Hallo Nicobrosi,
zunächst ein kleiner Hinweis, dass der Ratschlag hier selbstverständlich geprägt ist von der - naturgegeben - dünnen Informationslage und ich deshalb keinerlei anspruch auf den Besitz der allumfassenden Wahrheit erhebe. JEder familienrechtliche Fall ist von der Rechtslage, vor allem aber von der seelischen Verfassung der Beteiligten abhängig und muss deshalb wohlüberlegt durchlaufen werden.
Zu Ihren konkreten Fragen. Generell ist es natürlich sinnvoll, wenn der Elternteil, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält, auch im Besitz des Sorgerechts ist. Der Gesetzgeber hat das auch entsprechend angepasst, allerdings gibt es nach wie vor einen „blinden Fleck“ bei den „Altfällen“.
Hier war das problem, dass bei unverheirateten Eltern die Mutter alle „Macht“ in Händen hält und auch kaum gezwungen werden kann, diese „abzugeben“.
Grundsätzliche Frage ist zunächst, ob denn eine vaterschaftsanerkennung vorliegt (ich nehme an, Sie waren bei der Geburt des Mädchens nicht verheiratet).
Wenn eine solche vorliegt, dann sind Sie in der selben Situation, wie ein (ehemals) verheirateter Mann und die Beantragung des Sorgerechts macht einen gewissen Sinn.
Sollte es keine vaterschaftsanerkennung geben, sind die Aussichten eher schlecht, denn wenn die Mutter sich weigern sollte, die Vaterschaft anzuerkennen, dann steht Ihnen ein langer und oft nervenaufreibender Prozess bevor, wenn Sie dies erzwingen wollten.
Insofern ist es nicht ganz egal, warum die Tochter zu Ihnen „wechseln“ will. Denn davon wird auch abhängen, als wie drängend ein Gericht eine entsprechende Entscheidung sieht.
Der Gesetzgeber geht nämlich - realitätsfern - davon aus, dass Eltern sich einigen „müssen“.
Mein Vorschlag wäre, zunächst noch ienmal das Gespräch mit der Mutter zu suchen. Wenn Ihr Verhältnis nicht konfliktfrei sein sollte, dann können sie dabei auch die Unterstützung des Jugendamtes in Anspruch nehmen.
Dort sollte man eigentlich die Verwirklichung einer gemeinsamen elterlichen Sorge als Ziel haben, jedenfalls ist das so vom Tenor des Gesetzgebers vorgegeben (was einem natürlich wenig nützt, wenn der Sachbearbeiter es dann trotzdem anders macht).
Sie müssen klar machen, dass eine Regelung über Vollmachten immer nur ein „Krückstock“ ist und eigentlich nicht für Fälle wie Ihren (also, dass das Kind dauerhaft und weit überweigend bei dem nichtsorgeberechtigten Elternteil lebt) geeignet ist.
Man müsste dafür nämlich entweder eine Generalvollmacht ausstellen, die alle Lebensbereiche umfasst - und hätte dann „durch die kalte Küche“ doch die selben Rechte installiert, wie sie auch bei der elterlichen Sorge begründet werden -, oder man wird im ständigen Kampf mit Ämtern, Behörden, Schule etc. leben. Was größere Nachteile für Ihre Tochter hat, als für Sie, das muss der Mutter klar sein (oder klar gemacht werden).
Und ich denke, Sie werden nicht umhin kommen, mit der Mutter ganz offen zu besprechen, warum Sie keine gemeinsame Sorge möchte. Denn der einzige Grund, der sich fast schon aufdrängt, ist der, dass die Mutter über eine „Vollmachtsregelung“ immer einen Faustpfand behält, denn eien Vollmacht könnte natürlich jederzeit von ihr auf sehr einfache Weise wieder entzogen werden. Die elterliche Sorge dagegen ist ein Rechtsinstitut, das nur ein Gericht entziehen kann.
Wenn es also irgend denkbar wäre, mit der Mutter eine gute Regelung zu finden, dann sollten Sie das tun - und zwar in Richtung gemeinsamer Sorge. Gerichtlich wird das eher schwierig und vor allem sehr langwierig.
Eventuell könnte man auch eine Kompromisslösung für den Moment suchen: Erstmal eine Generalvollmacht (wenn Sie da Unternstützung brauchen, kann ich Ihnen gerne eine Zusammenstellung aller Lebensbereiche schicken, die dafür nötig sind) und nach einem halben Jahr dann eine endgültige Lösung.
Hintergrund dieser Idee: Es könnte im Moment für die Mutter als Verletzung empfunden werden, dass die Tochter nicht mehr bei ihr leben will. Darin könnte dann auch der Grund für das eigentlich widersinnige Ablehnen der gemeinsamen Sorge liegen.
Ich hoffe, ich habe Ihnen weitergeholfen.
Sollten Sie weitere Fragen haben, scheuen Sie sich nicht, sich wieder zu melden.
Herzliche GRüße und alles Gute für Sie und Ihre Tochter,
Matthias.