Hallo,
was bedeutet der obige Satz von Thomas von Aquin? Was wollte er damit sagen? Vielleicht hat jemand Beispiele.
Danke.
Gruß
Erich
Hallo Erich,
was bedeutet der obige Satz von Thomas von Aquin? Was wollte
er damit sagen?
„oder so ähnlich“ ist natürlich immer schwierig, weil ich jetzt keinen Satz von Augustin kenne, in dem er sagt „Gnade setzt die Natur voraus“. Aber das liegt sicher an mir.
Bei Augustinus fällt mir zu „Gnade“ und „Natur“ nur ein, daß er behauptet, daß die menschliche Natur vor dem Sündenfall (also Adam und Eva im Paradies) ohne Fehler und ohne Schuld war. Diese „Makellosigkeit“ ist jedoch durch den Sündenfall verloren gegangen und kann einzig und allein durch Gottes Gnade, nicht etwa durch den Menschen selbst, zum Heil geführt werden.
Besser wird das z.B. hier erläutert:
http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761556814/Gna…
http://www.kath.de/lexikon/philosophie_theologie/erb…
einmal an der Gnade selbst und das andere Mal an der Erbsünde, die ja der Gnade Gottes bedarf.
Ob das deine Frage beantwortet, weiss ich jetzt leider nicht so genau. Das exakte Zitat wäre da sicher hilfreich.
Viele Grüße
Marvin
Hallo Erich,
„Die Gnade setzt die Natur voraus, erhebt sie und vollendet sie“
http://www.univie.ac.at/khg/duc-in-altum/DOCUMENTS/S…
http://www.univie.ac.at/khg/duc-in-altum/DOCUMENTS/S…
Mit Natur ist hier die menschliche Natur gemeint.
„Gratia supponit naturam“, bedeutet bei Thomas von Aquin: Die menschliche Natur ist nicht abgeschlossen in sich und unabhängig von Gott.
[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]
Hallo Erich,
die Quellen dieses Auspruchs finden sich bei Thomas in folgenden Texten und damit auch in verschiedenen Zusammenhängen:
Summa theologia I-II 99, 2, ad 1
Sicut enim gratia praesupponit naturam, ita oportet quod lex divina praesupponat legem naturalem.
Super Sententiae I, d. 17, q. 1, a 3 arg 3
Praeterea, sicut gloria praesupponit gratiam, ita gratia praesupponit naturam. Sed gloria datur secundum modum gratiae, ut qui plus habet de capacitate, plus etiam de gloria recipiat. Ergo videtur quod etiam caritas detur secundum capacitatem naturae, ut qui meliora naturalia habet, major sibi caritas infundatur.
Super Boethius De Trinitate q. 2 a 3 Resp.
Dicendum quod dona gratiarum hoc modo naturae adduntur quod eam non tollunt, sed magis perficiunt; unde et lumen fidei, quod nobis gratis infunditur, non destruit lumen naturalis rationis divinitus nobis inditum.
Was nun darunter zu verstehen ist:
Primär ist zu erklären, was im mittelalterlichen und theologischen Kontext mit Natur gemeint ist. Die einfachste Formel - es ist natürlich, wie immer einiges komplizierter - ist, dass die Natur hier das Wesen, die Wesenheit oder auch die ‚quidditas‘ (das So-sein) gemeint ist.
Zum Gnadenbegriff hast Du ja bereits Hinweise und Links erhalten.
Was bedeutet dies nun für das Zitat, dessen Sinn sich auch mehreren Ebenen artikuliert?
Erstens: Gnade kann nur in Dingen wirken, die eine Natur haben. Sprich eine Wesenheit besitzen. Sie ist also prinzipiell nicht auf unbelebte Dinge ohne Wesenheit gerichtet. (cf. Substanzenlehre und Debatte über die Wesenlehre im MA und Kirchengeschichte)
Zweitens: Die Gnade wirkt nie gegen die bestehende Natur, sondern kompletiert sie gemäss ihrem Sein (cf. … sed magis perficiunt…)
Drittens: Die Gnade ist bei Thomas von Aquin per definition akzidentell. Dies bedeutet (basierend auf Erstens und Zweitens), dass die Gnade nicht die Natur in einem Menschen beispielsweise ändern kann. Jemand er also in einem Zustand der jedwelcher Gnade ist, ändert nicht seinen ontologischen Status oder übernimmt diese Gnade als essentielles Merkmal seines Wesens oder Seins. Zumindest nicht in dieser Welt. Bezogen auf die Eschatologie, verschiebt sich diese Aussage natürlich.
Die Aussage ist in mehreren Zusammenhängen wichtig:
- in einer Debatte über die hypostatische Vereinigung zweier Naturen in Christus
- der Frage ob die Ursünde die menschliche Natur vollkommen verändert hat
- der Frage ob die Gnade Dinge bewirken kann, die nicht im Wesen eines Menschen oder einer Sache enthalten sind
- in einer Debatte über die Gnade an und für sich genommen (Wirkweise etc.) und den Einfluss auf den Status des Menschen
Liebe Grüsse
Y.-