Gibt es prozentuale Werte von Kriegstraumatisierten?

Hallo,

meine Frage steht im Betreff:
Gibt es statistische prozentuale Werte, nach denen gemessen wurde, wieviele der Kriegsbetroffenen traumatisiert wurden?

Ich frage, weil ich nun gesagt bekam, Studien hätten 1/3 ergeben- was mir viel zuwenig erscheint.

lg kitty

Sehr geehrte Kitty40,

eine Antwort auf diese Frage bekommt man am ehesten aus den Fach-Publikationen in den USA,
z. B. von Edna Foa, 2005, Nozomu 2008, etc.
Man muss sehr fein differenzieren und auch bezeichnen, welche Betroffenen man meint:
solche, die in Kampfhandlungen verwickelt waren,
solche, die Kameraden sterben sahen, aber selbst körperlich unversehrt blieben,
Zivilisten,
perpetuieren sich die seelischen Schäden?
etc.
Selbst wenn man die Untersuchung für nur einen Krieg durchführen möchte, wird das eine sehr komplexe Fragestellung sein.
Geforscht wurde dazu schon ab dem Ersten Weltkrieg, damals nannte man es Schützengraben-Neurose.
Freud z. B. hat 1918 dazu veröffentlicht.
Viel Erfolg bei Ihren Studien!
visit

Was meinst du mit Kriegsbetroffenen? Zivilisten? Soldaten? Kriegsgefangenschaft? Folter? Vergewaltigung? Flucht? Genozid? Zusammengefasste Zahlen? Das sind durchaus recht unterschiedliche Belastungen, die sich auch in den Folgen widerspiegeln.

Auch der Begriff „traumatisiert“ ist sehr ungenau. Ist damit eine PTBS gemeint oder auch andere psychischen Folgeschäden?

Bei Kriegs-, Vertreibungs- und Folteropfern geht die Leitlinie zur PTBS zum Beispiel von 50 % aus. Wobei hier noch hinzu kommen solche Betroffenen, die unter einer subsyndromalen Ausprägung leiden, also nicht das Vollbild einer PTBS erfüllen.
Knaevelsrud geht bei Flucht von 30 % aus.
Kessler et. al gehen für die USA von knapp 40 % bei Krieg aus.
Das mal so einige Beispiele. Es hängt also nicht nur davon ab, wo die Menschen leben (wozu auch die soziale Sicherheit, Kultur, Versorgung etc. gehören), sondern auch mit welchen Erfahrungen sie genau konfrontiert wurden.

Menschen sind durchaus in der Lage, auch sehr schlechte Erfahrungen zu verarbeiten, ohne eine psychische Folgeerkrankung zu entwickeln.

Da ich nur die Aussage gelesen habe „Kriegsbetroffene“, habe ich das so aufgenommen.
Die Differenzierung, wie sie hier von dir und von visittheinternet vorgenommen worden ist- ist natürlich wichtig und hatte ich gar nicht auf dem Schirm.

Ok- das könnte die Statistik sein, die vielleicht dem von mir gelesenen Artikel zugrunde liegt.

Ist Flucht und Vertreibung nicht sehr nah bei einander?

„Ist Flucht und Vertreibung nicht sehr nah bei einander?“

Durchaus. Allerdings ist das eben nicht identisch. So gibt es den schon den sehr elementaren Unterschied, dass ich bei einer Vertreibung gezwungen werde, zu gehen. Bei einer Flucht habe ich zumindest noch einen Entscheidungsspielraum: Aushalten, sich in der Situation bestmöglich einrichten, etc. oder fliehen.

Auf Traumafolgen haben solche Aspekte durchaus einen großen Einfluss. Selbst noch Handlungsoptionen zu haben, ist ein positiver Faktor in einer traumatischen Situation. Umgekehrt erhöht das Risiko für psychische Folgen, wenn diese wegfallen.

Genau genommen ist das bei einer Vertreibung auch so.
Meine Wahl richtet sich dann evtl auch dahin, dass ich umgebracht werde- eine Wahl bleibt es dennoch.

Diese Worte sollen wohl den Unterschied von passiv „ich werde vertrieben“ gegen aktiv „ich fliehe“ bennen-wobei das eben in Aktion sehr nah beinander liegt- schwierige Definition, wie mir scheint.