Georg Hinz, Kabinettschrank

Hallo zusammen,

derzeit ist in einer Ausstellung des Bucerius Kunst Forums
(http://www.buceriuskunstforum.de/h/aktuell_313_de.php).
Unter anderem ein Bild von Georg Hinz zu sehen, das einen Kabinettschrank zeigt.
Das Bild gehört der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.

Ein fast identisches Bild hängt in Sibiu im Brukenthal-Museum
(http://www.brukenthalmuseum.ro/europeana_en/etajI/04…).
Es geht um dieses Bild:
http://www.brukenthalmuseum.ro/img/europeana/etajI/0…

Ein Bild mit deutlichen Unterschieden befindet sich in der Hamburger Kusnthalle:
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Joha…
Die dortige Figurenszene auf dem Pokal befindet sich bei den anderen beiden Bildern allerdings nicht auf dem Pokal, sondern auf dem Humpen.

Jetzt zur Frage. Gibt es davon noch weitere Exemplare?
Wie hat man mit den damaligen Möglichkeiten sichergestellt, dass zwei Bilder so identisch aussehen? Und warum hat man das so identisch gemacht? Und warum hat man dann wieder Varianten gemacht, die nicht so identisch waren? Hat man die Szene erst mal aufgebaut und dann abgemalt? Etwa mit einer Art „Perspektivmaschine“? Wie kommen dann die Figurenszenen auf unterschiedliche Objekte? Gibt es noch mehr wissenswertes über die Hintergründe zur Entstehung dieser Bilder?

Schon mal jetzt vielen Dank
[…]

Kleinodienschrank, Kuriositätenkabinett
Hallo [Name entfernt],

im Bild Johann Georg Hinz: Kleinodien-Schrank, 1666, wegen der Farbe naheliegend ist zunächst Elfenbein. Dass die Gefäße daraus bestehen oder damit ummantelt sind, wird hier bestätigt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Hinz
http://de.wikipedia.org/wiki/Wunderkammer (unten)
Die Reliefmotive wurden meist von Szenen aus beliebten Gemälden übernommen und danach geschnitzt, oft stammten auch mehrere Exemplare aus derselben Werkstatt.

Üblich war bei Krügen und Pokalen ansonsten ein feines Keramikmaterial, entweder Steingut oder evtl. schon Porzellan:
http://de.wikipedia.org/wiki/Steingut
Die Motive auf der erhabenen Oberfläche werden dann in solchen Fällen mit einer plastischen Schablone erzeugt, mit so dem genannten Model (gedehnt gesprochen: Mohhdel).
Man nennt es „Modelauflage“, wenn ein detailliert gestaltetes Wappen oder Bildmotiv als Halbrelief auf ein glattes Gefäß „geklebt“ wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Model_%28Arch%C3%A4olog…
http://de.wikipedia.org/wiki/Model_%28Form%29

Die besonders virtuose Malerei der Augentäuschung bezeichnet man mit dem französischen Begriff „Trompe l’oeil“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Trompe-l%E2%80%99%C5%93il

Die zusammengestellten Motive im Schrank dienten sowohl der Präsentation von Reichtum als auch - wegen ihrer irdischen Vergänglichkeit - als Mahnung und Warnung zum rechtschaffenen Lebenswandel, entsprechend dem Vanitas -Stillleben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vanitas

Freundliche Grüße
rotmarder

Hallo rotmarder,

es hätte mich wirklich gewundert, wenn hier ein anderer geantwortet hätte. Jedenfalls bin ich damit sicher, eine kompetente Antwort zu erhalten.

im Bild Johann Georg Hinz: Kleinodien-Schrank, 1666, wegen der
Farbe naheliegend ist zunächst Elfenbein. Dass die
Gefäße daraus bestehen oder damit ummantelt sind, wird hier
bestätigt:
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Hinz
http://de.wikipedia.org/wiki/Wunderkammer (unten)

Beide Links verweisen auf Abbildungen des Bildes in der Hamburger Kunsthalle. Der Pokal steht offensichtlich im Museum für Kunst und Gewerbe. Ich pack also die Postkarte mit dem Bild aus dem Bucerius Kunstforum ein, gehe damit in die Kunsthalle, kaufe noch eine Postkarte von einem ähnlichen Bild und gehe anschließend mit beiden Bildern von den Bildern vom Pokal ins Museum für Kunst und Gewerbe, um den Pokal direkt anzuschauen. Drei Museen, ein Pokal, ein Spaziergang.

Die Reliefmotive wurden meist von Szenen aus beliebten
Gemälden übernommen und danach geschnitzt, oft stammten auch
mehrere Exemplare aus derselben Werkstatt.

Genau darauf zielte meine Frage ab: Inwiefern war damals (und zu anderen Zeiten) Kunst „Massenware“?

Model (gedehnt gesprochen: Mohhdel).
Man nennt es „Modelauflage“, wenn ein detailliert gestaltetes
Wappen oder Bildmotiv als Halbrelief auf ein glattes Gefäß
„geklebt“ wird.
http://de.wikipedia.org/wiki/Model_%28Arch%C3%A4olog…
http://de.wikipedia.org/wiki/Model_%28Form%29

Die Motive auf dem Pokal und auf dem Krug sehen allerdings so plastisch aus, dass ich annehme, es kommend dabei Hinterschneidungen vor, so dass ich ein Model ausschließen möchte. Ich nehme schon an, dass es sich um Elfenbein handelt, zumindest um gemaltes Elfenbein.

Die besonders virtuose Malerei der Augentäuschung bezeichnet
man mit dem französischen Begriff „Trompe l’oeil“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Trompe-l%E2%80%99%C5%93il

Genau darum geht es in der Ausstellung im Bucerius Kunstforum.

Die zusammengestellten Motive im Schrank dienten sowohl der
Präsentation von Reichtum als auch - wegen ihrer irdischen
Vergänglichkeit - als Mahnung und Warnung zum rechtschaffenen
Lebenswandel, entsprechend dem Vanitas -Stillleben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vanitas

Deswegen auch der kleine Totenkopf aus roter Koralle.

Aber es bleibt dennoch die Frage, warum ein zweites (oder mehr) fast identisches Bild existiert? Hat Hinz selber ein identisches Bild malen wollen, war es ein Auftrag? Ein Auftrag mit Stückzahl 2 (oder 3)? Ein Kopierauftrag?
Und warum dann nicht nur das identische zweite Bild, sondern ein weiteres ähnliches Bild?

Viele Grüße
[…]

Hallo Stefan,

deine letzten, sehr speziellen Fragen übersteigen meine Möglichkeiten. Sie würden einen kunsthistorischen Forschungsauftrag oder zumindest eine studentische Seminararbeit in einer kunsthistorischen Fakultät begründen.
Aber es wäre durchaus möglich, dass du durch eine Museumsführung oder den Ausstellungskatalog weitere Antworten zum Künstler und seiner Arbeitsweise findest.

Im Allgemeinen war es erst spät - etwa nach der Französischen Revolution, mit dem Aufkommen des unverwechselbaren „Individuums“ als Menschenbild der Aufklärung - so, dass Kunst ohne Auftrag gefertigt wurde. Ein Gegensatz im heutigen Sinne zwischen Freier Kunst und Handwerk war davor nicht denkbar.

Zur „Massenware“-Frage:
Kunstproduktion hing natürlich immer von den Produktionsbedingungen der Epoche ab. In vorindustriellen Zeiten wurden die Objekte in kleinen oder größeren Handwerksbetrieben/Meisterwerkstätten, danach in größeren „Manufakturen“, später in Fabriken arbeitsteilig hergestellt.
Zur Abgrenzung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Angewandte_Kunst

Freundliche Grüße
rotmarder

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