Hallo HC,
„Ausbeutung“: Der Ausdruck klingt in unseren Ohren pejorativ
und moralisierend.
…und suggerierend!
Stimmt!
Innerhalb der marxistischen Ökonomie ist er aber rein
deskriptiv gemeint.
Hat sich diese denn bewährt, empirisch gesehen? Was ist davon
zu halten? Oder insistierst du auf deren Gültigkeit?
Kategorien wie „Ausbeutung“ oder „Mehrwert“ sind ja nicht Dinge, die sich selbst empirisch bewähren müssen, also isoliert vom „marxistischen Blick“, dessen Konstrukte sie sind.
wenn man also wirtschaftliches Geschehen „marxistisch“ analysiert, wird man empirisch gut belegt, „Ausbeutung“ bzw. „Mehrwert“ finden, genauso wie nicht-marxistische Ökonomie empirisch gut belegt „Profit“ findet (bekanntlich unterscheidet ja nur die marxistische Ökonomie zwischen Mehrwert und Profit).
kann ich Deine Fragen also so interpretieren: Ist der marxistische Blick auf ökonomisches Geschehen noch akzeptabel (um es neutal zu formulieren)?
Ja, ich wüsste nicht, weshalb er das nicht sein sollte.
In Sklavenhaltergesellschaften…:Im Feudalismus… :Im :Kapitalismus…
Du listet selbst eine Entwicklung auf, und den Kapitalismus
haben wir hier in Form der sozialen Marktwirtschaft, ein
weiterer Schritt also.
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Ich wollte eigentlich keine Entwicklung auflisten, sondern nur im historischen Vergleich zeigen, wie man die Ausbeutung im Kapitalismus sich vorstellen kann (ich bin bezüglich der Marx’schen Geschichtsphilosophie recht „unmusikalisch“)
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die „soziale Marktwirtschaft“ halte ich nicht für einen eigenständigen Entwicklungsschritt, deren Auflösung eben nicht für Regression.
Hast du dich schon einmal mit Wirtschaftsethik befasst?
Ich habe Vorlesungen beim recht angesehene Wirtschaftsethiker Homann in München besucht.
Allerdings verstehe ich nicht ganz, worauf Du mit der Frage hinaus willst.
Wenn die Arbeitsplätze der Hochlohnländer nach
Niedriglohnländer verlagert werden, werden eben auch die lange
erkämpften sozialen Errungenschaften vernichtet! Ein
regressiver Schritt!
dass man dies als einen „regressiven Schritt“ verstehen kann, setzt voraus, dass man diejenigen Länder, in denen sich diese „sozialen Errungenschaften“ gebildet haben, als Verkörperungen der bisher höchsten Entwicklungsstufe ansieht.
Das ist exakt die Position des sog. Developmentalismus bzw. der Modernisierungstheorien; diese lehne ich im Namen eine Theorie der Dependenz dezidiert ab (dazu weiter unten).
Vogts Kapitalismuskritik ist doch nur der hilflos wirkende
Versuch, die verlorene eigene Identifikation zurückzugewinnen.
das auch; allerdings dürfte es relativ klar sein, dass Versuche, die Kapitalströme hin zu den Billiglohnländern zu verhindern, aus deren Perspektive als Verteilungskampf wahrgenommen wird (deshalb habe ich diesem Zusammenhang den Argentinier Taccetti genannt), und dies ja auch unbestreitbar ist.
Die SPD hat doch noch nie in ihrer Geschichte so viele
Zugeständnisse an die Unternehmer gemacht. Wirkungslos… Erst
seit Zusammenbruch des Kommunismus haben die Kapitalisten eine
uneinnehmbar scheinende Stellung eingenommen! Die
untergegangene marxistische Ökonomie ist doch für diese
Entwicklung mitverantwortlich!
Eine Dependenztheorie, welche den Kapitalismus grundsätzlich als Weltsystem betrachtet, erkennt diese angesprochen „marxistische Ökonomie“ als dependenten Teil des kapitalistischen Weltsystems;
diese Ökonomie, die Immanuel Wallerstein etwa als Staats-Kapitalismus oder als Neo-Merkantilismus bezeichnet, ist aus dieser Perspektive als Versuch zu analysieren, eine von Anfang an periphere Region des kapitalistischen Weltsystems zu zentralisieren („Peripherie und Zentrum“ meint hier selbstverständlich nichts geographisches, sondern steht in Bezug zur Kapitalkonzentration).
Wie kannst du denn grade aus
ihr heraus den Untergang des Kapitalismus ableiten?
Inwieweit habe ich denn das gemacht?
Hat sie
denn ihren eigenen Untergang auch vorausgesagt?
vgl. das eben gesagte!
Da sind aber nur die produktiven Arbeitsstunden bedacht, alle
unproduktiven bleiben aussen vor, z.B. Lohnbuchhaltung,
Krankenkasse, r+d… Würde ein Arbeitnehmer nicht im Schutze
eines kollektiven Verbundes tätig sein, was wäre seine Arbeit
dann „wert“?
unbestritten richtig; mein Beispiel war rein didaktisch gemeint zur Veranschaulichung (es ging in diesem Posting ja nur um die Klärung des Begriffes „Ausbeutung“).
„Ausbeutung“ bzw. „Mehrwert“ ist also genau wie die Kategorie
„Profit“ (in welche zusätzlich noch andere Faktoren
hineingerechnet werden) nichts mysteriöses und nicht
skandalöses, sondern ein unbestreitbares Faktum des
ökonomischen Geschehens.
Was sich aus dem Status des Jägers und Sammlers, des Erfolges
wegen, entwickelt hat!
?
Herberts Ausgangsthese (die viele bestritten haben) war, dass
wir Europäer die Menschen der Dritten Welt ausbeuten würden.
Diejenigen, die arbeiten oder alle? Gerade in diesen Ländern
ist es eben nicht überall üblich zu arbeiten, das ist eine
kultivierte Eigenart!
„ausbeuten“ als terminus technicus der marxistischen Ökonomie selbstverständlich nur diejenigen, die arbeiten.
„ausbeuten“ als skandalisierender Begriff im Sinne von „unterdrücken“, „ausnehmen“, etc. selbstverständlich alle (Ressourcenvernichtung, etc.)
Die Frage ist nun: wohin gelangen diese Profite?
Und die Antwort ist eindeutig: zu uns, die wir als Aktionäre
an diesen Unternehmen beteiligt sind, direkt über Einlagen,
indirekt über Zinsen, etc., aber auch über Transferleistungen,
also über Leistungen, die uns unser Wohlfahrtsstaat beschert,
weil diese durch Steuereinnahmen, etc. finanziert werden,
welche eben von Leuten mit Kapitaleinkünften bezahlt werden,
Aber verbleiben sie denn auch dort? Oder ist das nicht nur
eine temporäre Zwischenstation?
Nein, natürlich verbleiben sie nicht einfach in den Händen einzelner Leute, sondern zirkulieren;
allerdings zirkulieren sie nicht vollkommen frei, und auch nicht dort, wo die Zirkulation (z.B. den Nahrungsbedürfnissen nach) benötigt würde, sondern dort, wo aus einem Profit zwei Profit werden, um das mal so salopp auszudrücken.
Genau entsprechend dieser Zirkulationskreise habe ich oben Peripherie und Zentrum unterschieden.
Ich kenne niemanden, der sein
Geld ewig behält.
klar, weil er stirbt; aber: vererbt er nicht?
klar, weil er konsumiert; aber: jede nicht unmittelbar vollzogene Konsumierung bringt weitere Konsummöglichkeit (Geld: Zinsen, Mieten, etc.); wird jeder Konsum unmittelbar vollzogen?
Das entscheidende Faktum ist also:
wir treiben Handel mit der ganzen Welt, wir tätigen
Direkteinlagen in der ganzen Welt, investieren also überall,
wo es sich lohnt (nicht unbedingt in direkter Weise, aber
unsere Banken und Versicherungen tun dies für uns, wenn wir
etwas Geld sparen, etc.), womit unstrittig ist, dass der
Reichtum des Westens/Nordens eng mit der Armut des Südens
verknüpft ist.
Das ist keinesweg unstrittig! Wären die armen Länder denn
reicher, wenn es die reichen nicht gäbe? Ihr geht von der
Annahme aus, dass
Wohlstand eine begrenzte Ressource ist! Ist sie das denn
tatsächlich?
Das ist in der Tat die Gretchenfrage!
Die Gegenprogramme zum Developmentalismus: die teoria de
dependencia und die Weltsystemtheorie gehen dagegen davon aus,
dass, solange das Weltsystem als Ganzes noch nicht an seine
Grenzen gekommen ist, Entwicklung möglich ist;
Davon gehe ich auch aus!
… solange…
der Wohlstand mehrt sich nicht mehr, sondern verschiebt sich
nur noch, weil dieses System kein „Außerhalb“ mehr besitzt,
aus dem es einen Input beziehen könnte bzw. kostenfrei
externalisieren könnte;
Grad das schreit doch förmlich nach Innovationen! Stichwort
Wirtschaftsethik! Maschinen, Roboter und Computer verdienen
das Geld, das dann innerhalb eines bestimmten Rahmens gerecht
verteilt wird.
Wer darüber hinaus arbeiten will, dem bleibt das selbst
überlassen.
Reparieren und programmieren Maschinen Maschinen? wer programmiert die Maschinen, die Maschinen programmieren um Maschinen zu reparieren?
Übrigens: das was Du gerade benannt hast, mag auch als „Wirtschaftsethik“ firmieren, ich kenne es als die „Utopie des Kommunismus“ pur: Maschinen sichern unser Überleben und der Fischer soll fischen und der Jäger soll jagen, je nachdem wie ihnen gerade ist.
Wenn die Menschen ersteinmal vom Joch der Überlebensangst
befreit sind, ist deren Geist auch frei für innovatives
Denken. Das menschliche Potential wird fokussiert und
konzentriert.
Ja, klingt gut. Würde mich freuen, wenns mal so wäre.
wird irgendwann seine Umweltschäden zu
reparieren versuchen müssen, weil es sonst nicht weiter
existieren kann, etc.
Oder auswandern…Es gibt schon Theorien für eine kollektive
Umsiedelung auf einen bewohnbar gemachten Mars, wenn wir die
Erde denn mal plattgemacht haben.
… was ich eben als einen Versuch betrachte, die erkannten Widersprüche im Stile eines Alexanders aufzulösen; hier handelt es sich aber um Widersprüche, nicht um Knoten, übertragen: Arretationen.
Kurz: sehr viele empirische Fakten sprechen dafür, dass wir
dem Nullsummenspiel näherkommen, uns vielleicht bereits dort
befinden, dass also ein Spruch wie: jedes Land ist seines
eigenen Glückes Schmied , an empirischen Tatsachen insofern
radikal vorbeigeht, als in der Tat viele Länder die
Möglichkeit haben, sich nach vorne zu entwickeln, immer aber
auf Kosten eines anderen Landes, das dadurch automatisch
zurückgestuft wird.
Diese Prämisse eben halte ich für falsch. Davon ausgehend,
muss man falsche Konklusionen ableiten.
tja? in der Tat halte ich diese Prämisse für prekär, nicht weniger aber als diese, dass das gesamte Weltsystem grundsätzlich auf das erreichte Wohlstandsniveau des Westens aufschließen könnte, würde es sich nur modernisieren …
Ich denke, die Fakten der letzten 50 Jahre sprechen eher für die Prämisse des zunehmend erreichten Nullsummenspiels (wohlgemerkt wird dies ja nicht als anthropologisches Faktum gesetzt, etc. sondern als eine bestimmte Entwicklung innerhalb des Kapitalismus, wir sind heute ja noch nicht mal auf dieser Stufe).
Weshalb denn sollten
wir uns Probleme suggerieren?
Hier ist die Gegenfrage gestattet: Wieso immer noch Hoffnungen suggerieren, die bisher nie eingelöst worden sind, und deren Einlösbarkeit ich für sehr zweifelhaft halte?
Weshalb suchen wir stattdessen
nicht nach Lösungen?
Wäre nicht vielleicht die Bereitschaft, irgendwann tatsächlich relativ gemeinsam nach Lösungen zu suchen, dann größer, wenn erkannt wäre, dass wir uns hier in einem Nullsummenspiel befinden?
Aus meiner Sicht schon, weil wir irgendwann des ständigen Verteilungskampfes müde sein könnten …
Wenn wir aber weiterhin daran festhalten, den unterentwickelten Regionen einzureden, sie könnten einmal aus eigener Kraft zu uns aufschließen …
Was dann? Gemeinsamer Lösungsversuch möglich?
Viele Grüße
franz