live vom Stammtisch
Guten morgen,
das mag der Stammtisch so sehen, aber aus
volkswirtschaftlicher Sicht war weniger die Schwäche der
Währungen das Problem, als vielmehr die nicht abgestimmte
Fiskalpolitik.
Ja, schon klar, aus volkswirtschaftlicher Sicht wird die
Frage, wie die Leute da drunten so sind, nicht thematisiert.
Das hat der Stammtisch der volkswirtschaftlichen Sicht voraus.
Die Prozeßmechanik des Schlamassels erschließt sich freilich
eher der volkswirtschaftlichen Sicht.
das ist die gleiche Denkweise, wie sie begossene Grillfreunde nach einem sommerlichen Gewitter an den Tag legen. 90% der Wettervorhersagen stimmen, aber in der Situation heißt es „Wettervorhersagen taugen nichts.“
Stammtisch und Volksmund waren sich vor der Einführung des Euros einig, daß die Schwachwährungsländer uns (=Deutschland) runterreißen, d.h. die Inflation ginge nach oben und der außenwert des Euro bräche weg. Was ist tatsächlich passiert? Der Euro hat nach einer kurzen und keineswegs außergewöhnlichen Schwächephase einen guten Lauf hingelegt: die Wechselkurse waren stabil, die Zinsen und die Inflationsrate in Deutschland niedrig.
Daß die Griechen ihren Haushalt nicht im Griff haben, hätte den Euro unter normalen Umständen nicht weiter belastet, auch wenn die Märkte das auf kurze Sicht ein bißchen anders interpretiert haben. Was dem Euro schadet, ist der politisch gewollte Verstoß gegen den Maastrichter Vertrag. Das hat mit Schwach- oder Starkwährungsländern genauso wenig zu tun wie mit dem Euro an sich. Genauer gesagt wäre die Staatshilfe für Griechenland ohne Euro für uns noch ein bißchen unerfreulicher; dann wären nämlich Kredite in D-Mark aufgenommen und dieses Geld dann in Drachmen getauscht worden. Das hätte einen durchaus bemerkbaren, negativen Einfluß auf den Wechselkurs der D-Mark gehabt.
Ratings zu erstellen, fallen da kaum noch ins Gewicht.
Die einzelnen undurchsichtigen Winkelzüge werden am Stammtisch
nicht hochqualifiziert durchschaut, aber in ihrer Wirkung
erahnt.
Ach Gottchen. Du verwechselt „die da oben sind alle doof“ mit von Wissen bestenfalls beeinflusster Ahnung oder gar Fachkunde. Es würde mich schon wundern, wenn 1% der Bevölkerung davon überhaupt etwas mitbekommen hätte.
gleich dem französischen Finanzministerium unterstellen
können.
Genau! Und der Stammtisch stellte damals schon die Frage, was
kannste theoretisch kaufen für einen (alten) Franc, und was
auch für einen neuen, für eine Peseta, eine Lira usw.? Für
eine Mark hingegen?
Auch hier wieder: tumbe Einfältigkeit gepaart mit Unwissenheit und Ablehnung von allem, das neu ist, kannst Du mir jetzt nicht als Beleg dafür anschleppen, daß der Stammtisch bzw. das Gros der Bevölkerung mit der Angst vor dem Euro recht hatte. Ich rede davon, daß die EZB die ihr überlassene Unabhängigkeit mit Füßen tritt, während Du mit der Gefühlslage einer uninformierten Bevölkerung antrittst, die weder von den rd. fünf Jahre dauernden politischen Diskussionen über die Ausgestaltung der EZB noch vom Ergebnis etwas mitbekommen hat.
Den Schweizer Franken und den japanischen Yen haben wir ja
nicht in die Währungsunion gekriegt, wurden die überhaupt
gefragt?
Scherzfrage?
Naja natürlich, aber es wurde damals argumentiert, daß die DM
zu klein sei, um im Weltmarkt bestehen zu können. Wenn das
stimmt, dann ist der Japanische Yen auch zu klein, und der
Schweizer Franken natürlich erst recht.
Derartige Argumente sind der Grund dafür, warum ich solche Diskussionen mit gewissen Personengruppen überhaupt nicht mehr führe. Daß ich hier überhaupt noch Zeit investiere, ist dem Umstand geschuldet, daß es Dir für einen Moment gelungen ist, vorzutäuschen, Du wüßtest, wovon Du redest.
Der Grund, warum die Schweiz und Japan nie gefragt worden sind, ob sie Lust hätten, beim Euro mitzuspielen, ist der folgende: Weder die Schweiz noch Japan waren jemals Mitglied der EU.
Wenn das so richtig ist, was, außer den vielgescholtenen
Resentiments, hätte objektiv gegen eine solche Währungsunion
gesprochen, wenn man schon unbedingt eine Währungsunion
braucht?
Hätten die europäischen Schwachwährungsländer und vielleicht
noch die Türkei dazu doch bitte ihre eigene Währungsunion
veranstaltet, bittesehr, ist mir doch egal. Die kaputten
Straßen da unten würden mir nichts ausmachen, ich hab ja ein
SUV und bin auch nicht oft im Süden.
Aber wegen der Währungsunion haben wir jetzt gute Straßen im
Südland, treffen dort nicht mehr auf Esel sondern auf teure
Autos, und daheim in z.B. Gräfelhaching sind die Schulen
schlecht ausgestattet, das Schwimmbad sanierungsbedürftig, die
Straßen voller Schlaglöcher, und das Geothermieprojekt ist
nicht zu finanzieren.
Bullshit. Deutschland zahlt netto pro Jahr ungefähr 8 Mrd. an die EU. Vom Gesamthaushalt der EU geht weniger als ein Drittel in die Strukturpolitik, d.h. von den 8 Mrd. jährlich weniger als drei Milliarden. Schon die acht Milliarden machten den Kohl nicht fett; drei Milliarden erst recht nicht.
Daß die öffentlichen Haushalte nicht genug Kohle haben, um Deine Umgebung nach Deinen Wünschen zu gestalten, liegt daran, daß man Jahrzehnte über seine Verhältnisse gelebt hat und insbesondere in den 70ern und 80ern den Sozialstaat aufgeblasen und die Landschaft mit Bürgerhäusern, Schwimmbädern und Begegnungsstätten zugebaut hat. Die ausufernde Verwaltung war natürlich auch wenig hilfreich.
Mit dem EU oder gar dem Euro hat das jedenfalls nichts zu tun.
C.