholt. Nationalismus = rechts und konservativ, das wirkt sicher bis heute fort.

Gruß
smalbop