Geheime, heimliche Eheschließung um 1800

Hallo,

Schriftsteller lieben ja seit jeher heimliche Ehen (siehe zum Beispiel in „Jane Eyre“ Mr. Rochester ist seit Jahren verheiratet, doch niemand -nicht einmal die Bediensteten- wissen von dieser Ehe)

Aber wie wahrscheinlich war es, dass (in diesem Falle um die Zeit von 1800) eine Ehe geheim gehalten werden konnte?

Wäre es möglich, dass eine Ehe eines Britischen Staatsbürgers, die in einer der Kolonien oder im Ausland (z.B. Amerika) geschlossen wurde, vor den Verwandten und Bekannten in der Heimat (England) geheim gehalten werden konnte?

Wie hätte man das anstellen müssen?

Was wurde denn bei einer regulären Hochzeit zu dieser Zeit ( ca. 1800) unternommen um das Ereignis unter die Leute zu bringen?
Von Zeitungsartikeln zur Bekanntmachung weiß ich aus Büchern, aber wurde sonst noch etwas getan?

Vielen Dank für Eure Antworten!
Liebe Grüße, Sina

Hallo Sina,

ich bin zwar Standesbeamter in der Jetztzeit, die Vergangenheit ist mir aber nicht ganz so geläufig. Leider ist zuhause gerade meine Telefon-/Internetleitung gestört, aber ich schreibe Dir nächste Woche mal, welche Gedanken ich mir zu Deiner Frage gemacht habe.

Für heute mal freundliche Grüße
Reinhold Springer

Hallo Sina,

ich weiss nur, dass oft sogenannte „verstoßene“ Söhne, die ins Ausland geflüchtet sind, um dort ein neues Leben anzufangen, durch die Umstände ihre Eheschließung geheim halten konnten.
Bei Männern, die mit ihrer Familie in der Heimat noch regen Kontakt hatten, war das schon etwas schwieriger. Leider gibt es zu diesem Thema keine autobiographische Literatur. Jedenfalls habe ich bisher noch keine gefunden. Ich kenne nur die Romane von Jane Austen, z.B. „Emma“, darin wird eine geheime Beziehung und Ehe zum Thema, welche erst gegen Ende überhaupt bekannt wird.

Aber vielleicht könnte es in der Nationalbibliothek Bücher geben, wo dieses Thema behandelt wird.

Sonst fällt mir dazu nichts ein. Ich wünsche weiterhin viel Erfolg beim Finden der Informationen.

Alles Gute
Liebe Grüße

Liebe Sina,die geheime Heirat war schon möglich, vor allen Dingen, wenn man als Mitglied der Oberschicht Privilegen/ Macht hatte. Das heißt, dass man einen Priester (der oft von den Adeligen bezahlt wurde)„bitten“ konnte , die Ehe zu schließen. Dies galt erst Recht bei einer Entfernung (anderer Kulturkreis) von ein paar Tausend Kilometer.Die weltliche Eheschließung oder gar der öffentliche Aushang (wie Heute ) gab es nicht.Das heißt zum Beispiel, dass man den Priester an einen bestimmten Ort (versteckte Kapelle/oder sogar in der eigenen Hauskirche)„befahl“. Das Eingeborenenpersonal mußt das nicht mit bekommen/verstehen.Es gibt viele Beispiel der solch einer Eheschließung in Adelshäusern. Hoffe Antwort hilft und überzeugt. Gruß Bernd

AW: Geheime, heimliche Eheschließung um 1800
Ich beantworte die Frage mit Blick auf die Inselgebiete Melanesiens und Mikronesiens, für den Zeitraum ca. 1840-1880 und im Hinblick auf einen deutschen (preußischen) Staatsbürger, denn nur da kenne ich mich aus:

Fall 1: Die Ehe wäre zwischen einem Europäer und einer Insulanerin geschlossen worden.

In diesem Fall hätte sich die Ehe besonders einfach verheimlichen lassen, denn entsprechende Trauungen fanden meist in der jeweiligen Stammesgemeinschaft statt. Der zukünftige Ehemann zahlte dabei entweder an das Familienoberhaupt, den Dorf- oder Bezirksanführer eine Axt, etwas Bandeisen oder einige Stücke Baumwolltuch; die Frau wurde ihm dann gleichsam per Handschlag verkauft, ganz wie das bei Eheschließungen unter Einheimischen auch war. Solche Bündnisse wurden fast nie schriftlich dokumentiert, auch von Außenstehenden nicht, also auf der Insel stationierten, europäischen Händlern oder Missionaren. Darüber hinaus war im 19. Jahrhundert in Ozeanien die Polygamie vorherrschend, d.h. es hätte auch keinen Grund gegeben, die Trauung zur vorsorglichen Vermeidung weiterer Ehen mündlich über die Dorfgemeinschaft hinaus mitzuteilen.

Fall 2: Die Ehe wäre vor einem europäischen Missionar geschlossen worden.

Dies wäre in den meisten Fällen entweder ein Mitglied der Wesleyanischen Kirche oder der Hawaiianischen Mission gewesen, der die Trauung dann in seinem nächsten Bericht an sein Hauptbüro mitgeteilt hätte. Das heißt, die Nachricht wäre entweder nach London/England, Sydney/Australien oder Hawaii bzw. Boston/USA gegangen. Dort wäre sie archiviert worden; weitergereicht hätte die Missionsbehörde sie aber höchstens auf Anfrage.

Fall 3: Die Ehe wäre vor dem Kommandanten eines Kriegsschiffes geschlossen worden.

Der Kommandant hätte dies in einer Anlage zu seinem nächsten Reisebericht an das Marineministerium mitgeteilt, das vor der Gründung der Kaiserlichen Admiralität für solche Mitteilungen zuständig war. Das Meldewesen in Deutschland entstand erst ab 1835 und bildete sich nur langsam aus, das heißt auch in diesem Fall wäre eine Angabe zur Eheschließung nur auf Anfrage hin erfolgt, nicht aber grundsätzlich z.B. an die Heimatgemeinde des Ehemannes.

Fazit: Geheimhalten lassen hätten sich solche Ehen in den beschriebenen Fällen fast immer, wenn nicht z.B. seitens einer ersten Ehefrau bereits ein gezielter und richtiggehender Verdacht bestanden hätte. Um im Fall 1 der Eheschließung auf die Spur zu kommen, hätte man dann beispielsweise eine Nachfrage an eine der Missionsgesellschaften richten müssen. Die Bitte um Nachforschung hätte diese an ihren Geistlichen auf der jeweiligen Insel weitergeleitet, von dem sie auch ausgeführt worden wäre, um sozusagen der Monogamieforderung der christlichen Glaubensbotschaft im Einzelfall zur Durchsetzung zu verhelfen. Doch waren die Postlaufzeiten in die Südsee damals lang (4 bis 6 Monate), der Postweg unsicher, weshalb mit einer Antwort, wenn überhaupt, frühestens binnen Jahresfrist zu rechnen gewesen wäre.

Schneller gegangen und sicherer mit einer Antwort zu rechnen gewesen wäre in den Fällen 2 und 3, denn besonders das Reichsaußenministerium (das die Mitteilungen des Marineministeriums im Regelfall in Kopie erhielt) arbeitete zur Mitte des 19. Jahrhunderts ziemlich flott und beantwortete Eingaben meistens binnen ein bis zwei Wochen.

In größerem Rahmen öffentlich gemacht worden wären Eheschließungen zwischen Europäern und Südsee-Insulanern aber nicht, das heißt nicht einmal in kleineren Zeitungen wie der „Samoa“ oder „Fiji Times“ wäre eine Anzeige erschienen. Annoncen in solchen Zeitungen zu Hochzeiten, bei denen die zu Trauenden beide Europäer waren, halte ich für möglich, doch sind mir auch hier konkrete Beispiele nicht bekannt. Eher war es so, daß solche Eheschließungen von den auf den Inseln ansässigen Europäern an Besatzungsmitglieder besuchender Handels- und Kriegsschiffe berichtet wurden, welche die Nachricht dann erst in Ozeanien und später in den großen Hafenstädten weitererzählten, also zunächst in Hongkong, Batavia (heute Jakarta), Singapur, Valparaiso und San Francisco, dann nach der Heimkehr in Hamburg, Kiel oder Bremen.

Ich hoffe, die Auskunft nützt,

viele Grüße

Jakob Anderhandt