Ich bin Vater unserer 8 jährigen Tochter. Nach diversen Vorfällen habe ich die Scheidung beantragt und möchte das Aufenthaltsbestimmungsrecht für meine Tochter mit einer noch festzusetzenden Umgangsregelung für meine Exfrau. Meine Ex wohnt noch in meiner Wohnung will aber in Kürze ausziehen. Das Familiengericht hat eine Psychologin beauftragt über unsere Familie ein Gutachten zu erstellen. Sie kommt in Kürze in unsere Wohnung, will mit meiner Tochter sprechen und die Eltern sollen (voneinander getrennt) mit der Tochter spielen. Spielsachen bringt die Psychologin mit, alles wird per Video aufgezeichnet. Wer hat soetwas schon erlebt und kann mir Tipps geben? Wie wird sich die Psychologin verhalten?
Hallo,
es tut mir Leid,aber ich bin in diesem ganz speziellen Fall überfragt. Trotzdem viel Erfolg. Jacqueline
Hallo, Ich kann dir leider keinen Tipp geben, denn meine Kinder waren bereits 15 und 18, als ich mich im letzten Jahr von meinem Mann trennte. Sie konnten beide schon sagen, wo sie bleiben wollten.
Ich kann dir nur raten, so natürlich wie möglich mit deiner Tochter umzugehen - sofern das bei einer solch „gestellten“ Situation überhaupt möglich ist.
Auf alle Fälle drücke ich dir die Daumen für diesen Tag.
Gruß, Ribbelralle
Hallo!
Lebt das Kind bei Dir? Warum wurde eine Psychologin beauftragt?? Lg
Hallo frank963,
bevor ich auf Deine konkrete Frage eingehe, stelle ich vorab etwas zum Elternsein nach Trennung da.
Zunächst ein Appell aus psychologischer Sicht: Kinder brauchen beide Eltern. Das bedeutet für eine Trennungssituation, dass beide Eltern sich einigen müssen, um den Umgang mit ihren Kindern friedlich zu regeln.
Häufig geht das nicht so ohne weiteres, weil die Eltern als Paar zerstritten sind. Sie haben sich auf der Partnerebene getrennt. Eltern bleiben sie ein Leben lang. Doch ganz häufig sind Eltern in der Trennung Feinde auf der Paarebene und verlagern diesen Konflikt auf die Elternebene. Alles was passiert, wird so ausgelegt, als ob der andere Elternteil schlecht für das Kind ist.
An dieser Stelle entsteht das riesen große Problem in der Fortführung der Elternschaft nach der Trennung. Fängt der Kampf um die Kinder an, haben nur diese verloren und werden ihr Leben daran leiden. Denn die Kinder haben keinen Streit mit den Eltern. Meist werden sie von einem Elternteil gegen den anderen aufgehetzt und instrumentalisiert. Dann gehen sie einen gnadenlosen Gang ins Leid.
So und jetzt zu den Ansätzen.
Ein psychologischer Gutachter/Sachverständige wird zur Rate gezogen, wenn der Familienrichter keine Entscheidung treffen kann oder will, da er sich unsicher ist, wie er entscheiden soll. Deshalb beauftragt er einen Experten.
Diese Experten arbeiten nach zwei grundverschiedenen Ansätzen:
- Ansatz. Es gibt die Bindungstheorie. Nach dieser Theorie bauen Kinder zu ihren Eltern eine Bindung auf. In Spielsituationen wird mittels Beobachtung erhoben, wie sich die Interaktion zwischen Elternteil und Kind gestaltet. Zum anderen wird in Abhängigkeit vom Alter der Kinder ein e Befragung durchgeführt, um aus den Antworten das Verhältnis zwischen Elternteil und Kind zu erheben. Aus diesen Beobachtungen wird dann die Stärke der Bindung zwischen Elternteil und Kind abgeschätzt. Im letzten Schritt wird für die Zukunft prognostiziert, wo die Kinder besser aufgehoben sind. Die Theorie besagt, die Kinder entwickeln sich dort besser, wo die stärkere Bindung vorhanden ist.
Hier wird der Status quo in der Trennungsphase erhoben (begutachtet) und daraus die Zukunft prognostiziert, wo sich die Kinder besser entwickeln.
Die Kritik an diesem Ansatz ist ganz eindeutig. Es wird so getan, als ob die Bindung des Kindes zur Mutter und zum Vater die gleiche Quantität hätte (gesunde Familie). Ist aber wissenschaftlich nicht haltbar, da die Bindung zu dem Eltern unterschiedliche Qualitäten haben. Ein Kind braucht die Mutter für bestimmte Entwicklungsphasen und Dinge, wie auch seinen Vater auf einer völlig anderen, aber genauso wichtigen Weise.
Wir haben in der Scheidungsforschung diese Experten als „Gutachter“ bezeichnet. Sie begutachten.
- Ansatz: Hier kommt ein Experte, der sich mit beiden Eltern hinsetzt und mit ihnen klärt, wie mit den Kindern nach der Trennung verfahren wird. Im Mittelpunkt dabei steht, die Eltern wieder entscheidungsfähig zu machen. Ganz häufig steht auch eine gewisse Aufbereitung der Trennung an. Will ein Elternteil nicht an der Befriedung dieser Situation teilnehmen, wird Druck vom Gericht und vom Experten aufgebaut. Auch kann ein Elternteil vom Umgang zunächst ausgeschlossen werden, bis dieser zur Besinnung kommt, eine friedliche Einigung anzustreben. Ganz eindeutig steht bei diesem Ansatz die gemeinsame Sorge im Vordergrund. Ziel dieser mitunter auch längeren Intervention ist die Befähigung der Eltern, eine Ausgestaltung des Kindesumgangs dem Fam.-Gericht vorzuschlagen und auch anschließend zu leben.
Diese Experten haben wir Sachverständige genannt, weil sie ihren Sachverstand einsetzen, um eine nachhaltige Lösung mit den Eltern zu entwickeln. (nach mir Coaching-Ansatz)
Vielleicht wird Dir jetzt deutlich, wie dein Weg aussehen so. Denn die Gefahr ist groß, dass ein Elternteil verliert und dann geht der Krieg weiter.
Ich kenne Menschen, die sich um die Kinder bekriegt haben, bis sie nicht mehr hatten und auf Sozialhilfe angewiesen waren. Selbst erfolgreiche Männer, die gehobene Managementpositionen bekleideten, waren blind vor Wut, haben prozessiert und sind gescheitert bis hin zur Obdachlosigkeit. Die einzigen die gewinnen sind die Rechtsanwälte und die verdienen ja am Streit. Je größer der Streit und der Wert, desto größer die zukünftige Praxis und der Mercedes.
Und warum. Es geht nie um die Kinder, sondern ausschließlich um die Interessen der Eltern. Sie wollen besser sein als der andere oder halten sich für den besseren Elternteil. Sie wollen dem anderen einen auswischen oder ihre Macht zeigen. Das ist Elternegoismus pur und hat überhaupt nichts mehr mit dem Kindeswohl zu tun. In der Konsequenz bedeutet dieses letztlich, dass der eine Elternteil den Kindern den anderen Elternteil vorhält. Es sind genug Fälle dokumentiert, dass diese malträtierten Kinder sich im Erwachsenenalter danach erkundigen, was passiert ist und wie sich die Eltern verhalten haben. Sie brechen den Kontakt zu dem Elternteil ab, dem sie es verdanken, keinen Umgang oder nur sehr eingeschränkten Umgang zum anderen gehabt zu haben.
Stellte bitte die Interessen Eurer Kinder in den Mittelpunkt ihres Handelns. Sie werden es euch danken.
Hier ein Buchtipp: Manchmal mein‘ ich, ich hätt‘ auf der Welt nix verloren" : Scheidungskinder erzählen. Bücher zur Sache
Hamburg: Hoffmann und Campe, 1988. 222 S. , 18 cm ISBN: 3455082726 Buch anschauen (EAN: 9783455082722 / 978-3455082722)
Viel Erfolg und Gruß
chicobello
Hallo Frank,
du hast deine Anfrage sehr knapp gehalten und schreibst nicht, welche Umstände zur Scheidung geführt haben. Aus deinen Worten schließe ich, dass du zu der Überzeugung gelangt bist, das Sorgerecht und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für euer Kind würde garantiert dir zugesprochen. Könnte es sein, dass du die Realität noch nicht begriffen hast? Gehörst du etwa zu den Ehemännern, die ihre Stellung als Patriarch demonstrieren wollen und glauben, sie könnten die Bedingungen für die Scheidung selbst diktieren?
Davon bin ich überhaupt nicht überzeugt, denn die Realität sieht anders aus. Nur in seltenen Fällen erhält der Kindesvater die elterliche Sorge allein und kann meistens froh sein, wenn er während und nach der Scheidung sein Kind überhaupt noch zu sehen bekommt.
Mich würde interessieren, welche Anträge deine Frau bezüglich Sorgerecht gestellt hat. Wahrscheinlich hat sie doch das Sorgerecht für sich allein beantragt, sonst hätte das Familiengericht nicht ein psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben, stimmt’s?
Woher nimmst du deine Hoffnung darauf, dass die Psychologin dich als Vater als die geeignetere Person für die zukünftige Erziehung des Kindes einschätzt? Welche Erziehungsdefizite könnten bei deiner Frau vorgeworfen werden, wieso sollte das Familiengericht von der auch heute noch gängigen Praxis abweichen und nicht der Mutter das Sorgerecht zusprechen?
Meistens gehen die Trennungspartner ziemlich blauäugig mit dieser Sache um und glauben, dass ein Psychologe eine objektive Beurteilung abgeben muss. Das ist ein Irrtum, denn die Psychologen sichern sich selbst ab, veranstalten ihre „Spielchen“ und schreiben dann ein Schlecht-Gutachten, worin du Dinge lesen wirst, von denen du bislang keinen Schimmer hattest. Plötzlich erfährst du detaillierte Einzelheiten über den schrecklichen Seelenzustand deines Kindes (natürlich verursacht durch den Vater!), den von der Psychologin bei ihrem kurzen Hausbesuch wahrgenommenen Druck seitens des Kindesvaters auf Tochter und Kindesmutter, die mangelnde Kooperationsbereitschaft bei der Konfliktbewältigung und eine nicht weiterhin akzeptable Dominanz des Vaters.
Das Ende vom Lied heisst dann: Das alleinige Sorgerecht sollte der Mutter zugesprochen werden, der Vater darf seine Tochter (evtl.) alle 14 Tage am Wochenende für ein paar Stunden sehen. Wenn er Glück hat, kann die Tochter zu ihm kommen, wenn der Vater sich gegen die Regelung sträubt, erfolgt der Besuchskontakt beim Jugendamt unter Aufsicht (begleiteter Umgang).
Das muss zwar nicht unbedingt so kommen, entspricht aber leider der gängigen Praxis.
Auch wenn man nicht immer das Schlimmste annehmen sollte, meine ich doch, dass du dringend deine eigene Haltung überprüfen solltest und beginnen solltes ein braver Junge zu werden. Sonst hast du die A…karte und verstehst am Ende die Welt nicht mehr.
Da ich nicht davon ausgehe, dass eine einvernehmliche Regelung mit deiner Frau möglich ist (sonst wäre es nicht so weit gekommen), rate ich dir zu einer Kontaktaufnahme mit anderen Betroffenen. Du findest sehr viele Väter (auch Mütter) mit ähnlichen Problemen und Erfahrungen beim VAFK (Väteraufbruch), der sicher auch in der Nähe deines Wohnorts einen Ortsverband hat.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Psychologin die Haltung des Kindes ausforschen wird und dein eigenes Kind zu deiner Verwunderung den Wunsch nach Verbleib bei der Mutter äußert. Dieser Loyalitätskonflikt ist typisch für Scheidungskinder, die enorme Verlustängst haben und in ihrer Not einfach nur Entscheidungen treffen.
Es wäre viel besser, wenn du unverzüglich das Gespräch mit deiner Frau suchen könntest, auch wenn es dir sehr schwer fällt. Im Interesse des Kindes sollte nach meiner Einschätzung auf die psychologische Begutachtung verzichtet werden.
Auch das Familiengericht wertet die Einschaltung eines Psychologen eher als Offenbarungseid der Eltern und erkennt in der starren Haltung den Beweis dafür, dass beide Eltern eigentlich nicht erziehungsfähig sind. Wer die eigene Rechtsposition steif und stur verfolgt und dabei sogar in Kauf nimmt, dass sein Kind dem hohen psychischen Druck der Begutachtung durch eine völlig fremde Person ausgesetzt wird, hat sich wohl kaum Gedanken über das Kindeswohl gemacht.
Gute Eltern versuchen stets, alle Konflikte untereinander zu lösen und dabei die betroffenen Kinder herauszuhalten.
Wenn ihr es schaffen könntet über das Sorgerecht mit gleichzeitigem Umgangsrecht eine gute Regelung für eure Tochter zu vereinbaren, könntet ihr den Schaden begrenzen und dem Familiengericht unter Beweis stellen, dass es euch nicht um die eigene Rechtsposition geht, sondern allein um das Wohl eurer Tochter.
Meine Abneigung gegen psychologische Gutachten musst du mir bitte nicht übelnehmen, aber ich habe schon zu viele Eltern und Kinder nach der Begutachtung weinen sehen. Manchmal sollte doch auch der logische Menschenverstand reichen, zumal wenn es um das eigene Kind geht.
Für derartige Sorge- und Umgangsvereinbarungen kann man auch einen Mediator einschalten, der mit dem Rest des Scheidungskrieges nichts zu tun hat.
Die Tage vor Weihnachten solltest du nutzen und darüber nachdenken. Was ist wirklich der Wunsch deiner Tochter, was würde sie sich wünschen und was können beide Eltern für eine einvernehmliche Regelung tun.
Wenn du weitere Fragen hast, melde dich gern wieder. Sei nicht böse über meine sarkastischen Worte, ich möchte dich nur zur Besinnung bringen und fühle mich als Anwalt des Kindes auch dazu verpflichtet.
Trotzdem ein frohes Fest!
Steve-HH
Hallo frank963,
sorry - hatte Urlaub.
Das Thema ist zu komplex, um es per Mail zu beantworten.
Du kannst mich gerne mal anrufen…
Meine Nr. findest Du auf meiner Homepage im Internet - www.petradahl.de