Guten Tag,
"Erst als er es ihm im Duden zeigte, war er davon überzeugt, dass „Sauerstoffflasche“ mit drei „f“
a) geschrieben wurde."
b) geschrieben wird."
c) zu schreiben sei."
Was ist davon grammatikalisch richtig und welche Regel ist dabei zu beachten?
Spielt es dabei eine Rolle, ob dieses Ereignis erst kürzlich stattfand oder schon länger zurück liegt und ob diese Rechtschreibung heute noch gilt oder nicht.
Gruß
Pontius
Hallo,
ich versuche mal eine Antwort auf diesem schwammigen Gebiet. Zunächst: Der erste Nebensatz, „Erst als … zeigte“ (oder: „gezeigt hatte“), ist für die Zeitform im zweiten Nebensatz irrelevant. Wir können den Satz also schon einmal vereinfachen zu:
Er war davon überzeugt, dass „Sauerstoffflasche“ mit drei „f“ …
Wir haben also einen Hauptsatz im Präteritum (Er war davon überzeugt) und einen Nebensatz (dass …). Wenn man „überzeugt sein von etwas“ als Verb des Denkens ansehen kann (womit ich mir nicht zu 100% sicher bin, was ich aber im Folgenden trotzdem tun werde), kann man sich an dem orientieren, was etwa in der Duden-Grammatik (7. Aufl. 2006) unter „Consecutio Temporum“ (Zeitenfolge) zu finden ist:
i) In abhängigen Sätzen nach solchen Verben des Denkens können indikativische Tempora verwendet werden.
ii) Das Tempus im Nebensatz muss sich nicht am Tempus des Hauptsatzes orientieren, sondern kann sich am „tatsächlichen“ Zeitgeschehen der Handlung/des Vorgangs im Nebensatz orientieren (sog. „Figurenperspektive“). Das wäre „‚Sauerstoffflasche‘ wird mit drei ‚f‘ geschrieben“, also stünde der Nebensatz im (Indikativ) Präsens:
dass „Sauerstoffflasche“ mit drei „f“ wird. (Ist also korrekt.)
iii) Das Tempus im Nebensatz kann sich aber am Tempus des Hauptsatzes orientieren, der sog. „Erzählerperspektive“. Dann steht der Nebensatz hier im (Indikativ) Präteritum:
dass „Sauerstoffflasche“ mit drei „f“ wurde. (Ist also auch korrekt.)
iv) Im letzten Satz mit „zu schreiben sei“ liegt eine andere Verbkonstruktion vor. Aus dem, was wir bis jetzt (i-iii) wissen, können wir schließen, dass man auch „dass ‚Sauerstoffflasche‘ mit drei ‚f‘ zu schreiben ist/war“ sagen könnte (Indikativ).
Was nun den Konjunktiv angeht, so kann dieser nach Verben des Denkens ebenfalls stehen, aber nur im Tempus der „Figurenperspektive“, hier also nur im Präsens. Für unseren konkreten Fall schränkt die Duden-Grammatik außerdem ein: Wenn keine indirekte Rede- oder Gedankenwiedergabe vorliegt, sondern die Wiedergabe einer Behauptung, Vermutung oder Einstellung, dann kann der Konjunktiv NICHT stehen. Da man bei „überzeugt sein“ m.E. schlecht von einer indirekten Gedankenwiedergabe sprechen kann, trifft das hier wohl zu. Und dann ist „dass ‚Sauerstoffflasche‘ mit drei ‚f‘ zu schreiben sei“ falsch.
Die Antwort hängt im letzten Fall also an der Betrachtung von „überzeugt sein“.
Für all dies ist es aber egal, ob die Handlung schon länger her ist oder nicht; und von der Rechtschreibung ist diese grammatische Frage ganz unabhängig.
Viele Grüße
Michael
Hallo, Michael!
Wahrscheinlich ist sogar die letzte Variante zulässig. Es kann mich niemand daran hindern, den Satz auf der Ebene indirekter Rede zu verstehen, die typischerweise in gepflegtem Deutsch den Konjunktiv nach sich zieht - den Konjunktiv I (hier „sei“) wohlgemerkt.
Deine Erklärung gefällt mir gut und sie ist sprachwissenschaftlich hieb- und stichfest. Überdies - du sagtest es - ein sehr schwammiges Gebiet.
Die Konstruktion mit „wäre“ (Konjunktiv II), die der Themensteller nicht anspricht, wäre wohl tatsächlich falsch, da einen nicht gegebenen Irrealis implizierend. In der Umgangssprache hätte aber heute (leider) auch mit dieser Konstruktion wohl kaum jemand Probleme.
Gruß, Wolfgang Zimmermann
Hallo Michael,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort.
Ich hatte gedacht, die Duden-Redaktion wäre da kleinlicher. 
Zunächst: Der erste Nebensatz, „Erst als … zeigte“ (oder:
„gezeigt hatte“),
Richtig, ist ja Plusquamperfekt. Habe ich auch hier wirklich die Wahl oder ist das nur deiner Großzügigkeit geschuldet?
Zumindest im Englischen wäre doch hier past perfect Pflicht, oder?
Gruß
Pontius
Hallo Pontius,
Richtig, ist ja Plusquamperfekt. Habe ich auch hier wirklich die Wahl oder ist das nur deiner Großzügigkeit geschuldet?
Zumindest im Englischen wäre doch hier past perfect Pflicht, oder?
meines Erachtens legt das Präteritum hier eher eine gleichzeitige Lesart nahe, das Plusquamperfekt eine vorzeitige. Da der Satz wohl vorzeitig zu verstehen ist („Erst nachdem er es ihm im Duden zeigte, …“), würde ich den Plusquamperfekt empfehlen. Aber man kann den Satz wahrscheinlich auch gleichzeitig verstehen, und dann ist das Präteritum auch ok. Schon wieder so eine Interpretationssache, wie so oft in der Sprache …
Viele Grüße
Michael