Die Hohlköpfe " da oben " sind
mittlerweile alle austauschbar, leider. Wenn ich konsequent
wäre, müßte ich sofort kündigen und eine eigene Partei
gründen. Ich bin leider nicht konsequent, einfach nur
frustriert, mein Problem…!
Hallo Christiane,
deine Postings haben so eine traurige Grundmelodie.
Dazu das Folgende:
„taz: Wichtiger als Aktionen gegen das offen organisierte Nazitum, Verbote und ähnlichem wäre das eigene Gegen-Leben und die Kontrolle der faschistischen Tendenzen weiter oben in der Staatshierarchie?
Theweleit: Entscheidend bleibt „die Straße“, was sich dort entwickelt, wer dort was in Gang setzt und beeinflußt; die Straße und die an ihr liegenden Spiel-, Denk-, Arbeits- und Wohnorte: ein autonomes Jugendzentrum in einer ostdeutschen Kleinstadt oder kein autonomes Jugendzentrum; ein Internetcafe oder kein Internetcafe; wer es ist, der einem Fanzines, Bücher usw. in die Hände drückt, und welche Bücher, Fanzines das sind und welche Platten, welche Filme. Die Tanzorte. Welche Mädchen, welche Jungen sexuell erreichbar sind, erreichbar bleiben oder werden. … Leben oder Nicht-Leben in den schon vorhandenen einzelnen Enklaven, auch den rechten, wird wachsen und sich weiter „vom Ganzen“ isolieren. ---- Enklave, laut Wörterbuch: (lat.9 fremdes Staatsgebiet, das vom eigenen Staatsgebiet eingeschlossen ist ---- Lauter halbautonome Kleinstaaten, hier eine Redaktion, da ein Arbeitskollektiv, dort ein Klub, ein Haus, eine WG, ein Infoladen, eine Gruppendynamik, ein Teeladen. Gibt es mehrere davon in einem Stadtteil, ändert sich seine Infrastruktur; ändert sie sich erheblich, stellen die Enklavenstaaten ihren Bürgermeister. Zum Staatschef reichts nicht. Das aber liegt ja auch nicht im Sinn beispielsweise der Autonomen. Aber die Enklavenstaaten strahlen aus auf die sogenannte Mitte und auf die einzelnen Familien und Schulen, und zwar nicht wenig, wie wir in den letzten drei Jahrzehnten gesehen haben.“
„Interview mit Klaus Theweleit“, „die tageszeitung“, 22. Januar 1994
Christiane, es bringt tatsächlich nur frustrierende Zeitverschwendung mit Leuten zu diskutieren, die immerzu nur erzählen was sie machen würden, wenn sie George Bush oder Usama Bin Laden wären, oder, wenn die Mehrzahl der Wähler so wählen würden, wie es die Linken gern hätten.
Wer Politik nicht nur als Privatbeschäftigung nach Feierabend oder als gedankliche Kriegsspielerei - natürlich immer nur nach Anlaß: Terror auf New York, Rache gegen Taliban, aufpeitschender Mord an Punk oder Obdachlosen - betreibt, muß frustirert und immer frustrierter werden. Aber. Was gibt dir das?
Z.B. Wahlverhalten: wir wählen PDS. Nicht weil uns Gysi so gefällt. Der schielt auch bloß nach möglichst viel Wählerstimmen. Läßt sich beispielsweise von einer Pro-Amerika-für-den-Krieg-Massenbeeinflussung mitschieben, weil er vorrangig die 5-Prozentklausel im Blickfeld hat. Anders gesagt: Er ist ein Opportunist und nur gegen den Krieg, wenn „genug“ ebenfalls dagegen sind. Dann kommt er als Nachzügler. Aber darum gehts uns nicht. Erstens sehe ich Srah Wagenknecht als gut, zweitens: welche Partei regiert mein Stadtviertel? - Das ist mir wichtiger als die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Schon mal, weil ich da ja nur träumen kann. Vielzuviel Linke machen den Fehler und sind fast nur Masse, Mehrheit fixiert. Obwohl doch die Rechten hier im Osten mit ein paar Schreihälsen bewiesen haben, wie stark sie durch ihre „Aktionen“ bis hin zu Morden die Öffentlichkeit beeinflussen und dabei auch unerfahrene, ungebildete Jugendliche usw. als Mitläufer gewinnen und sich so ausweiten können. Gewiß, im Bundestag sitzen genug, die sich da sofort nach dem Strom sehnen und „Ich bin stolz auf Deutschland“ und „Ausländer raus“, war im Bundestag ja oft zu hören. Und dann die Massenmedien. Aber das weißt du doch, wo die Springer- und Kirchleute stehen. - Minderheiten können viel erreichen, auch ohne das ganz große Geld und so weiter, wenn sie gebildeter, besser informiert, kurz „Elite“ sind. Und „Elite“ in dem Sinn, daß sich gute Führungskräfte überflüssig machen. Ich will, daß unsere Kinder vorankommen, weniger streeßig leben müssen als wir. Ich will ihnen nicht aufs Dach steigen. Ich will auch keine Parteipolitik machen. Viel zu streßig. Aber in meinem Stadteil regierend sehe ich doch lieber PDS als CDU-SPD.
Und. Gleichberechtigung ja Gleichheit - im Sinn von gleichen Rechten - ist mir wichtiger in der eigenen Gruppe, der eigenen Familie, WG. Zehn Leute, die mit mir auf gleicher Welle schwimmen, sind mir leber als hundert, mit denen ich ganzen Tag und die halbe Nacht diskutieren muß, um anschließend festzustellen, wir konnten uns nicht einigen. Es war folgerichtig nur Zeit- und Kraftverschwendung. Dazu läßt sich mehr sagen, als ich in einem Posting kann…
Zum Schluß das folgende Zitat, das du nicht so ernst nehmen solltest. Denn, es ist mehr als satirische Kritik gemeint, weniger als Handlungsanweisung (obwohl, wer weiß schon heute so genau, was morgen ist: die augenblickliche Aufgeregtheit wegen USA-Afghanistan ist doch nicht wegen der Ereignisse, sondern, es kam für fast alle SOOOO überraschend. Und nur Gewöhnung stumpft ab). Nun das Zitat.
„Verdammte Spießerinzucht. Alle Inzuchtgegenden sind anti-sexuell, konformistisch und prosaisch. Sollten Sie sich in einem Inzuchtgebiet wiederfinden, laufen Sie nicht, gehen Sie langsam zur nächsten Grenze! Wenn Sie laufen, wird Sie höchstwahrscheinlich ein fanatisierter und wegen seines beschissenen Lebens unzufriedener Bulle abknallen.“
William Seward Burroughs: "Ullstein-Taschenbuch, S. 30
Ich grüße dich
Jürgen