Guten Morgen,
Da mich die senile Bettflucht gen halber vier hat aufstehen lassen, ich im Moment nichts Sinnvolleres zu tun habe und es mich gerade interessiert, wie unsere Dichter mit dem „gen“ umgehn, habe ich mal in meiner Lyrik-CDRom gestöbert.
Es stimmt schon, dass es meistens zur Richtungsangabe benutzt wird, und am häufigsten fliegt, schwebt, blickt, hebt … irgendwas oder irgendjemand gen Himmel. Auch werden martialische Gestalten sehr oft gen eine Stadt oder einen Feind geführt, und einige Poeten haben wohl eine besondere Vorliebe für das Wort.
Auf „gen Abend / Mitternacht / Morgen“ bin ich ein paar Mal gestoßen. Ein paar kuriose Fundstellen will ich doch zitieren - von ca 1000 (genau abschätzen kann ich es nicht, weil auch ew’gen, heil’gen etc gefunden werden):
Gleich vertauschet er die Strahlen,
Vollen Schein, gen volle Pein.
Kömmt er herbey, gut Wächter frey,
Den Gast gen niemand melde.«
[Bierbaum: Irrgarten der Liebe. DB Sonderband: Die digitale Bibliothek der deutschen Lyrik, S. 6465
(vgl. Bierbaum-Irrgarten, S. 385)]
Sieh! wie lächelt gen Morgen die Ferne,
Horch! wie grüßet die Lerche die Sterne,
Tireli, Tireli –
Der treue Müller ist hie.
Du hast auch den Lindwurm
Gen den er sich g’setzt
Oft sakrisch im Landsturm
Zusammengefetzt.
Der Sonne Licht, hüll’ Ros’ und Röselein
Gen Frost und Glut in deine Gnade ein,
[Brentano: Ausgewählte Gedichte. DB Sonderband: Die digitale Bibliothek der deutschen Lyrik, S. 8265
(vgl. Brentano-W Bd 1, S. 610)]
Zweimal mit stumpfer Lanze zu rennen Mann gen Mann
[Büchner: Frauenherz. DB Sonderband: Die digitale Bibliothek der deutschen Lyrik, S. 9390
(vgl. Büchner-Frauenherz, S. 120)]
Und zum Schluss: eine Dame, die ihren Schoß gen Himmel führt - und das im 17. Jhdt!
An Lauretten
Laurette bleibstu ewig stein?
Soll forthin unverknüpffet seyn
Dein englisch-seyn und dein erbarmen?
Komm/ komm und öffne deinen schooß
Und laß uns beyde nackt und bloß
Umgeben seyn mit geist und armen.
Laß mich auff deiner schwanen-brust
Die offt-versagte liebes-lust
Hier zwischen furcht und scham geniessen.
Und laß mich tausend tausendmahl/
Nach deiner güldnen haare zahl/
Die geister-reichen lippen küssen.
Laß mich den ausbund deiner pracht/
Der sammt und rosen nichtig macht/
Mit meiner schlechten haut bedecken;
Und wenn du deine lenden rührst/
**Und deinen schooß gen himmel führst/**
Sich zucker-süsse lust erwecken.
Und solte durch die heisse brunst/
Und deine hohe gegen-gunst
Mir auch die seele gleich entfliessen.
So ist dein zarter leib die bahr/
Die seele wird drey viertel jahr
Dein himmel-rundter bauch umschliessen.
Und wer alsdenn nach meiner zeit
Zu lieben dich wird seyn bereit/
Und hören wird/ wie ich gestorben/
Wird sagen: Wer also verdirbt/
Und in dem zarten schoosse stirbt/
Hat einen sanfften tod erworben.
[Hoffmannswaldau: Gedichte aus Neukirchs Anthologie, Bd. 1. DB Sonderband: Die digitale Bibliothek der deutschen Lyrik, S. 34403
(vgl. Neukirch-Anth. Bd. 1, S. 407 ff.)]
Mit der Bitte um Entschuldigung für die Ferkelei am frühen Morgen ;-»
gargas