AW: Geheime, heimliche Eheschließung um 1800
Ich beantworte die Frage mit Blick auf die Inselgebiete Melanesiens und Mikronesiens, für den Zeitraum ca. 1840-1880 und im Hinblick auf einen deutschen (preußischen) Staatsbürger, denn nur da kenne ich mich aus:
Fall 1: Die Ehe wäre zwischen einem Europäer und einer Insulanerin geschlossen worden.
In diesem Fall hätte sich die Ehe besonders einfach verheimlichen lassen, denn entsprechende Trauungen fanden meist in der jeweiligen Stammesgemeinschaft statt. Der zukünftige Ehemann zahlte dabei entweder an das Familienoberhaupt, den Dorf- oder Bezirksanführer eine Axt, etwas Bandeisen oder einige Stücke Baumwolltuch; die Frau wurde ihm dann gleichsam per Handschlag verkauft, ganz wie das bei Eheschließungen unter Einheimischen auch war. Solche Bündnisse wurden fast nie schriftlich dokumentiert, auch von Außenstehenden nicht, also auf der Insel stationierten, europäischen Händlern oder Missionaren. Darüber hinaus war im 19. Jahrhundert in Ozeanien die Polygamie vorherrschend, d.h. es hätte auch keinen Grund gegeben, die Trauung zur vorsorglichen Vermeidung weiterer Ehen mündlich über die Dorfgemeinschaft hinaus mitzuteilen.
Fall 2: Die Ehe wäre vor einem europäischen Missionar geschlossen worden.
Dies wäre in den meisten Fällen entweder ein Mitglied der Wesleyanischen Kirche oder der Hawaiianischen Mission gewesen, der die Trauung dann in seinem nächsten Bericht an sein Hauptbüro mitgeteilt hätte. Das heißt, die Nachricht wäre entweder nach London/England, Sydney/Australien oder Hawaii bzw. Boston/USA gegangen. Dort wäre sie archiviert worden; weitergereicht hätte die Missionsbehörde sie aber höchstens auf Anfrage.
Fall 3: Die Ehe wäre vor dem Kommandanten eines Kriegsschiffes geschlossen worden.
Der Kommandant hätte dies in einer Anlage zu seinem nächsten Reisebericht an das Marineministerium mitgeteilt, das vor der Gründung der Kaiserlichen Admiralität für solche Mitteilungen zuständig war. Das Meldewesen in Deutschland entstand erst ab 1835 und bildete sich nur langsam aus, das heißt auch in diesem Fall wäre eine Angabe zur Eheschließung nur auf Anfrage hin erfolgt, nicht aber grundsätzlich z.B. an die Heimatgemeinde des Ehemannes.
Fazit: Geheimhalten lassen hätten sich solche Ehen in den beschriebenen Fällen fast immer, wenn nicht z.B. seitens einer ersten Ehefrau bereits ein gezielter und richtiggehender Verdacht bestanden hätte. Um im Fall 1 der Eheschließung auf die Spur zu kommen, hätte man dann beispielsweise eine Nachfrage an eine der Missionsgesellschaften richten müssen. Die Bitte um Nachforschung hätte diese an ihren Geistlichen auf der jeweiligen Insel weitergeleitet, von dem sie auch ausgeführt worden wäre, um sozusagen der Monogamieforderung der christlichen Glaubensbotschaft im Einzelfall zur Durchsetzung zu verhelfen. Doch waren die Postlaufzeiten in die Südsee damals lang (4 bis 6 Monate), der Postweg unsicher, weshalb mit einer Antwort, wenn überhaupt, frühestens binnen Jahresfrist zu rechnen gewesen wäre.
Schneller gegangen und sicherer mit einer Antwort zu rechnen gewesen wäre in den Fällen 2 und 3, denn besonders das Reichsaußenministerium (das die Mitteilungen des Marineministeriums im Regelfall in Kopie erhielt) arbeitete zur Mitte des 19. Jahrhunderts ziemlich flott und beantwortete Eingaben meistens binnen ein bis zwei Wochen.
In größerem Rahmen öffentlich gemacht worden wären Eheschließungen zwischen Europäern und Südsee-Insulanern aber nicht, das heißt nicht einmal in kleineren Zeitungen wie der „Samoa“ oder „Fiji Times“ wäre eine Anzeige erschienen. Annoncen in solchen Zeitungen zu Hochzeiten, bei denen die zu Trauenden beide Europäer waren, halte ich für möglich, doch sind mir auch hier konkrete Beispiele nicht bekannt. Eher war es so, daß solche Eheschließungen von den auf den Inseln ansässigen Europäern an Besatzungsmitglieder besuchender Handels- und Kriegsschiffe berichtet wurden, welche die Nachricht dann erst in Ozeanien und später in den großen Hafenstädten weitererzählten, also zunächst in Hongkong, Batavia (heute Jakarta), Singapur, Valparaiso und San Francisco, dann nach der Heimkehr in Hamburg, Kiel oder Bremen.
Ich hoffe, die Auskunft nützt,
viele Grüße
Jakob Anderhandt