Goethe und Schubert

Hallo Experten!

Ob jemand mir bei dieser speziellen Frage helfen kann?

Bekannt ist, dass Schubert sehr viele Gedichte von Goethe vertonte. Goethe - so die allgemeine Leseart - konnte aber mit diesen Schubert-Vertonungen seiner Lieder nichts anfangen. Seine Vorstellungen von Musik als dienende Kunst der Sprachkunst gegenüber vertrugen sich nicht mit dem revolutionären Liedstil Schuberts.

Nun sagte mir ein pensionierter Musikwissenschaftler neulich, Goethe habe irgend wann doch die hohe Qualität der Schubertlieder erkannt. Weiß jemand etwas darüber?
Wirklichkeit oder Legende?

mit gespannten Grüßen
Karl

Hallo,

Goethe habe irgend wann doch die hohe Qualität der
Schubertlieder erkannt. Weiß jemand etwas darüber?
Wirklichkeit oder Legende?

Es wird erzählt, dass Goethe 1830 von Schuberts „Erlkönig“ durch den Gesangsvortrag von Wilhelmine Schröder-Devrient höchst beeindruckt gewesen sein soll.

Bei Goethe habe ich jetzt „auf die Schnelle“ nichts darüber gefunden, aber in dieser Schubert Biographie:

http://books.google.at/books?id=C6U9AAAAcAAJ&printse…

steht im 7. Kapitel etwas über Goethe/Schubert und auf Seite 164 steht auch das mit dem Gesang der Schröder-Devrient. Das war 2 Jahre nach Schuberts und zwei Jahre vor Goethes Tod.

Vielleicht war das gemeint?

mfg. a_f

Volltreffer!
Hallo Automn!

Toll, das ist es bestimmt, vielen Dank! Wie hast du das im Netz gefunden?

Gruß!
Karl

1 Like

Hallo, Karl,

Wie hast du das im Netz gefunden?

Vielen Dank für dein feedback:smile:)
(du weißt schon…lächel)

Dass Goethe Schuberts Erlkönig gemocht haben soll, hatte ich irgendwo im Hinterkopf - frag nicht, wieso…irgendwoher…

Den Namen der Sängerin und das Buch zu finden, war dann über die google Buchsuche nicht mehr so schwer…

Gleich in der Vorschau zu einem der ersten Bücher fiel der Name Schröder-Devrient - die Gegenprobe mit der Suche „Erlkönig Schröder-Devrient“ ergab ebenfalls Treffer - dann musste ich nur noch ein Buch finden, in dem mehr darüber (online) geschrieben stand:smile:)

mfg. a_f

‚Goethe und Schubert‘ oder ‚Googles Grenzen‘
Hallo Karl und autumn-flower,
zunächst möchte ich betonen, dass ich autumn-flower mit seinen (oder ihren) Beiträgen bisher immer sehr geschätzt habe. Aber als Antwort auf Karls (gute) Frage einen Verweis auf ein Buch aus dem Jahre 1865 anzugeben, halte ich aus musikwissenschaftlicher Sicht für ziemlich bedenklich. Ich finde, einer solchen Frage kann man sich nicht durch das (bequeme) Abfragen von (zufälligen) Internetadressen nähern. Meiner Meinung nach sollte man, wenn man zu dem Thema ansonsten wenig weiß, bzw. zu Hause keine Nachschlagewerke hat, sich lieber in eine größere Stadtbücherei bequemen und das eine oder andere Buch in die Hand nehmen, das einen gewissen Mindestanspruch an aktueller Wissenschaftlichkeit hat.
So eines ist das von Astrid Tschense: Goethe-Gedichte in Schuberts Vertonungen (Bockel-Verlag Hamburg 2004). Das steht in fast jeder gut sortierten Bücherei.
Nun aber zu Karls Frage.

Bekannt ist, dass Schubert sehr viele Gedichte von Goethe
vertonte. Goethe - so die allgemeine Leseart - konnte aber mit
diesen Schubert-Vertonungen seiner Lieder nichts anfangen.
Seine Vorstellungen von Musik als dienende Kunst der
Sprachkunst gegenüber vertrugen sich nicht mit dem
revolutionären Liedstil Schuberts.

Genau das ist der springende Punkt. Goethe verließ sich in der Regel auf seinen musikalischen Berater Zelter, einem führenden Kopf einer Musikästhetik (der sog. Zweiten Berliner Liederschule"), die in Sachen Liedvertonungen völlig andere Ideale vertrat als Schubert. Demnach habe der Musiker im Lied mit seiner Kunst das Dichterwort lediglich zu verdeutlichen und eindringlicher zu machen. Frau Tschense schreibt dazu: „Jede Vertonung, die zu einem Mehr an Musik als Text führte, die ein Nachschaffen der dichterischen Intention war, musste Goethe nach seiner Überzeugung ablehnen“ (S. 50).
Kein Wunder, denn welcher Dichterfürst, der von der Einzigartigkeit seines Werkes überzeugt war, hätte seinen Text nicht gerne im Zentrum gesehen? - Und mehr noch: Schubert hat sich sogar „erdreistet“, die dichterischen Vorlagen zu verändern! Er „korrigierte“ ihn so, wie es ihm in seinen kompositorischen Kram passte (nebenbei bemerkt, sprach sich Goethe mehrfach gegen den Begriff „Komposition“ aus: „Komposition! - Als ob es ein Stück Kuchen oder Bikuit wäre, das man aus Eiern, Mehl und Zucker zusammenrührt!“ (zitiert ebenda S. 50).
Kurz gesagt: Für Goethe solle - wenn überhaupt - ein Musiker den Text betonen, nicht vertonen.
Heute gehen die meisten Musikwissenschaftler (im Unterschied eben zu dem von autumn-flower herangezogenen „Schinken“, der die nette Anekdote über die Schröder-Devrient kolportiert) davon aus, dass Schubert sich dem Diktat des Dichters eben nicht unterordnen, sondern vielmehr ein eigenes, neues Kunstwerk schaffen wollte. Eben in dem „revolutionären Liedstil“, den Karl ansprach.

Nun sagte mir ein pensionierter Musikwissenschaftler neulich,
Goethe habe irgend wann doch die hohe Qualität der
Schubertlieder erkannt. Weiß jemand etwas darüber?
Wirklichkeit oder Legende?

Wahrscheinlich meinte er Goethes Bemerkungen zu Schubert „Erlkönig“, die er seinem Kunstfreund Quandt gegenüber geäußert hatte - nachdem die Schröder-Devrient ihm das vorgetragen hatte: „… nun, man muss sagen, dass der Komponist das Pferdegetrappel vortrefflich ausgedrückt hat…“ (zitiert ebenda S. 53).
Das bringt es doch wohl auf den Punkt: Nicht die kompositorische Leistung Schuberts verdiente Lob, sondern „bloß“ das lautmalerische Umsetzen einer inhaltlichen „Nebensache“. Als ob Schubert billige Filmmusik abgeliefert hätte! Ist das die „hohe Qualität“, von der Goethe angeblich gesprochen haben soll?
Interessant ist übrigens, dass Schubert dieses Detail der Begleitung in seinem an Goethe geschickten Heftes statt der ursprünglich komponierten Achteltriolen in Achtel verändert hatte, weil die Begleitung ansonsten für die meisten Pianisten zu schwierig gewesen wäre…
Lange Rede, kurze Hose: Goethe und Schubert sind Vertreter unterschiedlicher Ästhetiken. Da kann man nur schwerlich von „gegenseitigem Beindrucktsein“ sprechen. Ich ließe mich gerne eines Besseren belehren, wenn man mir ein Zitat Goethes zeigen würde, das dessen Einsicht in die „bessere Qualität“ Schubertscher Liedvertonungen beweisen würde.
Tut mir leid, autumn-flower, aber deinen Kommentar wollte ich nicht so einfach stehen lassen.
Gruß,
lynndinn

Lange Rede, kurze Hose: Goethe und Schubert sind Vertreter
unterschiedlicher Ästhetiken. Da kann man nur schwerlich von
„gegenseitigem Beindrucktsein“ sprechen. Ich ließe mich gerne
eines Besseren belehren, wenn man mir ein Zitat Goethes zeigen
würde, das dessen Einsicht in die „bessere Qualität“
Schubertscher Liedvertonungen beweisen würde.

Zu diesem Unverständnis paßt es ja auch, daß Goethe das ihm übersandte Liederheft nicht an den Wiener Franz Schubert zurücksandte, sondern an einen Dresdener Namensvetter, der sich empörte, was ihm denn da für zeug untergeschoben wurde…