Beweis-Skizze
Hallo Dominik,
mit Schulmathematik ist ein Beweis kaum zu erbringen, aber ich kann ja mal kurz skizzieren wie’s geht (Differential- und Integralrechnung sind doch bekannt, oder?).
Man will also eine Kurve K0: x->y(x) finden, für die eine Kugel minimale Zeit zum (reibungslosen) Runterrutschen braucht (x horizontal, y vertikal), wobei die Start- und Endpunkte (x0,y0)=(0,y0) bzw. (x1,y1)=(x1,0) fest vorgegeben sind. Zunächst betrachtet man eine beliebige Kurve K, die durch Start- und Endpunkt verläuft. Eine Kugel würde zum Runterrutschen die Zeit T[K] benötigen. K0 hat nun die geforderte Eigenschaft, dass T[K0]T[K] auch ein „Funktional“, denn hierbei werden Funktionen auf Skalare abgebildet (hier also Kurven auf Zeiten). Um nun K0 zu finden, bedient man sich der sogenannten Variationsrechnung.
Die Variationsrechnung ist analog zum Aufspüren von lokalen Minima von ganz „normalen“ Funktionen (d.h. Funktionen, die von einer Teilmenge der reellen Zahlen in eine andere Teilmenge der reelen Zahlen abbilden). Bei „normalen“ Funktionen bestimmt man ja die Nullstellen der 1. Ableitung, denn nur dort können (abgesehen von nicht differenzierbaren Stellen oder Rändern) Extrema liegen. Ganz ähnlich gilt bei der Variationsrechnung, dass K0 eine Nullstelle von dT[K] ist, also dT[K0]=0. (Am Ende werde ich kurz erläutern, was die Schreibweise dT[K0] genau bezeichnet.)
Es muss nun also T[K] bestimmt werden. Am einfachsten geht dies mit dem Energie-Erhaltungssatz. Die (ruhende) Kugel hat am Anfang die Energie E(y1)=m*g*y1. In der Höhe y hat sie die Energie E(y)=m*g*y+m*v(y)^2/2. (Würde die Kugel rollen anstatt zu rutschen, müsste man hierbei noch die Rotationsenergie der Kugel berücksichtigen.) Mittels EES E(y1)=E(y) erhält man also g*y1=g*y+v(y)^2/2. Für das Qadrat des Geschwindigkeitsbetrags gilt
v^2=(v_x)^2+(v_y)^2
=(dx/dt)^2+(dy/dt)^2
=[(dx)^2+(dy)^2]/t^2
=[1+(dy/dx)^2]/[(dx)^2*(dt)^2]
=[1+(y’)^2]/[(dx)^2*(dt)^2]
Einsetzen in g*y1=g*y+v(y)^2/2 und Auflösen nach dt ergibt
dt=sqrt([1+(y’)^2]/[2*g*(y1-y)])*dx
=F(x,y,y’)*dx, mit F(x,y,y’)=sqrt([1+(y’)^2]/[2*g*(y1-y)]).
Die Gesamtzeit ergibt sich als Integral über dt:
T[K]=Int(dt, t=0…T)
=Int(F*dx, x=0…x2).
Aus dT[K0]=0 folgt somit
d Int(F*dx, x=0…x2)=0.
Es kann bewiesen werden, dass diese Gleichung äquivalent ist zu der folgenden:
d(dF/dy’)/dx-dF/dy=0.
Hiermit hat man das Problem auf das Lösen einer Differentialgleichung zurückgeführt. Eine Differentialgleichung ist eine Gleichung, in der die n-te Ableitung einer (gesuchten) Funktion vorkommt. Solche Differentialgleichungen können bisweilen ziemlich schwer zu lösen sein. Die vorliegende DGL kann nur bedingt gelöst werden. Es ist zum Beispiel nicht möglich, eine exakte explizite Darstellung von K zu berechnen, d.h. man kann K nicht darstellen in der Form y=y(x). Man kann jedoch zeigen, dass die DGL gelöst wird, wenn man für K die Parameterdarstellung einer Zykloide einsetzt.
Natürlich muss auch noch gezeigt werden, dass die gefundene Lösung nicht nur einen Extremwert für T liefert, sondern die Zeit T auch minimiert (und nicht maximiert).
Und nun noch kurz zur Schreibweise dT[K]:
Sei K:x->y(x) eine Kurve durch die Punkte (x1,y1) und (x2,y2). Dann definiert man eine neue Funktion (x,e)->y(x)+e*r(x), wobei x->r(x) eine Funktion mit r(x1)=r(x2)=0 ist. Offenbar gilt dann y(x,0)=y(x). Wenn e gegen Null läuft, nähert sich die durch y(x,e) gegebene Funktion der Funktion y(x) immer mehr an. Nun wird definiert:
dT[K]=T[y(x,e)]/de.
Bei der Bedingung dT[K0]=0 ist dann entscheidend, dass sie für beliebige r(x) mit r(x1)=r(x2)=0 gilt. Dann erst gilt nämlich die Äquivalenz von
d Int(F*dx,x=0…x2)=0 und
d(dF/dy’)/dx-dF/dy=0.
Viele Grüße
Jens