Grad der Behinderung

Hallo zusammen,

mir sträuben sich immer die Haare, wenn von Menschen gesagt wird  „er ist zu 80% (beliebige Zahl unter 100) schwerbehindert“.

Schon weil ich mich dann frage: Was würde 100% schwerbehindert heißen? Tot? Scheintot?
Im Gesetz ist ja die Rede vom Grad der Behinderung, vielleicht auch nicht glücklich formuliert, aber doch besser als eine Prozentangabe.

Geht es euch auch so, oder übertreibe ich?

mir sträuben sich immer die Haare, wenn von Menschen gesagt wird  „er ist zu 80% (beliebige Zahl unter 100) schwerbehindert“.
Schon weil ich mich dann frage: Was würde 100% schwerbehindert heißen? Tot? Scheintot?

Ein Blick in die nächstliegende aller Quellen, Wikipedia, hätte folgende Information zu Tage gefördert (Hervorhebung von mir):

»Der Grad der Behinderung beginnt bei 20 und reicht in Zehnerschritten bis 100. Dabei handelt es sich nicht um Prozentangaben, wie oft irrtümlich angenommen. Je höher der Wert, desto umfangreicher sind die Beeinträchtigungen.«

Mit anderen Worten: Es ist sicher so, dass die Angaben zum Grad der Behinderung bisweilen als Prozentangaben missverstanden und als solche falsch wiedergegeben werden, aber das ist nicht, wie die Skala konzipiert und gedacht ist. Demnach erübrigt sich auch die Frage, ob jemand der einen Behinderungsgrad von 100 hat, tot oder scheintot ist.

Gruß
Christopher

Servus,

die Zahlen drücken nicht eine Minderung der Lebendigkeit aus, sondern eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Das obere Ende der Skala 100 bedeutet „keinerlei Erwerbsfähigkeit“ (1 - 1 = 0). Insofern können die Zahlen selbstverständlich in Prozent gelesen werden, bloß man darf ihnen halt keine Aussage unterstellen, die sie nicht haben.

Schöne Grüße

MM

die Zahlen drücken nicht eine Minderung der Lebendigkeit aus, sondern eine Minderung
der Erwerbsfähigkeit. Das obere Ende der Skala 100 bedeutet „keinerlei Erwerbsfähigkeit“ (1 - 1 = 0).

Nein. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist nicht dasselbe wie der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bzw. der Grad der Behinderung (GdB). Auch das verrät bereits der Blick in die nächstliegende aller Quellen, Wikipedia (oder in eine der anderen). Dort steht (Hervorhebung von mir):

»Hervorgegangen ist dieser Begriff [Grad der Behinderung; C.] aus der ursprünglichen Bezeichnung „MdE – (Grad der) Minderung der Erwerbsfähigkeit“ […]. Die abweichende Bezeichnung wurde eingeführt, um ausdrücklich klarzustellen, dass nicht (isoliert) eine Leistungsbeeinträchtigung im Erwerbsleben, sondern eine Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen berücksichtigt wird.«

Und im Artikel zum Grad der Schädigungsfolgen:

»Der GdB ist im Gegensatz zum GdS nicht auf einen bestimmten Schaden ursächlich, also kausal bezogen, sondern er bezieht sich auf Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und soll „final“ den Zugang zu diesbezüglichen Ausgleichen eröffnen.«

Aus diesem Grund ist auch das hier nicht richtig:

Insofern können die Zahlen selbstverständlich in Prozent gelesen werden,
bloß man darf ihnen halt keine Aussage unterstellen, die sie nicht haben.

Ein GdB von 100 bedeutet nicht, dass jemand in einem Lebensbereich oder mehreren zu 100% eingeschränkt ist, also gar nichts mehr machen kann. Derjenige ist auch nicht zwangsläufig zu 100% erwerbsunfähig. Er ist vielmehr auf eine Weise betroffen, die nach dem aktuellen System als ›100‹ klassifiziert wird. Damit ist jemand mit einem GdB von 100 in bestimmter Hinsicht zwar stark eingeschränkt, aber die falsche Interpretation als Prozentzahl wird damit nicht richtiger. Man sollte nicht noch Wasser auf die Mühlen dieses weit verbreiteten Irrtums gießen.

Gruß
Christopher

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Immer wieder ein schönerer Name für das Kind
Hallo Christopher,

interessant finde ich dabei, dass die Zahlenwerte für MdE (Prozent) und GdB (dimensionslos) so sehr ähneln, dass man sie mit ein und derselben Tabelle erläutern kann: http://landingpages.wolterskluwer.de/media/landingpa…

Schöne Grüße

MM

Hallo,

hier ist das recht gut erklärt.

http://www.vdk.de/deutschland/pages/themen/behinderu…

Der Grad einer Schwerbehinderung versucht lediglich zu katalogisieren, was natürlich nicht immer dem Fall entsprechen kann und es auch nicht tut. Das ist eben ein Amt…

Hier eine Auflistung der entsprechenden Merkmale:

http://landingpages.wolterskluwer.de/media/landingpa…

Die Feststellung einer Schwerbehinderung muss nicht unbedingt eine Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit haben, hat aber erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Hoffe nur, dass Du nie in eine solche Situation kommst…

Gruß

Hallo,

klasse Antworten, vor allem so kompetent und zielgerichtet, denn mit Erwerbsminderung hat das wirklich nur am Rande zu tun (mein Vater wurde mit 78 schwerbehindert, da spielte das nun keine Rolle mehr).

Ich denke nach wie vor, Du übertreibst, denn irgend eine Meßlatte muss es ja geben. Ob diese richtig ist, ist natürlich diskutabel

Um Deinen Sprachgebrauch zu pflegen, ja mit 100 % kann man scheintod sein, aber auch zum Beispiel völlig blind. Man kann aber auch eine Krankheit haben, von der Du spontan überhaupt nichts merkst. Ist man dann schon scheintod?

Auch dazu ein praktisches Beispiel: Bei schwerer Epilepsie bist Du 100 % schwerbehindert, man merkt es aber als Externer nicht, bis es passiert.
Fällt der nur alle paar Wochen um, dann bekommst Du halt weniger.
Die Zahl nutzt Dir nichts.

Warum dann die Einstufung? Das ist halt unser Staat. Es ist Dir als Betroffener relativ egal, ob Du mit 20, 50, 70 oder 100 Prozent umfällst, um bei dem Beispiel zu bleiben.

Du hast auch von der Einstufung nichts (im wesentlichen, ausser arbeitsrechtlich und dem Parkplatz und…viel später bei der Pflege), solange es nicht sogenannte Merkzeichen gibt. Dann kannst Du (regional verschieden) möglicherweise kostenlos Bahnfahren oder, wenn Du blind bist ohne Fernsehgebühren kucken, was Du nicht siehst.

Natürlich grenzt das an Perversität, aber gibt es eine Alternative?#

Und natürlich nervt es, so etwas ständig zu hören, das kann ich verstehen. Aber so mancher hat keinen Lebensinhalt mehr, das ist es etwas, an was man sich klammern kann.

An was klammert man sich, wenn man nicht mehr gehen kann, oder blind ist (ich nehme plastische Beispiele).

Wir machen das genau so auch, also denk nach, das jammern bei einer Grippe ist die Vorstufe.

Noch ein kurzer Exkurs zum Zusammenhang zur Erwerbsunfähigkeit:

Das eine hat mit dem anderen nur am Rande zu tun, was man schon daran sehen kann, dass die entscheidenden Stellen völlig verschieden sind, aber auch das Verfahren.

Die Schwerbehindertenfeststellung ist ein Verwaltungsakt aufgrund externer Informationen (Deine Ärzte), Erwerbsunfähigkeit wird über die Deutsche Rentenversicherung festgestellt, die eigene Gutachter beauftragt.

Hab Verständnis, auch wenn das schwer fällt und denk darüber nach, wo wir fast alle landen werden.

Denn wenn Du dann den Menschen auf die Nerven gehst, dann wird Dir das nicht gut tun.
Und dann bist Du um Verständnis froh.

Eines vielleicht noch, um die Linie gerade zu rücken:

Man ist leicht versucht zu sagen, das belastet mich, die alten Säcke, aber genau die haben aus uns gemacht, was wir sind…

Gruß

Richtigstellung
hallo zusammen,

vielleicht hatte ich mich unklar ausgedrückt.
Ich wollte niemanden diskriminieren, der einen GdB hat. Auch nach der Bedeutung des GDB hatte ich nicht gefragt, die kenne ich.

Es ging mir um eine rein spachliche Frage:
Ich finde es spachlogisch falsch, den Grad der Behinderung in Prozent anzugeben.
Denn zu 100% zu sein, würde rein spachlogisch bedeuten, dass man nichts kann. Was aber regelmäßig nicht der Fall ist.

Zu 100% erwerbsgemindert kann man natürlich sein.

Aus diesem Grund habe ich die Frage im Spachenbrett gestellt, nicht im Brett „Behinderungen“.

Hallo ,

Der Grad der Behinderung beginnt bei 20 und reicht in Zehnerschritten bis 100. Dabei handelt es sich nicht um Prozentangaben. Je höher der Wert, desto umfangreicher sind die Beeinträchtigungen.

Es handelt sich ja ausdrücklich eben nicht um Prozentangaben, sondern um eine Tabelle mit Werten zwischen 20 und 100. Bei 100 ist eben gemäß Definition Schluß. Im Schwerbehindertenausweis steht dann ein freundliches „Grad der Behinderung: 100“.

„Der GdB kann - ebenso wie der GdS - zwischen 20 und 100 variieren. Er wird in 10er-Schritten gestaffelt. Irrtümlich wird der GdB oft in Prozent angegeben, also zum Beispiel „Ich habe einen GdB von 50 Prozent“. Dies ist aber falsch, es wird schlicht gesagt „Ich habe einen GdB von 50“.“

Quelle: http://www.vdk.de/deutschland/pages/themen/behinderu…

Einen Fehler im System kann ich nicht erkennen.

Grüße
fribbe

P.S.:

Die Erwerbsminderung (MdE) wurde seit 2009 im übrigen durch den GdS (Grad der Schädigungsfolgen) ersetzt.

Hi Fribbe,

danke für deine ausführliche Antwort. Ich scheine mich wirklich undeutlich auszudrücken.
Ich WEIß, was GdB bedeutet. Ich habe lediglich in einem SPRACHforum gefragt, ob ich die einzige bin, die es als spachlogisch falsch empfindet, hier von Prozent zu sprechen.

Offiziell heißt es ja auch nicht Prozent.
Mag sein, dass ich hier übertrieben korinthenkackerisch rangehe… in diesem Forum geht es aber doch oft um sprachliche Feinheiten. Nur darum geht es auch mir.
Gute Nacht wünscht bixie

Moin,

Ich finde es spachlogisch falsch, den Grad der Behinderung in
Prozent anzugeben.

es gibt keine Sprachlogik. Sprache ist immer das, was die Mehrheit darunter verstehen will bzw. bei Fachsprachen das, was die Spezialisten mal festgelegt haben. Und selbst das kann aus dem Ruder laufen, wenn das eigensinnige Volk nicht so will wie die Spezialisten.

Gruß Ralf

Hi,

und Du hörst nicht richtig zu, alles Wichtige wurde schon gesagt :smile:

Der GdB ist nicht in Prozent angegeben. Die Umgangssprache sagt es nur so, weil eben das Maximum da 100 sind, und je höher die Zahl, desto kränker.
Ob umgangsprache nun „richtig“ ist, ist ein langwiergies Thema, aber grundsätzlich: Sprache ist basisdemokratisch, und wenn es genung Leute verwenden und verstehen, dann ist es eben richtig. Streite dich mal mit einem Bayern, ob es nun die Butter oder der Butter heißt. Und dass man eigentlich nicht sagen kann „Der Mann, wo da an der Ecke steht“.

die Franzi

HI, Franzi,

Und dass man eigentlich nicht sagen kann „Der Mann, wo da an der Ecke steht“.

wohl wahr, das muss heißen „Der Mann, der wo da an der Ecke steht“.

Gruß Ralf