Ich mag nicht mehr
Ich bin als Naturwissenschafter an Zitate und Belege gewöhnt. Da nichts dergleichen kommt, außer einem diffusen Verweis auf einen (oder mehrere?) Zeitungsartikel, den/die die meisten hier ohne Kreditkarte und Personenangaben nicht lesen können, beende ich meine Beteilung an diesem Tread mit dem Schluss, dass es zwei Möglichkeiten geben kann:
1.) Du meinst das alles nicht ernst, spielst gerne agent provocateur oder versuchst eine Studie über Anti-Amerikanismus zu erstellen.
2.) Du meist das alles ernst und bietest damit - ohne es zu merken - den Leuten, die genau das suchen, einen vermeintlichen Beweis für das stereotype (und dumme) Vorurteil, dass alle Amerikaner ungebildet und radikal-patriotistisch sind.
Also lass mich die Wahrheit zusammenfassen:
-
USA = die Guten; Russland et al. = die Bösen.
-
Wer anders (oder nicht in schwarz-weiß) denkt, ist ein sekunaer Analphabet (was immer das ist), dumm oder dümmlich, ungebildet, naiv und stumpfsinnig.
-
Die US-Army ist heldenhaft und stets für das Gute im Einsatz. Es gab und gibt keine Menschenrechtsverletzungen durch sie oder andere staatliche Organe, weder im Irak noch in Guantanamo, Vietnam oder Korea.
-
Die unterdrückten Tschetschenen haben alles Recht der Welt, Zivilisten zu ermorden, weil die Zivilisten sind ja bloß Russen (siehe 1.). Hätte die Polizei bei den verschiedenen Entführungen nicht eingegriffen, wären die „Freiheitskämpfer“ wieder unverrichteter Dinge abgezogen.
-
FOX berichtigt völlig wertfrei von den Ereignissen auf der Welt, ebenso berichtet das Pentagon (wie alle Verteidigungsministerien) absolut neutral über die eigenen Aktionen.
Ich hoffe, ich habe das korrekte Bild der Welt gut gezeichnet. Für alle jene, die auch Graustufen sehen, noch meine persönliche Meinung:
Die Tschetschenen wurden in der UdSSR nicht gut behandelt und zu Sündenböcken gestempelt. Dass Unterdrückte sich zu wehren versuchen, ist legitim, die Wahl der Mittel nicht immer. Ich gebe Jelzin absolut Recht, dass der (erste) Tschetschenien-Krieg ein Fehler war und ich finde Putins Vorgehen im Kaukasus - gelinde gesagt - äußerst problematisch. Allerdings kann ich nicht alle Schuld auf die Russen schieben und die Tschetschenen als hilf- und wehrloses Opfer ansehen.
Überhaupt habe ich keine großen Sympatien für den Ex-Spion und Hardliner Vladimir Putin und meine Freundin wird Juschenko* wählen. Ich finde Putins Weg in diesem Konfikt falsch. Den richtigen Weg kenne ich aber nicht.
Ich erlaube mir, die Regierungen Österreichs oder die der Schweiz (falls man davon reden kann) in einzelnen, konkreten Punkten zu kritisieren und sehe mich trotzdem nicht als Anti-Österreicher oder Anti-Schweizer. Dieses Recht auf freie Meinungsäußerung nehme ich mir auch bei den USA heraus. Damit ist nicht gemeint, dass ich alles, was die US-Regierung macht, als schlecht ansehe, bloß weil es aus den USA kommt. Schon gar nicht pauschalisiere ich die Bevölkerung.
Es gibt Dinge, die mir an der US-Politik nicht gefallen: der Versuch, die UNO auszuhebeln um die einzig tonangebende Nation zu sein, die Verstrickung der Regierungen mit privaten Einrichtungen (Unterstützung gegen Wahlkampfspenden), der lächerliche bis gefährliche Umgang mit Sexualität und STD’s (von Nippelgate bis zur Ächtung von Kondomen), der neu ausgebrochene Überwachungsdrang. Deswegen sehe ich mich noch lange nicht als anti-amerikanisch, so wie ich mich nicht als antisemitisch sehe, wenn ich das Vorgehen Israels in einigen Punkten manchmal kritisiere. Es gibt keinen „perfekten“ Staat und es wird keinen geben, selbst wenn ich selbst die Politik bestimmen könnte.
Gefährlich wird es nur, wenn Menschen Stolz empfinden, Bürger einer Nation zu sein und alles kritiklos als gut ansehen, was der eigene Staat macht. Oder wenn Religion zum Wahn wird.
Damit ora e per sempre addio… Ich winke nach Ohio (bzw. Reno), wenn ich bald nach Michigan (bzw. Tucson) fliege.
* Bevor jetzt wieder ein Streit über Transkriptionen entsteht: ich weiß, dass es eigenlich Juschtschenko heißen sollte, aber „щ“ = „schtsch“ gefällt mir auch nicht.