Gibt es Heilige, die bereits bei Gott sind? Wenn nein, sind die vielen weltweiten christl. Wallfahrt

Hallo Leo,

die endgültige Antwort weiß nur Gott. Doch kennst Du als Theologe bzw. kennt die christliche ökumenische Theologie Bibelstellen, die hier mehr oder weniger einen Anhaltspunkt geben KÖNNTEN?

Ich bin 56, war bis 1999 katholisch (und ich meine, nicht nur lt. Steuerkarte), dann lernte ich während der Trennungszeit meine jetzige 2. Frau kennen. Ich ging nicht mehr zur „Beichte“ und nahm nicht mehr an der Hl. Kommunion teil: lt. Vatikan lebt ein Geschiedener in einer neuen Partnerschaft ja in permanenter Sünde (Ehebruch).

2 Jahre später etwa hatte ich eine Unterredung mit einem evangelischen Pfarrer, nahm zunächst nur an den Gottesdiensten und Monate später auch am Abendmahl teil.

Meine Frau wurde vor 3 Jahren getauft, sie trat der evangelischen Konfession bei und ich über.

Ich habe somit > 40 Jahre die katholische Konfession kennen gelernt, mit ihr gelebt, so wie ich seit 3 Jahren der evangelischen Gemeinde angehöre.

Der Vatikan lehrt, dass es viele Heilige gibt, die eben schon bei Gott sind, die in Not und Gefahr angerufen werden dürfen. Gleiches gilt auch für die Muttergottes Maria. Ob nun die Heiligen als solche oder Maria: ich wurde in Nordbayern geboren und lebte bis 2002 dort, und es gibt alleine in Bayern viele Wallfahrtsorte. Etwa die Basilika Vierzehnheiligen. Dann gibt es dort viele ganz kleine nur in der Region bekannte marianische Wallfahrtsorte., Marienweiher, Lahm und wie sie alle heißen. Dorthin pilgern also Menschen, um Maria und andere Heilige um Fürbitte bei Gott zu bitten.
Nach Vierzehnheiligen in Oberfranken pilgerte ich schon als kleiner Knirps mit meinen Eltern, wir fuhren vom Wohnort ca. 20 Minuten nach „Lichtenfels“ und gingen dann zu Fuß den Pilgerweg nach Vierzehnheiligen.
Nicht nur dort findet sich ein Raum mit Dankbarkeitsbezichtigungen von Pilgern, die eine Genesung von schwerer Krankheit, Hilfe bei lebensbedrohlichen Unfällen und ähnlichen auf die Fürbitte eines / einer Heiligen zurückführten und sich in Form von Heiligenstatuen, selbst gestalteten Bildern oder ähnlichen bedanken wollten.

Ich führe diese Danksagungen in besagtem Raum auf eine tiefchristliche Einstellung jener Menschen zurück. Ein Mal war ich mit Verwandten aus der 2. Ehe in eben dieser Kammer. Meine Verwandten hatten keine Aversion gegen Gott oder die Institution „Kirche“, doch als ehemalige Bewohner der DDR konnten sie mit diesem Thema einfach nichts anfangen. Sie waren allerdings von diesen Danksagungen in dem besagten Raum tief beeindruckt.

Der Vatikan spricht in regelmäßigen Abständen Verstorbene als Selig oder Heilig. Ferner empfiehlt er die Muttergottes als „Mutter der Kirche“ und „Heilige“ als Fürsprecherin bei Gott.

Mit diesen Dogmen identifizierte ich mich bis 1999.

Die evangelische Theologie lehrt jedoch, dass es keine Heiligen im Sinne von Verstorbenen gibt die bereits bei Gott sind.

Unabhängig von der Theologie gibt es eben Stellen aus dem NT wie „noch eher Ihr den Mund öffnet, um Gott um etwas zu bitten, kennt Er den Wunsch bereits“. „Ich bin der Weinstock, Ihr die Reben“. „Ich bin bei Euch alle Tage bis ans Ende der Welt“. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm“.

Also brauchen Christus bzw. Gott keine „Dolmetscher“ in Form von Heiligen für unsere Bitten, Ängste und Nöte.

Andererseits:

2 der Evangelisten berichten kommentarlos, dass links und rechts von Jesus jeweils ein Verbrecher mit gekreuzigt wurden. Ein anderer berichtet, dass beide Jesus verspotten, wenn Du Gottes Sohn bist, hole uns vom Kreuz herunter.

Johannes jedoch war der einzige Jünger, der unter dem Kreuz ausharrte. Aus dessen Evangelium geht hervor, dass einer der beiden Mitgekreuzigten Jesus bat, an ihn zu denken, wenn er in sein Reich kommt, und Jesus erwiderte, wahrlich ich sage Dir, noch heute wirst Du im Paradies sein.

Diesem Verbrecher, der wohl seine schwere Untat in letzter Minute bereute und in Jesus Gottes Sohn erkannte, wurde also die Gnade teil, ins Paradies aufgenommen zu werden.

Daher stammt wohl auch der Titel aus Taizé „Jesus remember me when you come into your Kingdom“.

Es stellt sich dann natürlich auch die Frage, ob nicht auch seine Freunde, sprich, Apostel, ferner die Propheten wie Moses, die ersten Märtyrer, die als Nachfolger Jesu sterben mussten, ebenfalls diese Gnade erfahren durften. Und viele, viele andere Menschen mehr. Ich dachte damals, als Mutter Theresa starb, die muss doch wie eine Rakete in den Himmel aufgefahren sein. Oder Tausende andere, die –weniger spektakulär- ihr Leben voll und ganz Jesus und somit den Geringsten seiner Brüder widmeten.

Oder aber ……

gilt das was in der Bibel steht: Niemand kennt den Tag und die Stunde des Jüngsten Gerichts, nicht einmal der Sohn, an dem Lebende und Tote sich verantworten müssen. Sind also auch die „elf“ Apostel, jener Mitgekreuzigte, somit ALLE Menschen, noch nicht im Reich Gottes und warten wie alle auf den Jüngsten Tag?

Die heutige Predigt hatte den Passus „ich war im Gefängnis, nackt, hungrig …“, und unserer
Pfarrer schob dermaßen viele Warnungen in eben diese Predigt, dass mir fast schon mulmig wurde, obwohl ich diesen Teil des NT seit 5 Jahrzehnten kenne, so warnend war die Predigt an mehreren Stellen hinsichtlich der Nächstenliebe, die letztlich am Jüngsten Tag mehr als alles andere zählen wird.

Über gedankliche Umwege kam ich dann auf 2 Menschen, die ich kenne, die von der Institution Kirche rein gar nichts halten, ob sie an Gott als personifiziertes Wesen glauben, denke ich weniger. – Aber diese beiden verbringen jede nur freie mögliche Stunden in einem Seniorenheim und nehmen sich –absolut ehrenamtlich- demenziell erkrankten Bewohnern an, praktizieren also Nächstenliebe pur!

Sorry, diese Mail wurde länger als geplant, aber meine Frage kann ich schlecht in Form eines Dreizeilers stellen …

Schönen Gruß aus der Potsdamer Ecke und eine gesegnete Neue Woche wünscht

Josef

Hallo Josef,

herzlichen Dank für Deine Anfrage!
Vielleicht darf ich Dir einen kurzen Überblick über die katholische Lehre über die ´letzten Dinge´ geben, dann ergibt sich die Antwort auf Deine Frage.
Wenn der Mensch stirbt, trennt sich die unsterbliche Seele vom Körper. Es erfolgt unmittelbar das sogenannte „besondere Gericht“: KKK 1022: „Jeder Mensch empfängt im Moment des Todes in seiner unsterblichen Seele die ewige Vergeltung. Dies geschieht in einem besonderen Gericht, das sein Leben auf Christus bezieht - entweder durch eine Läuterung hindurch (Leo: = Fegefeuer) oder indem er unmittelbar in die himmlische Seligkeit eintritt (Leo: = Himmel) oder indem er sich selbst sogleich für immer verdammt (Leo: = Hölle)“.

Bei den Heiligen handelt es sich um solche, die aufgrund ihres Lebens - oder nach einer Läuterung - in den Himmel gelangt sind. Himmlische Seligkeit meint ewiges, glückliches Leben mit Gott, in der Gemeinschaft mit Gott. Da wir Menschen auf Gott hin geschaffen sind, kann unser letztes Ziel nur darin bestehen, mit ihm in dieser innigen Liebesgemeinschaft zu leben. Indem die katholische Kirche Heilige verehrt (nicht anbetet!) lobt sie Gott in seinen Heiligen, denn er ist es, der letztlich die Menschen zu Heiligen hat werden lassen durch seine Gnade. Durch die enge Gemeinschaft mit Gott im Himmel können sie, da sie ja weiterhin im gemeinsamen Leib Christi mit uns als Getauften verbunden sind, für uns bitten und beten. Schon wir können auf Erden füreinander beten. Gerade Paulus beschreibt dieses Füreinander-Beten desöfteren in seinen Briefen. Manchmal wird von evangelischer Seite der katholischen Kirche der Vorwurf gemacht, dass durch die Hinwendung zu den Heiligen dieselbigen sich vor Christus stellen würden, sie gar den Blick auf Christus trüben würden. Aber eigentlich ist das genaue Gegenteil der Fall: die Heiligen sollen uns zu Christus helfen, so wie - in deutlich abgeschwächter Form - ich für einen anderen Menschen bitten kann, ohne dass ich mich an Christi Stelle setze.
Heilige sind also bereits bei Gott, wenn auch das Jüngste Gericht, das Ende der Zeiten, usw. noch nicht gekommen ist. Dass Wallfahrtsorte so beliebt sind, liegt sicherlich an besonderen Begebenheiten, die Wallfahrten provoziert haben, wie wunderbare Ereignisse; solche Orte zeichnen sich auch dadurch aus, dass auf das Wesentliche des Glaubens, die Hinwendung zu Gott auf eindringlichere Weise eingegangen wird. Dahinter steckt, ob bei Marienwallfahrtsorten oder anderen Heiligenwallfahrten die Überzeugung, dass Heilige durch ihre besondere Nähe zu Gott, eben deswegen auch einen besonderen Draht zu Gott haben, der ihnen keinen Wunsch abschlagen will. Maria gilt insbesondere als die „voll der Gnade“, manche haben sie auch deshalb schon als „fürbittende Allmacht“ bezeichnet.

Ist für Sie diese Antwort ausreichend?
Ansonsten empfehle ich insbesondere den Katechismus der Katholischen Kirche zur weiterreichenden Lektüre, weil hier wirklich von der Lehre der katholischen Kirche gesprochen wird, übrigens nicht einfach von der Lehre des Vatikan.

Herzliche Grüße

Leo