Golden Retriever - bissig

Wir haben vor ca. 6 Jahren einen Golden Retriever auf einen Tiermarkt in Kaunitz gekauft. Ich weiss, das sollte man nicht,
aber der kleine Welpe tat uns so leid und esd war ein Mitleidskauf und völlig ungeplant.
Doch seit ca. 2 jahren akm es immer wieder zu Vorfällen mit unserer Susi, sie biss aus heiterm Himmel und ohne erkennbaren Grund.
Tierarzt, Tiertrainer, keiner hatte eine Erklärung, außer sie sei wahrscheinlich überzüchtig.
Nun vor einer Woche war es wieder soweit, sie biss mich.
Mein Mann ließ sie einen Tag später einschläfern.
Übrigens sie Papiere. Wer kennt ähnliche Fälle von Züchtern
oder sogenannten Züchtern.
Wir liebten unbsere Susi über alles und ich will wissen warum sie so war.

Hallo Jaclyn,

Susis Bissigkeit kann verschiedene Gründe gehabt haben. Dazu gehören zum Beispiel

  • schlechte Sozialisierung in ihrer Jugend (wie alt war sie denn, als Ihr sie gekauft habt? Wißt Ihr etwas über ihr Leben davor? Wie war sie untergebracht? Hatte sie Kontakt zu Menschen und Hunden? Wann wurde sie von ihrer Mutter getrennt?) oder auch
  • schlechte Zucht („Papiere“ sind keine Garantie). Mehr dazu weiter unten.
  • Unklarheit über die Rangfolge in der Familie (wenn Susi vorwiegend Dich und Deinen Mann gebissen hat, kann es daran gelegen haben, daß sie Euch nicht als „Vorgesetzte“ angesehen hat; wenn der Hund aus diesem Grund beißt, wissen Menschen oft nicht, was sie falsch gemacht haben).

Du schreibst, daß sie immer wieder ohne ersichtlichen Grund gebissen hat… Wen denn? Euch oder fremde Leute? War sie vielleicht besonders aggressiv mit Kindern oder kleinen Tieren oder anderen Hunden, mit Männern, großen Hunden,…?

Wenn es wirklich kein Muster gibt, kann es auch an einer Hirn- bzw. Stoffwechselstörung gelegen haben. Leider gibt es auch Hunde, bei denen man wirklich „nichts tun kann“. Und gerade bei Golden Retrievers, bei denen man es ja eher nicht erwartet, gibt es immer wieder extrem aggressive Exemplare, und es sieht so aus, als ob das Problem zunimmt - es gibt jetzt mehr aggressive Goldens als früher. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich die Beliebtheit der Rasse - wenn die Nachfrage nach Welpen groß ist, wird auf Teufel komm raus auch mit ungeeigneten Tieren gezüchtet, was dann eben auf lange Zeit zu einer Verschlechterung der Erbanlagen führt. Das ist den Leuten, die damit Geld verdienen wollen, aber egal.

Deshalb, auch wenn Ihr das jetzt wahrscheinlich begriffen habt: Kauft nie einen Hund auf einem Markt oder in der Zoohandlung. Da bekommt Ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit unglückliche, gestörte Hunde; und wenn Ihr so ein Tier „aus Mitleid“ mitnehmt, kurbelt Ihr auch noch zusätzlich das Geschäft an. Solange es für solche Tiere Käufer gibt, wird das Elend weitergehen. Wenn es denn unbedingt ein Welpe sein muß, sucht Euch einen vernünftigen Züchter und seht Euch an, wo und wie die Welpen aufwachsen. Besser noch, sucht Euch einen „weggeworfenen“ erwachsenen Hund im Tierheim aus. Da tut Ihr nicht nur dem Hund etwas Gutes, sondern auch Euch: Bei einem erwachsenen Hund kann man weitgehend erkennen, was für einen Charakter er hat.

Zum Schluß möchte ich Euch noch sagen, daß es mir leid tut, was Euch da passiert ist. Ich hoffe, daß die Wunden wieder verheilen und Ihr Eure Susi trotzdem in guter Erinnerung behaltet. Und vielleicht, auch wenn das jetzt sicherlich unmöglich scheint, könnt Ihr ja irgendwann wieder einem Hund ein Zuhause geben.

Alles Gute
Sylvia

P.S. Was ich im Internet noch gefunden habe:

In unserem Nachbarland Holland entfallen 20 % aller Hundebisse auf Rottweiler und jeweils 15% auf Golden - und Labrador Retriever, die bekanntlich nicht gerade als „Kampfhunde“ gelten. Auch das CHIRPP (Canadian Hospitals Injury Reporting and Prevention Program) stellte fest, dass die meisten Hundebisse von Deutschen Schäferhunden, Cocker Spaniels, Rottweilern und Golden Retrievern verursacht wurden.
Quelle: http://www.medizin-2000.de/streitpunkt/eigene_texte/…

Hallo Sivia,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
Übrigens unsere Susi war 5 Monate alt, als wir sie kauften.

Sie hat wahllos zuerst Hunde angegegriffen auch Welpen.
Danach war es ein Mädchen, das bei Bekannten im Hof auf den hund zuging und sie dabei noch ansprach.
Danach war es der Besuch meiner Tochter (14J.) Ihre Freundin
kam durch die Terassentür und Susi lag 4 Meter davon entfernt, als
sie einfach aufsprang und mit lautem Knurren dem Mädchen in den Bauch biss.
Und vor 4 Wochen war ich das erste Mal dran und es war ein "hramloser Biss.
Am Dienstag dann war ich der Meinung Suis schliefe und hob etwas vom Boden auf, das ca. 2m von ihr entfernt lag als sie mich
anfiel.

Heike

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Wie es gewesen sein könnte.
Hallo Heike,

wenn Ihr Susi erst mit fünf Monaten bekommen habt, kann es gut sein, daß sie relativ isoliert von der Außenwelt aufgewachsen ist, also z.B. in einem Zwinger/Verschlag, wo sie kaum Auslauf bekommen hat und keine Gelegenheit hatte, andere Hunde kennenzulernen (oft der Fall bei „Züchtern“, die es aufs Geld abgesehen haben). Dafür spricht Deine Aussage, daß sie es zunächst auf Hunde abgesehen hatte (also schon erst einmal „ausgewählt“ hat, wen oder was sie da angreift).

Hundekinder, die in den ersten Lebensmonaten nicht genügend Erfahrungen mit der Welt machen konnten, werden mit großer Wahrscheinlichkeit ihr Leben lang ein gestörtes Sozialverhalten zeigen. Das kann sich in übertriebener Angst äußern oder eben auch durch Aggressivität (die wiederum oft durch Angst begründet ist). Das kann zum Beispiel auch der Fall sein, wenn eine Familie mit durchaus guter Absicht den Welpen zunächst nur im Haus oder im Hinterhof hält (damit ihm nichts passiert) - wenn er dann später „rauskommt“, hat er vielleicht panische Angst vor Autos oder Fahrrädern, weil er so etwas noch nie gesehen hat. So etwas kann man ihm dann nur sehr schwer aberziehen, wenn es überhaupt klappt.

Für die These, daß Susi lange isoliert gehalten wurde, spricht auch Deine Aussage, daß sie auch Welpen angegriffen hat. Hier wird immer argumentiert, daß Welpen bei großen Hunden „Narrenfreiheit“ genießen - wenn Susi aber vielleicht als junger Welpe keinen Kontakt zu anderen Hunden hatte, konnte sie auch diese sozialen „Spielregeln“ nicht lernen. Viele hundliche Verhaltensweisen sind zwar angeboren, viele müssen aber auch erlernt werden. So lernen die Hunde im Spiel mit ihren Geschwistern und von ihrer Mutter zum Beispiel die Grundregeln der Körpersprache im Umgang mit Artgenossen. Sie lernen dabei auch, wie man sich anderen Hunden gegenüber „ordentlich“ verhält, und wie fest man im Spiel zubeißen kann, ohne dem anderen wehzutun.

Vielleicht hat Susi, wenn sie andere Hunde gebissen hat, die Erfahrung gemacht, daß ihr das Beißen „etwas bringt“, zum Beispiel mehr Aufmerksamkeit oder daß sich der andere Hund zurückzieht - womit sie ja ihr Ziel erreicht hätte, die „unbekannte Bedrohung“ abzuwehren. Dieses Prinzip hat sie dann später vielleicht auf andere übertragen, zuerst einmal auf Kinder, weil die ein leichteres Opfer sind als die größeren und imposanteren erwachsenen Menschen - und weil Kinder auch öfter unvorsichtig und spontan/unberechenbar sind als Erwachsene. Vielleicht wollte sie also gerade ungestört bleiben, als das Mädchen bei Euren Bekannten auf sie zukam. Da sie aber von ihren Artgenossen nicht gelernt hat, wie Hunde das normalerweise ankündigen (zurückziehen/Ohren anlegen/Schwanz einziehen, evtl knurren o.ä., je nach Situation), hat sie eben ohne Vorwarnung zugebissen. Oder vielleicht hat das Mädchen Susis Warnung einfach nicht verstanden? Du schreibst ja, daß sie die Freundin Deiner Tochter laut angeknurrt hat, also vielleicht hat Susi doch „gesagt“, was in ihr vorging?

Bei der Freundin Deiner Tochter könnte es auch so gewesen sein, daß Susi sich durch den unerwarteten Eindringling bedroht fühlte und das Mädchen aus ihrem Revier „verjagen“ wollte. Die Wohnung ist ja das Revier des Hundes im engeren Sinne, und Fremde werden da manchmal nicht so freundlich aufgenommen, vor allem wenn das für den Hund ohne Vorwarnung geschieht… Es ist immer besser, wenn Leute, die nicht zur Familie gehören, mit einem Familienangehörigen zusammen die Wohnung betreten oder sich zumindest durch Klingeln bemerkbar machen, so daß ein Familienmitglied die Tür öffnen kann. Das ist für den Hund eindeutig: Herrchen läßt den Fremden rein, also ist das in Ordnung.

Auch als sie Dich gebissen hat, hat sie sich vielleicht bedroht gefühlt. Wenn sie auf dem Boden gelegen hat, warst Du als stehender Mensch natürlich weit über ihr und hast vielleicht bedrohlich gewirkt, als Du Dich ihr da so genähert hast und Dich dann auch noch „zu ihr heruntergebeugt“ hast. Vielleicht hat sie wirklich geschlafen und ist gerade in dem Moment aufgewacht, als Du Dich runtergebeugt hast - also hat sie Dich nicht kommen sehen und war erschrocken.

Ich kann nun nur spekulieren, aber ich denke nicht, daß Susi „rettungslos aggressiv“ war. Ich denke, sie hat einfach nur Pech gehabt in ihrem Leben… Und die Situationen, in denen sie da gebissen hat, sind gar nicht so harmlos gewesen, wie sie uns Menschen vielleicht erscheinen. Für einen Hund sieht eben manches anders aus…

Wie gesagt, ich kann leider nur spekulieren, da ich nicht selbst dabei gewesen bin und den Hund nicht kannte. Falls Ihr es aber noch einmal mit einem Hund versuchen wollt, holt Euch bitte Rat, bevor es zu spät ist. Manch einem Hund, der wegen solchen Sachen eingeschläfert werden mußte, hätte geholfen werden können, wenn man damit eher begonnen hätte.

Falls Du Interesse an einem Buch hast, in dem einige Besonderheiten des Hundeverhaltens ganz gut erklärt sind:

Nicholas Dodman, „Hunde, die zuviel bellen“. Da sind auch einige recht spezifische Sachen drin, die dem normalen Hundehalter wahrscheinlich nicht viel nützen. Aber wenn Du das liest, bekommst Du vielleicht einen ganz guten Überblick über die „Denkweise“ der Hunde.

Nochmals viele Grüße, und vielen Dank für Deine Antwort!
Sylvia