Good Bye Djindjic

Hallo alle beieinander.

Ich bin sehr traurig über den Mord an dem serbischen Ministerpräsidenten Djindjic, und bin selber überrascht darüber, daß mir das so nahe geht. Wenn man sich anguckt, was an Politikern so rumläuft, war das sicherlich eine Ausnahmeerscheinung, die nur einer Umwälzsituation, wie sie damals in Serbien war, geboren worden kann. Ein mutiger und unerschrockener Mann, der seinen Tod in Kauf genommen hat. Sicherlich kein Machtmensch, denn sonst hätte er gewußt, wie weit er gehen kann und welche Rücksichten auf alte Oligarchien er nehmen muß (um zu überleben). Als ich die Nachricht gestern ganz spät im TV gesehen habe, konnte ich es zunächst nicht glauben. „Nein, doch nicht der“, dachte ich. Denn der Mann hatte etwas Unschuldiges an sich und normalerweise trifft es die Unschuldigen (wie die Machtmenschen eben auch) nicht. Politisch gesehen kann ich nur feststellen, daß Serbien jetzt auf den Rang eines 3.-Welt-Landes zurückgefallen ist. Denn der nächste wird nicht so mutig sein und das wird sich dann in der gesamten politischen Kultur des Landes bemerkbar machen. Davon abgesehen ist eine ganz alte - wie soll ich mich ausdrücken - Tradition entwertet worden. Denn beim Mord am 1914 am österreichischen Thronfolger ging es noch um nationale Interessen - diesmal waren es nur EINZELINTERESSEN, die sich da bedroht fühlten. Armes Land, kann man da nur sagen. Was meine persönliche Betroffenheit angeht, so spielt es natürlich auch eine Rolle, daß der Mann perfekt deutsch sprach und in jedem ausländischen Interview, wo das möglich war, diese Sprache aus benutzt hat. Ein Mensch, vor dem ich absoluten Respekt habe, der aber dennoch nahbar war, mit dem man sogar ein Bier hätte trinken können (mit Gerhard Schröder - obwohl ich für die Koalition bin - kann ich mir das nicht vorstellen). Schade - ein großer Verlust und ein schlechtes Beispiel für Demokratie und Menschlichkeit.

Jörg

Mir persönlich geht sein Tod auch nah. Er war sympathisch, in der internationalen Politik eigentlich beliebt, zuverlässig und hatte, wie ich meine, ein geschicktes Händchen für seine nicht allzu leichten Aufgaben.

Hoffen wir, dass sich ein würdiger Nachfolger finden wird.

Barkley

Franz Ferdinand

Davon
abgesehen ist eine ganz alte - wie soll ich mich ausdrücken -
Tradition entwertet worden. Denn beim Mord am 1914 am
österreichischen Thronfolger ging es noch um nationale
Interessen - diesmal waren es nur EINZELINTERESSEN, die sich
da bedroht fühlten. Armes Land, kann man da nur sagen.

Hallo Jörg,

ich nehme mal an, dass Du den politischen Mord nicht in guten (nationales Interesse) und schlechten (Gruppeninteressen) einteilen willst. Es gibt leider immer wieder geschichtliche Perioden, in denen der politische Mord üblich ist. In Deutschland war das in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg.

Nur entgegen Deiner Vermutung ist der Mord von 1914 sogar recht ähnlich; denn Franz Ferdinand war ja gerade dafür „gefürchtet“ (interessanterweise in Wien, Budapest und Belgrad), dass er die Aussöhnung mit den slawischen Völkern der Doppelmonarchie anpacken und diese zur Tripelmonarchie umbauen wollte. Insofern hast Du recht: oft trifft es gerade die Wohlmeinenden, die mit ihrer Versöhnungspolitik Gräben überwinden wollen und damit bestimmten Interessen schaden (siehe auch Lincoln).

Andreas

Hi,

entgegen Deiner Ansichten war der Typ ein knallharter Machtpolitiker, der sehr wohl wusste, was er mit seinen Taten anrichtete. s. http://www.tenc.net

Und einen Menschen, der Wahlen verfaelscht, die Verfassung bricht und das Parlament missachtet als Musterdemokraten zu bezeichnen…

Aber er sprach ja so gut deutsch und hat sogar bei Habermas studiert.

Ciao Lutz

Hallo,

ich stimme dir zu.

Trotzdem hatte der man Charisma.

Gruß Ivo

Hi,

das sagte man von einem kleinen grossen Populisten und Demagogen aus Deutschland auch.

Womit dieser Thread beendet waere, denn die Nazi-Keule wurde ausgepackt.

War nicht irgendein Reporter aus deutschen Landen auch mal vom Charisma des Herrn Hussein im Irak beeindruckt? Und sicher kann man auch Herrn Haider Charisma nicht absprechen.

Ciao Lutz

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Hallo zusammen

aus mitteleuropäischer Sicht hatte Zoran Djindjic sicher keine weisse Weste. Aber man kann Serbien auch nicht mit unseren Massstäben messen, denn seine Geschichte ist eine andere.

Um ihn zu beurteilen, muss man bedenken, was allein in den letzten zehn Jahren in Serbien und im Namen Serbiens alles passiert ist: Diverse Kriege und Zerstörungen, Vertreibungen, Völkermord, ausserdem Korruption und Filz in grossem Stil und die Auflösung der Gewaltenteilung. Nicht zu vergessen, Demokratie ist in Serbien noch ein junges Pflänzchen.

Vor diesem Hintergrund hat er etwas sehr grosses geleistet: Er hat Europa dazu gebracht, ihm und damit Serbien zu vertrauen und die berechtigte Hoffnung geweckt, auch bei Serben/Serbinnen, dass diese so gebeutelte Region vielleicht mal zur Ruhe kommt.

Ich schliesse mich Jörg an: Gute Reise Zoran Djindjic
und füge Hinzu: Alles Gute Serbien.

Nicola

Hallo,

Und sicher
kann man auch Herrn Haider Charisma nicht absprechen.

Rumbölken ist alles, was er kann. Und sich von einem Hussein-Doppelgänger verkackeiern lassen…Haider ist lediglich ein charismatischer Peppo.

Bark

Hi,

Um ihn zu beurteilen, muss man bedenken, was allein in den
letzten zehn Jahren in Serbien und im Namen Serbiens alles
passiert ist:

man sollte sagen: Was von diversen PR-Agenturen zur Anheizung der Kriegsstimmung an Panikmache verbreitet wurde.

Diverse Kriege und Zerstörungen,

Nach der vom ehemaligen BND-Chef Kinkel vorangetriebenen Sezession Kroatiens und Sloweniens wurden die Bundesstreitkraefte praktisch kampflos zurueckgezogen, waehrend die vom Westen bewaffneten kroatischen Milizen sich als Heckenschuetzen betaetigten, die fuenfmalige totale Zerstoerung von Dubrovniks Altstadt hat nie stattgefunden,…

Vertreibungen,

Kraijna, Ostslawonien und Kosovo wurden von Kroaten und der UCK veranstaltet, keine serbischen Kraefte. Das einzige Gebiet, auf dem keine ethnischen Saeuberungen stattfanden und das jetzt noch „multinational“ ist, ist Restjugoslawien.

Völkermord,

war schon immer ein hervorragender Grund zum Eingreifen. Beweise gibt es bis jetzt keine.

ausserdem Korruption und Filz in grossem Stil und
die Auflösung der Gewaltenteilung.

Beschreibst Du den Zustand des befreiten Kosovo? Ansonsten trifft dies nach den bekannten Fakten auf den gesamten Ex-Ostblock zu, nach Mutmassungen auch auf Westeuropa (sowas wie Atlantikbruecke e.V., Mont-Pelerin-Gesellschaft,… aus denen die Hauptbeteiligten der Politik-Skandale der letzten Zeit stammen (sollen)).

Nicht zu vergessen,
Demokratie ist in Serbien noch ein junges Pflänzchen.

Stimmt, Milosevic hat sich an die Macht geputscht und die jetzt regierende Opposition wurde nie vom Westen finanziell unterstuetzt und hat auch nicht beim Sturm auf das Parlament die Wahlurnen verbrannt…

Vor diesem Hintergrund hat er etwas sehr grosses geleistet: Er
hat Europa dazu gebracht, ihm und damit Serbien zu vertrauen
und die berechtigte Hoffnung geweckt, auch bei
Serben/Serbinnen, dass diese so gebeutelte Region vielleicht
mal zur Ruhe kommt.

Also, nachdem man dort unten ethnische Unruhen angefacht hat, eine unvergleichbare Hetzkampagne (durch PR-Agenturen organisiert) gefuehrt hat und jede abstruse Luege als Wharheit hinausposaunt hat, nachdem der Rest von Wirtschaft und Infrastruktur in wochenlangen Bombardements vernichtet wurde, war Djinjic, der Vertreter des Westens und des IWF (Schocktherapie=keine Sozialleistungen, maximale Oeffnung), auch der Bote der frohen Botschaft, dass der Westen nun etwas friedlicher in dieser Gegend auftreten wird (man will ja noch Zinsen kassieren).

und füge Hinzu: Alles Gute Serbien.

Arbeitslosigkeit, Hyperinflation, arrogante Wessis, was haben wir doch an guten Werten zu bieten.

Ciao Lutz