Hallo,
wie die Überschrift schon verrät, habe ich eine Frage über die Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes im christlichen Glauben, speziell über die zweite Person der Dreifaltigkeit, Gott Sohn.
Im Johannes-Evangelium setzt der Verfasser des Evangeliums Gott Sohn mit dem Logos gleich, also mit dem ewigen und immer gültigen, allmächtigen Wort, durch das die Welt entstanden ist und durch das sie immer wieder neu entsteht; und dieses Wort wurde also vor 2.000 Jahren zu Fleisch, wodurch sich das Wunder der Menschwerdung Gottes ereignete.
Gott Sohn ist jedoch, von einer theologischen Sichtweise, vom Vater nicht erschaffen, sondern von Ewigkeit her gezeugt und mit ihm wesensgleich. Das ursprungslose Prinzip der Welt und der Urgrund allen Seins hat das Wort gezeugt, welches als Mittler zwischen Gott und Mensch, zwischen Unendlichkeit und Endlichkeit, das Vermögen hat, die Welt entstehen zu lassen. Auch im Nicäno-Konstantinopolitanum wird Gott Sohn ja als Erschaffer der ganzen Welt angebetet. Nun birgt dieses trinitätstheologische Glaubenssystem der christlichen Kirche, wenigstens für mich, eine gewisse Verstehensschwierigkeit, da Gott Sohn, als eine Person des dreifaltigen Gottes, gemeiniglich mit dem Menschen Jesus von Nazareth gleichgesetzt wird, was bedeutet, dass das ewige Wort, aus dem das Leben und die ganze Welt hervorgeht, mit einem Menschen gleichgesetzt wird, der als Mensch natürlich sterblich ist. Im Denkgebäude dieser Trinitätslehre scheint es doch für unseren menschlichen Verstand unfassbar, dass der Schöpfer des Weltalls hilflos in einer Krippe lag und ebenso unfassbar scheint es, dass der Gott des Alls am Kreuz gestorben ist und natürlich auch, dass Maria den gleichen Gott geboren hat, von dem sie geschwängert wurde, nur eben in einer anderen Seinsart, nämlich „Gott Sohn“.
Wo auch immer ich mich mit Menschen über den christlichen Glauben unterhalte, sehe ich die starke Tendenz, Jesus Christus nicht als philosophisch-theologische Wirklichkeit und eine Person der Trinität zu begreifen, also nicht als Wort, aus dem Welt hervorgeht und das seinen Ursprung im „Vater“ hat, sondern eben vorrangig nur als Menschen zu begreifen. Und ich denke ganz persönlich, dass viele Differenzen und Reibungen zwischen Christen, aber auch zwischen Gläubigen anderer Religionen und Christen gar nicht entstehen würden, würde man einen anderen Christusbegriff im heutigen Bewusstsein der Zeit haben, einen, der näher an der Wahrheit ist und nicht einen, der doch allzu sehr vermenschlicht ist.
Nun lenke ich da ein, wo meine Frage hinzielt:
Ich bin schon seit meiner Kindheit in der katholischen Geisteswelt fest verwurzelt, ich erinnere mich noch daran, als ich noch klein war, und den Gottesdienst mit meinen Eltern besuchte, und diese Bilder der Heiligen, der Engel als Boten Gottes und des gekreuzigten Jesus und seiner unbefleckten Mutter Maria mir von allen Seiten begegneten und ich die betenden und andächtigen Menschen sah und die laut tönende Orgel hörte, da fühlte ich mich in dieser Welt der himmlischen Bilder irgendwie geborgen und das ist bis heute so geblieben - vielleicht fühlte ich mich deshalb geborgen, weil ich das Empfinden besaß oder vielleicht auch nur den Wunsch, dass die Ordnung der himmlischen Welt auch die irdische Welt durchdringen möge.
Wenn ich die Welt so anschaue, die Vögel im Himmel, den Wald, die Bäche, das weite Sternenzelt am Nachthimmel und all die Menschen, die auf ihre Art und Weise ihr Leben leben mit ihrem Frohsinn und ihrer Glückseligkeit, aber auch mit ihren Sorgen und Nöten, und dann innig und fest daran glaube, dass ein Gott dies alles hervorgebracht hat und wenn ich Gott sage, meine ich ein raum- und zeitloses, allmächtiges, alles erschaffendes, heiliges und transzendentes Wesen, das nicht durch eine andere Ursache geschaffen wurde, das vielmehr anfangslos ist nie enden wird, verträgt es sich dann eigentlich damit, zu sagen, Jesus von Nazareth ist dieser Gott oder handelt es sich nicht etwa um eine Kategorienverwechselung, wenn Gott Sohn, der durch das ewige und allmächtige Wort die Welt erschafft, mit Jesus von Nazareth gleichgesetzt wird? Laufe ich nicht Gefahr, die menschliche Seite, von der sich dieser Gott auf unserer Welt gezeigt hat, mehr anzubeten als seine wahre göttliche Natur; zumal es ja auch heißt, man solle sich von Gott kein Bild machen? Und noch eine andere, etwas provokative Frage: Kann sich Gott Sohn als das transzendente „Wort“ überhaupt in Menschengestalt zeigen? Ich meine, dass Begriffe, die auf Gott zutreffen, wie Wahrheit, Ewigkeit und Liebe sich doch eigentlich gar nicht als eine einzelne Menschengestalt zeigen kann, denn jeder Mensch ist ausschließlich, das heißt, er muss die Gesamtwirklichkeit aufgrund seiner Menschennatur ausschließen. Das leuchtet doch sofort ein, denn der Mensch an und für sich kann gar nicht in die Zeit treten; er kann es nur entweder als Mann oder als Frau, klein oder groß, dick oder dünn, farbig oder weiß etc… „Den“ Menschen als Oberbegriff der Menschenwirklichkeit hat noch keiner gesehen, weil er immer nur die Vervielfältigung des Menschen in unzähligen verschiedenen Variationen gesehen hat. Und wenn sich Gott nun als Mensch zeigt, dann kann er sich erstens nicht als Mensch „an und für sich“ zeigen, weil er ja ausschließlich ist und nur ganz bestimmte Eigenschaften des Menschendaseins annehmen kann und dann kann er sich erst recht nicht als Gott zeigen, denn dieser gäbe kein Bild von sich her, da er ja allumfassend und vollkommen ist. Außerdem, wie kann der, der die Welt erschaffen hat, plötzlich mitten im Geschaffenen sein? Muss er nicht notwendigerweiße außerhalb des Geschaffenen sein?
Viele Grüße,
Wolfgang Fazio

