Gewalt in der heutigen Zeit - Vergebung möglich?

Zweifel…

… und zum anderen hilft die Vergebung dem Opfer,
die Tat zu verarbeiten und hinter sich zu lassen.

Eine weit verbreitete Ansicht an der ich so meine Zweifel habe.
Zum einem, weil man eine Gewalttat meiner Ansicht nach nie „hinter sich“ lassen kann, sondern bestenfalls versöhnt(NICHT mit dem TÄTER, sondern mit den TATSACHEN)„in sich“.
Man kann sie in seine Persönlichkeit integrieren und hat somit die Möglichkeit, kreativ damit umzugehen.

Dem Täter zu vergeben ist etwas, was mir, wenn überhaupt erst nach der Verarbeitung und Integration möglich scheint.
Aber wozu?
Wichtig für die Verarbeitung ist nur, dass man den Gedanken loslässt, dass eine Wiedergutmachung(oder gar ein Ungeschehenmachen)möglich ist(oder ist das vielleicht mit „Vergeben“ gemeint???).
Eine Gewalttat ist nie wieder „gut“ zu machen, der Schaden an Leib und Seele hinterlässt Spuren, die nie wieder verschwinden, höchstens vernarben.

Dein anderer Gedanke mit der Blutrache erscheint mir dagegen sehr plausibel.
Das Opfer hat eigentlich nichts von der Vergebung, sondern nur die angehörigen Sippen, weil es die Rachespirale unterbricht.
Das macht Sinn für das ungestörte Weiterleben der Anderen, das Opfer erscheint mir dadurch eher noch mehr isoliert.

Ich kann datafox in ihren Ausführungen nur uneingeschränkt zustimmen(ausnahmsweise :wink:):
Der Täter hat Schwein, wenn das Opfer so gnädig ist, ihn aus der Verantwortung für seine Tat zu entlassen, erwarten kann er das keinesfalls.
Er muss genauso lebenslang mit der Schuld leben, wie das Opfer lebenslang die Folgen der Gewalttat spürt.

Also ich habe keine große Lust dem Mann zu vergeben, der mich als Kind vergewaltigt hat.
Warum sollte ich?
Für MEIN Wohlbefinden ist das vollkommen unerheblich und SEINES interessiert mich nicht sonderlich.
Er ist mir größtenteils einfach egal, DAS ist ein sehr angenehmes Gefühl.
Und für den(ziemlich unwahrscheinlichen)Fall, dass er um Vergebung bitten würde, würde ich es wohl doch eher vorziehen, ihn mit einem Fluch in die Wüste zu schicken.

Das Leben ist zu kurz, um sich freiwillig mit unangenehmen Menschen, von denen man nichts Gutes zu erwarten hat, abzugeben.

Anna

Hai, Anna,

da hab ich wohl nicht sauber formuliert - ich meinte mit „hinter-sich-lassen“ kein Vergessen, kein Verdrängen, sondern genau das:

sondern bestenfalls versöhnt(NICHT
mit dem TÄTER, sondern mit den TATSACHEN)„in sich“.
Man kann sie in seine Persönlichkeit integrieren und hat somit
die Möglichkeit, kreativ damit umzugehen.

Dem Täter zu vergeben ist etwas, was mir, wenn überhaupt erst
nach der Verarbeitung und Integration möglich scheint.
Aber wozu?
Wichtig für die Verarbeitung ist nur, dass man den Gedanken
loslässt, dass eine Wiedergutmachung(oder gar ein
Ungeschehenmachen)möglich ist(oder ist das vielleicht mit
„Vergeben“ gemeint???).

Genau.

Das Opfer hat eigentlich nichts von der Vergebung, sondern nur
die angehörigen Sippen, weil es die Rachespirale unterbricht.
Das macht Sinn für das ungestörte Weiterleben der Anderen, das
Opfer erscheint mir dadurch eher noch mehr isoliert.

Da hab ich schon wieder nicht sauber formuliert: ich meine nicht „Rede nie wieder darüber, damit wir anderen unsere Ruhe haben“, also eben nicht das Opfer zum Schweigen bringen. Sondern in die Richtung: sich von dem Gedanken zu befreien, daß es dem Opfer helfen würde, dem Täter Gleiches oder Ähnliches anzutun. Das befriedigt zwar kurzfristig den Rachedurst, hilft aber dem Opfer auch nicht, die Wunden zu verarbeiten.

Der Täter hat Schwein, wenn das Opfer so gnädig ist, ihn aus
der Verantwortung für seine Tat zu entlassen, erwarten kann er
das keinesfalls.
Er muss genauso lebenslang mit der Schuld leben, wie das Opfer
lebenslang die Folgen der Gewalttat spürt.

Mir geht’s überhaupt nicht um den Täter, sondern nur um das Opfer und für das ist lebenslanger Haß zerstörerisch. Und dabei ist es relativ schnuppe, ob es selbst diesen Haß empfindet, oder seine Umgebung.

Also ich habe keine große Lust dem Mann zu vergeben, der mich
als Kind vergewaltigt hat.
Warum sollte ich?
Für MEIN Wohlbefinden ist das vollkommen unerheblich und
SEINES interessiert mich nicht sonderlich.
Er ist mir größtenteils einfach egal, DAS ist ein sehr
angenehmes Gefühl.

Wenn er Dir egal ist, hast Du genau den Grad an Vergebung erreicht, der Dir hilft, der für DEIN Wohlbefinden notwendig ist - seines ist vollkommen unerheblich…

Und für den(ziemlich unwahrscheinlichen)Fall, dass er um
Vergebung bitten würde, würde ich es wohl doch eher vorziehen,
ihn mit einem Fluch in die Wüste zu schicken.

Right…

Das Leben ist zu kurz, um sich freiwillig mit unangenehmen
Menschen, von denen man nichts Gutes zu erwarten hat,
abzugeben.

Stimmt, ohne Einschränkung - es ist aber auch zu kurz, um es sich mit Haß und ähnlich unangenehmen Gefühlen zu verderben. Und würde ich mir (oder Du Dir) das Leben so selbst zur Hölle machen, hätte der Täter in gewissem Sinn „gewonnen“. …und das geht garnicht.

Gruß
Sibylle

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Aber eine neue Partei, könnte ich mir schon vorstellen.

Das wäre aber nicht undemokratisch…

Gruß
dataf0x

Aber eine neue Partei, könnte ich mir schon vorstellen.

Das wäre aber nicht undemokratisch…

Das Wort undemokratisch hast ja auch Du assoziiert :wink: Ich wollte ja nur die Aussichtslosigkeit von sog. demokratischen Mitteln bei diesen Vorhaben (siehe oben) in den Vordergrund rücken.

rolf

Hai :smile:)))))

na dann sind wir uns ja einig :wink:

Was meiner Meinung nach bei der ganzen Vergebungssache unbedingt berücksichtigt werden muss, ist die Tatsache, dass vor der Versöhnung(mit was oder wem auch immer)der gerechte Zorn und die tiefe Trauer steht.

HASS ist zerstörerisch und bindet an den Täter, nicht wünschenswert, ganz klar.

Aber Wut in dem Sinne, dass man sich über den Täter und die Tat zu Recht empört und ihn/sie anprangert, OHNE dabei überhaupt Bestrafung/Rache im Sinn zu haben, ist enorm wichtig(und das Gegenteil von zerstörerisch).

Ich finde, dass das in der Öffentlichkeit gerne weggedrückt wird, bzw. dass die Notwendigkeit einen gerechten Zorn zu entwickeln und auch zu äußern, in einer Psychotherapie inzwischen als unumgänglich angesehen wird, aber das Umfeld doch eher auf Vergessen/Vergeben/„nicht mehr darüber reden“ drängt.
Vermutlich ist den meisten Menschen der Unterschied zwischen diesen beiden Gefühlen aber auch nicht klar?!

Um den Zustand von „Frieden mit dem Geschehenen machen“ zu erreichen, muss man aber manchmal sehr lange zornig und noch länger sehr traurig sein.
Das kann nerven, einen selbst und die Umgebung.

Ansonsten kann ich dir nur zustimmen:
Das Leben eines der ulkigsten!

LG
Anna

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Hallo Sybille,

Lot warf seine Töchter dem Mob vor…
nichts Neues.

Aber es gibt dennoch einen Unterschied zwischen früher und
heute - Lot bedurfte nicht der Verzeihung, weil er ja „nur
sein Recht als Vater“ ausgeübt hat.

falsch, er hat seine Pflicht Gastgeber getan. Der Mob wollte die Herausgabe des Gastes. EIne Erfüllung dieses Wunches hätte die Gaaastfreundschaft verletzt. Um dieses nicht zu brechen, hat er in den sauren Apfel gebissen…

Ciao maxet.

Hai, Maxet,

falsch, er hat seine Pflicht Gastgeber getan. Der Mob wollte
die Herausgabe des Gastes. EIne Erfüllung dieses Wunches hätte
die Gaaastfreundschaft verletzt. Um dieses nicht zu brechen,
hat er in den sauren Apfel gebissen…

naja - in den sauren Apfel haben ja wohl eher die Töchter beißen dürfen…
Was mich wieder auf ein altes Credo zurückbringt: niemand hat das Recht für seinen Glauben/seine Vorstellungen/seine Ethik/seine Moral eine andere Person zu opfern. Olle Lot hätt’ ja ooch selber rausgehen können, nicht wahr?

Gruß
Sibylle

Hallo Petra,

Vergebung setzt voraus, dass sich einem dadurch eine aussichtsreiche Perspektive eröffnet, vielleicht sogar erschließt. Wenn nicht, dann empfiehlt sich ein Blick zurück in Zorn. Hauptsache das eine oder das andere verspricht bezogen auf den eigenen Vorteil den auf lange Sicht hin größt möglichen Nutzen.

Schließlich bedeutet die neutestamentarische Grundsatz nichts anderes: Liebet Eure Feinde ´wie´ Euch selbst.

Volker