GG: Indirekte Demokratie und Volksentscheide

Hallo!

In Artikel 20 Absatz 2 des GG heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“

Nach Meinung meiner Sozialkundelehrerin leitet sich daraus leitet sich daraus sowohl das Prinzip der indirketen Demokratie ab als auch als weitere Schlussfolgerung daraus, dass es keine Volksentscheide auf Bundesebene geben kann.
Meines Erachtens ist beides falsch. Irre ich mich?

Wo ist das Prinzip der indirekten Demokratie festgelegt, wo die Problematik von Volksentscheiden auf Bundesebene?

MfG,

Falk

In Artikel 20 Absatz 2 des GG heißt es: „Alle Staatsgewalt
geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und
Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der
vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Nach Meinung meiner Sozialkundelehrerin leitet sich daraus
leitet sich daraus sowohl das Prinzip der indirketen
Demokratie ab als auch als weitere Schlussfolgerung daraus,
dass es keine Volksentscheide auf Bundesebene geben kann.
Meines Erachtens ist beides falsch. Irre ich mich?
Wo ist das Prinzip der indirekten Demokratie festgelegt, wo
die Problematik von Volksentscheiden auf Bundesebene?

Hallo Falk,
du hast eine Frage zu einem umstrittenen Thema gestellt. Ich kann dir also keine „Wahrheit“, sondern nur ein Meinungsspektrum übermitteln. Den Sonderfall zur Neugliederung der Länder lasse ich bewusst außen vor.
Wahlen und Abstimmungen stehen im Artikel 20 (2) des GG nebeneinander. So wie es für Wahlen auf Bundesebene Ausführungsgesetze gibt, könnte man auch für Volksentscheide Ausführungsgesetze auf Bundesebene beschließen. So würde es logisch klingen.
Von Gruppierungen, die die direkte Demokratie auch auf Bundesebene einführen wollen, wurde ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Dies kam zu dem Schluss, das das Grundgesetz für Volksentscheide geändert/ergänzt werden müsste. Falls du tiefer in die Materie einsteigen willst, kann ich es dir sicher innerhalb von ein paar Tagen besorgen.
Deine Lehrerin vertritt die herrschende Meinung. Ob sie allerdings richtig ist?
Hier noch zwei Links, die dich weiterführen können:
http://www.omnibus.org/home.html
http://www.mehr-demokratie.de/
Mit freundlichen Grüßen
Ulf

Hi,

Von Gruppierungen, die die direkte Demokratie auch auf
Bundesebene einführen wollen, wurde ein Rechtsgutachten in
Auftrag gegeben. Dies kam zu dem Schluss, das das Grundgesetz
für Volksentscheide geändert/ergänzt werden müsste.

sollte sich diese annahme aber tatsächlich auf art.20 stützen, gäbe es ja noch das problem, dass dieser artikel unabänderlich ist (art.79)…

LG Alex:smile:

Von Gruppierungen, die die direkte Demokratie auch auf
Bundesebene einführen wollen, wurde ein Rechtsgutachten in
Auftrag gegeben. Dies kam zu dem Schluss, das das Grundgesetz
für Volksentscheide geändert/ergänzt werden müsste.

sollte sich diese annahme aber tatsächlich auf art.20 stützen,
gäbe es ja noch das problem, dass dieser artikel unabänderlich
ist (art.79)…

Hallo Alex,
“(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
Am Grundsatz von Wahlen und Abstimmungen wird doch dann nicht gewackelt.
Mit freundlichen Grüßen
Ulf

Kompromiss: Volksbefragung
Hallo Falk,

Wo ist das Prinzip der indirekten Demokratie festgelegt,

Das Prinzip ergibt sich, so verstehe ich das, auch aus dem Artikel 20 des Grundgesetzes, die Bürger wählen die Parteien in das Parlament (Bundestag) und dort entscheiden die Abgeordneten für die Bürger. Weil die Bürger nicht selbst in einer Abstimmung entscheiden, sondern die gewählten Politiker, erfolgt die Abstimmung indirekt. http://www.staatsrecht4u.de/de/staats

Problematik von Volksentscheiden auf Bundesebene?

Da gibt es so einige, ich verlinke kurzerhand auf den Artikel „Die größten Vorurteile gegen Volksabstimmungen widerlegt vom Wirtschaftswissenschaftler Charles B. Blankart“ http://www.welt.de/data/2004/08/05/31

Als Kompromiss zwischen Parlamentsentscheid und Volksentscheid bietet sich bei wichtigen Themen die Volksbefragung an. Die Volksbefragung „könnte durch ein einfaches Gesetz und ohne Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht werden. Eine solche Befragung hätte zwar für die politische Entscheidungsfindung keinen bindenden Charakter“, würde aber die Bürger besser in die politische Verantwortung mit einbeziehen. (Zitat aus http://www.welt.de/data/2004/07/24/30… )

Mit freundlichem Gruß,
Marquis

Als Kompromiss zwischen Parlamentsentscheid und Volksentscheid
bietet sich bei wichtigen Themen die Volksbefragung an. …
Eine solche
Befragung hätte zwar für die politische Entscheidungsfindung
keinen bindenden Charakter", würde aber die Bürger besser in
die politische Verantwortung mit einbeziehen.

Hallo Marquis,
das Instrument einer Volksbefragung halte ich nicht für sinnvoll. Demoskopen machen auch so ihre Arbeit.
Bei wichtigen Fragen soll der Souverän entscheiden. Über ein Quorum kann geregelt werden, dass das Volk nur zu wichtigen Fragen entscheidet und somit die parlamentarische Demokratie nicht ausgehebelt wird.
In meinem Nachbarkreis gab es nach der Wende eine Volksbefragung, ob der Kreis zukünftig zu Sachsen oder zu Thüringen gehören soll. Die Befragung ergab eine Mehrheit für Sachsen. Der Kreistag entschied sich aber mit knapper Mehrheit für Thüringen. Da war die Freude über die neue Demokratie groß.
Mit freundlichen Grüßen
Ulf

Hallo,
danke für eure Antworten. Ich frage mich allerdings noch, was mit Abstimmungen gemeint ist, wenn es sich dabei weder um Wahlen noch um Volksentscheide handelt: „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen […] ausgeübt.“

Gruss,

Falk

Hallo,

auch die Volksbefragung ist vom BVerfG für unzulässig erklärt worden. Es ist zwar richtig, dass diese keine normative Wirkung hat und daher dem Prinzip der repräsentativen Demokratie nicht entgegensteht, durch eine solche Befragung wird jedoch so viel Druck ausgeübt, dass die Abgeordneten nicht mehr nur nach ihrem Gewissen entscheiden können, wie es Art. 38 I GG vorsieht, da sie sich später ggf. für eine „abweichende Meinung“ rechtfertigen müssen.

Im übrigen ergibt sich auch das Verbot von Volksbegehren und Volksentscheid aus Art. 38 GG, da dort der Prozess der Willensbildung im Staat (Gesetze werden nur von den durch Wahl iSd. Art. 38 GG gewählten Abgeordneten erlassen) abschließend geregelt is. Auch wichtige Entscheidungen der Regtierung sind über deren Wahl durch den Bundestag legitimiert und nicht durch direkte Volksbeteiligung.
Gruß,
Dea

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Hallo Ulf,

Demoskopen machen auch so ihre Arbeit.

Zu den Meinungsforschern hatte schon letztens jemand einen interessanten Link in das Forum gestellt: „Das Unwissen der Zahlen-Hungrigen ist das Brot der Meinungsforscher“ http://www.wahlprognosen-info.de/

Bei wichtigen Fragen soll der Souverän entscheiden. Über ein
Quorum kann geregelt werden, dass das Volk nur zu wichtigen
Fragen entscheidet

Wenn ich dich richtig verstehe, bist du also doch für Volksbefragungen, aber nur zu ganz wichtigen Fragen. :wink:
Aber ich las soeben in Deas Beitrag, dass Volksbefragungen vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt wurden. Damit könnte das Thema beendet sein.

In meinem Nachbarkreis gab es nach der Wende eine
Volksbefragung, ob der Kreis zukünftig zu Sachsen oder zu
Thüringen gehören soll. Die Befragung ergab eine Mehrheit für
Sachsen. Der Kreistag entschied sich aber mit knapper Mehrheit
für Thüringen. Da war die Freude über die neue Demokratie groß.

Oje, das tut mir leid für euch. Das ist ja auch eine Eigenschaft der Volksbefragung, die Unverbindlichkeit. Wenn ich mir dann die Größenunterschiede Kreisbefragung zu nationaler Befragung vor Augen führe kann ich das noch eher verstehen. Ich würde zwar gerne den Hintergrund wissen, mir fehlt aber dann doch die Zeit dafür, ist ja auch schon (traurige) Vergangenheit.

Mit freundlichem Gruß,
Marquis

Zu ergänzen wäre evtl. noch, daß es im GG tatsächlich eine Bestimmung für Volksentscheide gibt: sie betrifft die Neuordnung der Ländergrenzen. Wurde noch nicht oft angewandt, außer bei der Errichtung des Landes Baden-Württemberg und bei der versuchten Fusion Berlin-Brandenburg (Art. 29,3 GG)

Hallo Marquis,

Demoskopen machen auch so ihre Arbeit.

Zu den Meinungsforschern hatte schon letztens jemand einen
interessanten Link in das Forum gestellt: „Das Unwissen der
Zahlen-Hungrigen ist das Brot der Meinungsforscher“
http://www.wahlprognosen-info.de/

Mit diesem Link möchte ich mich jetzt nicht näher befassen. Da fehlen mir einige Hintergründe und Verbindungen. Allerdings habe ich auch schon die These gehört, dass ein Wetterbericht, der das Wetter für den nächsten Tag angibt und die Angaben vom aktuellen Tag verwendet, statistisch ähnlich wie die Prognosen ist.
Bei den demokratischen Parteien gehe ich aber schon davon aus, dass sie Stimmungen aus dem Volk wahrnehmen. So sind zumindest meine Erfahrungen mit den Abgeordneten vor Ort. Ob aus taktischen Gründen dann die richtigen Entscheidungen getroffen werden, ist eine andere Frage.

Bei wichtigen Fragen soll der Souverän entscheiden. Über ein
Quorum kann geregelt werden, dass das Volk nur zu wichtigen
Fragen entscheidet

Wenn ich dich richtig verstehe, bist du also doch für
Volksbefragungen, aber nur zu ganz wichtigen Fragen.
:wink:

Hier hast du mich falsch verstanden. Entscheiden heißt nicht befragen. Überlege bitte auch mal, wer der Souverän in einer Demokratie ist.
Auf die Ursprungsfrage von Falk wollte ich möglichst wertfrei reagieren.
Ich persönlich bin ein Anhänger der direkten Demokratie. Oppositionsparteien entdecken dieses Instrument auch. Sobald sie aber an der Macht sind, wollen sie sich vom Volk nicht mehr reinreden lassen.
Wahlen sind für mich die Wahl nach dem kleinsten Scheißhaufen, den ich mehrere Jahre fressen soll. Ich kann immer nur das kleinere Übel wählen und gebe meine Stimme ab (und bekomme sie für Sachfragen nicht wieder). Selbst begeisterte Parteianhänger werden in Einzelfragen von der Meinung ihrer Partei abweichen.

Mit freundlichen Grüßen
Ulf

Bitte im Forum bleiben
Hallo Marquis,
dein E-Mail darf ich aufgrund der Netiquette http://www.wer-weiss-was.de/content/netiquette.shtml nicht zitieren.
Im Gegensatz zur Expertenanfrage ist es im Forum von w-w-w üblich, Antworten und Fragen im Forum einzustellen. Nur wenn die Diskussion die brettspezifische Fragestellung verlässt und nur noch zwischen zwei Personen geführt wird, sollte auf den E-Mail-Verkehr zurückgegriffen werden.
Ich sehe keinen Grund, unsere Diskussion nicht öffentlich zu führen. Dies hat auch den Vorteil, dass Dritte Ergänzungen oder Korrekturen geben können.
@Dea: Du verweist auf das BVerfG. Kannst du uns Fundstelle oder besser einen Link geben
Mit freundlichen Grüßen
Ulf

auch die Volksbefragung ist vom BVerfG für unzulässig erklärt
worden. Es ist zwar richtig, dass diese keine normative
Wirkung hat und daher dem Prinzip der repräsentativen
Demokratie nicht entgegensteht, durch eine solche Befragung
wird jedoch so viel Druck ausgeübt, dass die Abgeordneten
nicht mehr nur nach ihrem Gewissen entscheiden können, wie es
Art. 38 I GG vorsieht, da sie sich später ggf. für eine
„abweichende Meinung“ rechtfertigen müssen.

Im übrigen ergibt sich auch das Verbot von Volksbegehren und
Volksentscheid aus Art. 38 GG, da dort der Prozess der
Willensbildung im Staat (Gesetze werden nur von den durch Wahl
iSd. Art. 38 GG gewählten Abgeordneten erlassen) abschließend
geregelt is. Auch wichtige Entscheidungen der Regtierung sind
über deren Wahl durch den Bundestag legitimiert und nicht
durch direkte Volksbeteiligung.

Hallo Dea
ergänzend zu Artikel 38 GG, der die Wahlen regelt, würde ich mir einen Artikel im GG wünschen, der Abstimmungen regelt. Ich meine ausdrücklich nicht Artikel 29 GG.
Du verweist auf das BVerfG im Zusammenhang mit Artikel 38 GG und Volksbefragungen. Kannst du eine Fundstelle oder besser einen Link geben?
Mit freundlichen Grüßen
Ulf