Guten Tag liebe Experten und religiöse und spirituelle Lehrer.
Hallo Michail
Gegen den Glauben an einen Gott und an die Bibel sprechen
unendliche Anzahl von Gründen.
Das ist noch keine Frage. Ich nehm’s mal als Einführung. Im übrigen müsstest Du sie erklären, sie ist ein grösseres Paradoxon als dasjenige des Glaubens, der - selbstverständlich - auch eines ist.
Eins davon ist z.B. die Logik
und die menschliche Vernunft.
Logik ist Begrifflichkeit; z. B. wenn ich Zweifel habe, ob „alle Menschen sterblich sind“, wie Sokrates lehrt, dann kann ich z. B. den Zweifel verringern, indem ich zum Vorneherein dem Begriff „Mensch“ anhänge, dass wenigstens der Leib sterblich sei, sodass dann jeder, der nicht sterblich ist, kein Mensch ist, und somit die Behauptung richtig ist, weil ich „Mensch“ ganz einfach entsprechend vordefiniert habe. Dass dann alle Menschen sterblich sind, ist „im Begriff enthalten“, wörtlich aus dem Griechischen übersetzt: logisch.
Menschliche „Vernunft“ ist gewöhnlich etwas, was man nicht allein hat, selbst wenn man glasklar mathematisch erkennt. Ohne Interaktion oder menschliche Beziehung ist auch die mathematischste Erkenntnis bis dato sinnlos.
Logik und Vernunft untermauern die Annahme eines Gottes, wenngleich sie für sie nicht alleine ausreichen.
Meine Frage: Welche Gründe sprechen DAFÜR?
Es sind so viele und so gewichtige, dass ich Bücher füllen müsste, und die Welt würde, so meint jedenfalls der Hl. Evangelist Johannes, die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären. Am besten steckst Du mal Deine Nase in ein fundamentaltheologisches, dogmatisches oder biblisches Werk, ohne von Vorneherein alles abzulehnen. Dann wirst oder würdest Du erkennen, dass zwar der Glaube in der Tat immer eine Entscheidung von Dir fordert, dass diese aber weder gegen die Logik noch gegen die Vernunft spricht. Vielmehr ist er so beschaffen, dass Du mit der Vernunft stets nur einen Teil verstehst und den Rest erahnen musst, und das ist ganz gleichgültig, welchen Teil es zu verstehen gegolten hat, denn das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Soweit die Logik und die Vernunft betroffen sind, ist ein guter Glaube so beschaffen, dass Du bei entsprechender Schulung alle seine Teile, sprich alle Glaubenswahrheiten, ja in gewisser Weise sogar das ganze Glaubenswissen als Gesamtheit mit der Vernunft fassen kannst. Nur wird dann immer noch ein Etwas da sein, das Dir eine zusätzliche, emotional-unvernünftige Annahme-Entscheidung abverlangen wird.
Sprich, was spricht
FÜR den Glauben an Gott, den Schöpfer der Welt und an die
Bibel, die heilige Schrift?
Die gefällte Entscheidung, auch etwas anzunehmen, was man nicht von Vorneherein, aber bei einiger Beschäftigung sehr wohl in seinen Einzelteilen wissenschaftlich erklären kann.
Nehmen wir einen kritischen und vernunftbegabten Menschen, der
gern hinter die Behauptungen blickt. Was soll ihn dazu
veranlassen überhaupt an etwas zu glauben?
Er kann gar nicht existieren, ohne schon geglaubt zu haben, sehr geehrter Mister Descartes. Du hast schon von Deinen Mitmenschen Beziehung und Hörensagen gesogen, als Du gelernt hast „zwei“ zu sagen, wie viel mehr erst, als Du „zwei mal zwei“ gesagt hast. Alles vom Hörensagen. Und da soll es irgendwo einen kritischen und vernunftbegabten Menschen geben, der an nichts glaubt. Er kann gar nicht anders. Wenn schon, könnte man allenfalls fragen, warum er an ein vollkommenes, überzeitliches, allmächtiges/allgütiges/allwissendes/allweises Wesen glauben soll, wenn er ja doch die gewöhnliche menschliche und (natur-)wissenschaftliche Erkenntnis hat, die z. B. sagt, dass die Erde eher der Gestalt des Balls als der Gestalt des Tellers ähnelt (selbstredend nach menschlichem Verständnis, welches gedreht und gebogen werden kann, wenn man nur will. Aber schön, wir wollen nicht - womit ich gerade etwas über Sprache, gemeinsame Begriffe und also in einem gewissen Sinn über eine Glaubensgemeinschaft geschrieben habe). Nun, die naturwissenschaftliche Erkenntnis hat nur Weniges erklärt, wenn auch immerhin etwas. Aber gut, die schwierigere Frage ist ja dann erst die, was „Natur“ ist, die „Natur“, welche von der Naturwissenschaft angeblich untersucht werden soll. Wir nennen sie im allgemeinen „Lebensgrundlage“, „äusserliche Welt“ (sinngemäss etwa für Descartes/Spinoza und deren Anhängerschaft, also vielleicht auch für Dich relevant), „Welt noch ohne Offenbarung“ (theologische Variante des Begriffs) oder „Schöpfung“ (ebenfalls theologisch, auch religiös, gläubig).
Für den Glauben an Gott haben wir unabhängig von der Naturwissenschaft, basierend auf rationaler Philosophie, eine Reihe von traditionellen Argumenten, die aber alle von der Grundentscheidung abhängen, also ähnlich Axiomen, allerdings hält die Theologie/Anthropologie/theologische Gnadenlehre/Psychologie im Wesentlichen dafür, dass diese allgemeinmenschlich und dem seelischen Wesen des Menschen besonders gut entsprechend sind, also Axiome, welche eine zwar nicht völlig rationale, aber unter mehreren Blickwinkeln rational auch einleuchtende Relevanz für den Menschen besitzen.
Erstes Argument. Der Mensch kann geistig immer weiter über sich hinauswachsen, gleichzeitig ist er aber (wie alles Irdische) vergänglich. Immer wieder kann der Mensch etwas „Grösstes Vorstellbares“ finden, über das hinaus er sich nichts mehr vorstellen kann, doch immer wieder findet er etwas noch Grösseres. Gleichzeitig aber ist sein Leib entgegen diesem geistigen Wachstum vergänglich, also sollte es wohl irgendwo ein „Grösseres“/„immer Grösseres“/„immer unvorstellbar grosses oder wenigstens Grosses sich Vorstellendes“ Wesen geben ausser dem Menschen. (Anselmischer Gottesbeweis - ich weiss, liebe Experten, er ist vorläufig mal vereinfacht, wenn er jemanden genauer interessiert, gibt es gern mehr).
Zweites Argument. Alles wird von etwas anderem bewegt, befindet sich im Fluss, ist Werden und Vergehen; nichts Irdisches bleibt. Wenn es etwas Bleibendes (auch Wahres genannt) gibt, muss es überirdisch sein. Und wenn man sich erklären möchte, woher das Sein des Universums/des Irdischen/der Dinge kommt, dann braucht man so etwas „ausserhalb“ (Thomistischer Gottesbeweis, auch zuweilen als „deistischer“ oder gar „theistischer“ Gottesbegriff missdeutet - ich weiss, der Hl. Thomas von Aquin hat sogar deren fünf formuliert, und der von Anselm war auch dabei, und ich habe auch diesen von Thomas nur ganz kurz angegeben; aber man versteht vielleicht wenigstens einen Ansatz, bevor ich den Speicherplatz des Internets sprenge).
Drittes Argument. Gott wird als nützlich erachtet. Man nehme an, es gebe zwar keinen, die Menschen hätten Ihn aber „geschaffen“ d. h. für ihr Leben vorgestellt. Dann sagt die Anthropologie, dass Menschen zufriedener seien. Neuerdings haben amerikanische Soziologen das unterstützt (etwa mit „wer glaubt lebt länger“-Statistiken), allerdings ist das dann wiederum Geschmackssache.
Für die Bibel spricht:
Erstes Argument. Die Bibel unterlegt einen bloss emotionalen, in Teilen möglicherweise irrationalen Glauben. Sie tut das weitestgehend rational, wenn man sie entsprechend lesen will. Also wer sich für Gott entschieden hat, kann sich leicht auch für die Bibel entscheiden, wenigstens um sich mit geschichtlichen, d. h. schon dagewesenen/vorgedachten Argumenten auf einem konsequenten Niveau herumzuschlagen bzw. auseinanderzusetzen, wenn er ehrlich ist auch um davor ein wenig Achtung zu haben, selbst wenn er seine Fragen an die Bibel stellt; ungeachtet der Philosophie, die ebenfalls geeignet ist, um sich mit Gottesfragen zu befassen, bietet die Bibel in komprimierter Gestalt alles Wesentliche nicht nur an Antworten, sondern auch an Fragen bezüglich Gott; Umformulierungen durch Philosophen, Glaubensunterweisung (Katechese) und geistliche Personen oder geistliche Zusatzlesungen sind natürlich dennoch stets möglich.
Zweites Argument. Die Bibel erzählt die Offenbarungsgeschichte im Diesseits, d. h. sie teilt mit, wie das Jenseits und das Diesseits sich (angeblich) berührt haben (sollen). Im Fortgang der Erzählungen zeichnet sich dabei eine Dynamik ab, die mit historisch einwandfrei gesicherten Geschehnissen einhergeht: Die Geistesgeschichte des alten Israel seit spätestens 500 v. Chr. berührt sich mehr und mehr mit der hellenistischen Philosophie und tritt mit ihr in Abwechslung und in Dialog; parallel dazu entwickelt sich gemäss der Bibel ein Gottesbild, das zuerst bei einem Gott beginnt, Der mit einem Volk einen (zweiseitigen) Vertrag schliesst und diesen dem Volk als Existenzgrundlage gibt, und Der zunächst übermächtig über jenem Volk steht. Dann entfaltet sich die Beziehung zwischen Gott und Volk in wachsender Gemeinschaft (weil ein Geschichtsbewusstsein wächst) bis dahin, wo Gott nicht mehr von oben herab, sondern auf Augenhöhe mit den Menschen spricht (bei den Propheten bereits angestossen, im NT konkreter) und Sich schliesslich geringer macht als die Menschen (im Evangelium, zuerst durch die Inkarnation als Armer, dann durch die Verkündigung als Dienender und schliesslich durch die Ohnmacht als Hingerichteter).
Drittes Argument. Da die Bibel einen Gottesbegriff ausdifferenziert hat (siehe auch erstes Argument) und eine Geschichte mit Gott geschildert (siehe auch zweites Argument), liefert sie den ersten und grössten Ansatzpunkt zu einem Gottesbegriff überhaupt. Deine Aussage
Die beiden Fragen sind voneinander getrennt.
ist somit schon aus logischer Hinsicht (Begriff „Gott“ sollte sich nicht diametral widersprechen, selbst wenn er ein Paradoxon bergen darf) problematisch. Wenn man versucht, an die Bibel zu glauben, aber nicht an Gott, so ergibt das einen total widersprüchlichen und nicht nur herausfordernd-paradoxen Gottesbegriff (welcher an sich zulässig ist); wer glaubt, was in der Bibel steht, glaubt an einen Gott; wer glaubt, dass es einen Gott gibt, der erwartet wenigstens so etwas wie eine Offenbarung, komme sie nun aus der Bibel oder woher auch immer. Gewiss kann man in diesem Fall rationalistisch gesehen nicht sagen, die Bibel habe Recht, solange man nicht erzählt, was in ihr steht. Wenn man sagt, dass in ihr das Wesentliche über den Begriff „Gott“ steht, dann ergibt sich die Notwendigkeit, an sie zu glauben. Wenn man das nicht tut - was theoretisch ja auch möglich ist -, dann muss man einen anderen Gottesbegriff haben. Und Gott, das ist doch definiert als „vollkommenes, allmächtig/allgütig/allwissend/allweises, überzeitlich/überirdisches Wesen“, als herausfordernd-paradoxer oder aber gemeinschaftsstiftend-emotionaler Begriff.
Ihr seid hier Theologen und kluge Menschen?
Ich ja.
Versucht es zu beweisen.
Leider hast Du nicht gesagt, was ein „Beweis“ Deiner Ansicht nach ist. Darum erwarte ich auch nicht, dass Du mir glaubst. Selber schuld
Danke im Voraus
Bitte.
Michail
Mike