Eos und göttliche Dämpfe
Hi Bettina
- Warum hatten die „alten“ Griechen kein Wort für die
Abendröte?
Obs ein Wort dafür gibt, weiß ich im Augenblick nicht (finds morgen heraus). Mythologisch brauchten sie es nicht, aus folgendem Grund:
Abgesehen davon, daß Eos - die „rosenfingrige“, „gelbgewandete“ Morgenröte - junge Sterbliche mit love affairs traktiert, ist sie mit Astraios (dem Morgenwind, aber „aster“ heißt „Stern“) „verheiratet“, was dazu führt, daß sie zur Mutter des Morgensterns wird (der ja mit dem Abendstern identisch ist) - Venus ist die griechische Aphrodite.
Eos (Tochter der zwei Titanen Hyperion und Theia) fährt (so die Erzählung bei Homer) mit einem von Pferden gezogenen Wagen zum Olymp (Sitz der Götter) hoch, um dort das Kommen ihres „Bruders“ Helios (die Sonne) anzukündigen. Wenn Helios kommt, wird Eos in Hemera (der Tag) verwandelt und begleitet ihn, bis sie zu Hespera (der Abend) wird.
Eos ist also selbst dreigestaltig und impliziert den gesamten Tageslauf.
- Warum wurde Adonis mit der Morgenröte in Zusammenhang
gebracht?
Da ist weit und breit kein Zusammenhang zu sehen!
Adonis ist ein Import aus Altsyrien, wo er Tammuz heißt („adon“ heißt auf phönizisch „Herr“). Tammuz bildet mit Ishtar ein Götterpärchen (so wie Adonis mit Kybele), das einen Kult bildet. Tammuz ist der Gott des Brotes (! - eines der Kultzentren war übrigens Bethlehem) und Ishtar Göttin der Liebe. Tammuz stirbt jeweils im Herbst eines grausamen Foltertodes und wird im Frühling vom Tod erweckt durch Ishtar - und dann wird Götterhochzeit (Hierogamie) gemacht.
- Wenn „eos“ etwas Göttliches zum Ausdruck brachte (?) hängen
dann „eos“ und „theos“ vom Wortstamm her zusammen???
Eos ist von der indischen „blutfingrigen“ Muttergöttin Ushas abgeleitet, auch vom Wort her ist eos etymologisch verwandt mit ushas - übrigens auch mit der lateinischen aurora.
εως schreibt sich mit dem Buchstaben o-mega, θε&omikron;ς mit o-mikron. Die Wörter sind nicht verwandt. Außerdem ist Eos (bei den Griechen) keine Göttin, sondern (siehe oben) eine Titanentochter. Die Titaten aber sind Kinder (so berichtet die Theogonie des Hesiod) der Götter Gaia (Erde) und Ouranos (Himmel). Die Titanen wurden aber ebenfalls nicht als Götter aufgefaßt.
- Woher kommt der Begriff „theos“?
Die Etymologie von theos ist religionshistorisch sehr aufschlußreich.
Zunächst: eine Verwandtschaft mit dem lat. „deus“, das ähnlich klingt, besteht nicht. „deus“ ist vielmehr verwandt mit altindisch/altiranisch „deva“, was ebenfalls „heilig“ bzw. „göttlich“ heißt, beides führt aber auf die Bedeutung „Licht“ zurück. Mit deus und deva verwandt ist der griech. Zeus (der Genitiv „Dios“ läßt das noch erkennen), der ebenfalls Lichtgott ist.
Aus einer indogermanischen Ursilbe dhues, dheus, dhus leitet sich nun Folgendes ab:
griech. thyo = stürmen, rauchen, opfern und ebenfalls auch mit der Bedeutung rasen - daraus thya = Bakchantin und thy-terios = Beiname von Bakchus (dem Gott, zu dem ein Raserei-Kult gehört).
Ferner thymos = Zorn, Wut (von dem die Thymusdrüse ihren Namen hat. Auch der „En-thusiasmus“ kommt daher).
Abgesehen davon, daß lat. furo = rasen, wüten das bestätigt, gibt es noch griech. theeion = Schwefeldanmpf. Und thes-phatos = „von Gott gesprochen“ und thespis „göttlich“ (siehe Thespiskarren und Theater) weist dann auf theos = Gott hin, und gleichzeitg, in welchem Zusammenhang das Wort ursprünglich stand: es gibt außer dem Gebrauch von Schwefeldämpfen (im Schwefeldampf machte die Pythia in Delphi ihre Orakel), gibt es deutliche Hinweise, daß in Griechenland auch u.a. rauscherzeugende Pilze für „gottesdienstliche“ Zwecke verwendet wurden und auch anderes Räucherbares und Dampfartiges un Inhalierbares, und im Bakchus-Kult kam die teilweise sehr blutrünstige kultische Raserei auch keineswegs allein vom Wein…
Daß zu dem Bedeutungshintergrund des Wortes theos = Gott und theios = göttlich jede Art von rauschhaftem, duseligem oder rasereiartigem Zustand gehört zeigen auch noch besonders Wörter aus unserem eigenen Sprachraum:
mhd (mittelhochdeutsch) twas, dwas = Tor, Narr - getwas = Gespenst, Geist - angesächsich dysig = albern - engl. dizzy = schwindelig - mhd dusich = betäubt und tunst = Dunst
Auch gotisch dius = „wildes Tier“ (und andere germanischen Sprachen haben noch dyr, tior, deor für "wild, heftig und „wildes Tier“) ist damit verwandt.
Und daß andere damit verwandte Wörter aus dem indogermanischen Sprachraum existier(t)en, die weiter im Kontext, von atmen, hauchen stehen und auch solche, die Folgzustände von Inhaliertem beschreiben („Dampf“, „Dunst“, „duselig“, „diesig“, „dumpf“, „tumb“, „dumm“), deutet darauf hin, da eben der theos aus demselbem Kontext stammt, daß nicht nur ein theos ursprünglich selbst ein dunstiges Etwas war, sondern daß vielmehr der dazugehörige Kult mit einem Zustand assoziiert war, der irgendwo zwischen „dumpf, beduselt“ und „rasend, wild“ und „be-geistert, enthusiastisch“ beschrieben werden muß.
Ganz witzig in diesem Zusammenhang, daß in den 60ern und 70ern der Zustand nach Cannabis-Gebrauch einerseits mit „stoned“ bezeichnet wurde und andererseits auch mit „im Dampf sein“.
zwinkernde Grüße
Metapher