Gravitationsschleuder

Hallo,

den Begriff Gravitationsschleuder habe ich schon oft gehört im Zusammengang mit der Beschleunigung von Sonden. Damit eine Sonde auf dem Weg zum Jupiter ordentlich Schwung bekommt, plant man die Flugbahn so, daß sie an der Sonne vorbeiführt und von ihrer Schwerkraft beschleunigt wird.

Kann mir jemand erklären, warum das funktionieren soll? Wenn sich die Sonde nach einem Teilumlauf (zB. um die Sonne) wieder von der Graviationsquelle wegbewegt, wird sie doch wieder gebremst. Sollten sich die positive und negative Beschleunigung (bei Darauf-zu- und Davon-weg-fliegen) nicht genau ausgleichen?

Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch und brauche nur einen kleinen Schubs. Oder bin ich einer falschen „populärwissenschaftlichen“ Darstellung in den Medien erlegen?

Danke schonmal für Eure Hilfe sagt

Jochen

Auch hallo.

Mangels Formeln muss ich das jetzt leider etwas allgemeiner versuchen zu erklären:
wer im Weltall ein Objekt bewegen will muss nur dessen Trägheit überwinden. Solange kein Widerstand vorhanden ist wird sich dieses dann mit konstanter Geschwindigkeit in die gegebene Richtung bewegen.
***bitte übersehen, da redundant***Bei der Annäherung an die Sonne kommt also die Masse der Sonne als Faktor ins Spiel und wirkt auf die Sonde dementsprechend ‚anziehend‘. Mit der Folge, dass die Sonde beschleunigt und in eine andere Richtung abgelenkt wird. Da die Fliehkraft der Sonde aber höher ist als die Anziehungskraft der Sonne kann erstere aus der Umlaufbahn der Sonne entkommen und dann mit höherer Geeschwindigkeit als vorher weiterfliegen. Was mangels Bremsmöglichkeiten ***ab hier weiterlesen***

Rein naiv betrachtet kommt es durch die Masse der Sonne durchaus zu einem Bremseffekt, der aber geringer ausfällt als die Fliehkraft des Flugobjekts. Z.B. kann man auf der Erde ja auch in die Höhe springen und klebt nicht am Boden.

HTH
mfg M.L.

Hallo,

da hast Du „im Prinzip“ schon recht. Eine Sonde wird bei der Annäherung beschleunigt, und bei der Wegbewegung wieder genauso stark verlangsamt.

Aber: Das gilt „aus der Sicht“ des Planeten. Der Planet, z.B. Jupiter, hat jedoch eine Eigenbewegung. Von dieser klaut man sich ein Stück. Das ist, wie wenn ein Gummiball von einem fahrenden Zug zurückfedert. So funktionieren auch die Swing-By-Manöver.

Gruß
Moriarty

Das ging ja schnell… :sunglasses:

Danke erstmal, aber leider verstehe ich das immer noch nicht.

Aber: Das gilt „aus der Sicht“ des Planeten. Der Planet, z.B.
Jupiter, hat jedoch eine Eigenbewegung. Von dieser klaut man
sich ein Stück.

Holt sich der Planet beim Entfernen der Sonde genau dieses Stück Eigenbewegung nicht wieder zurück?

Das ist, wie wenn ein Gummiball von einem
fahrenden Zug zurückfedert.

Hmm, hier sind Ball und Zug aber durch die Schwerkraft mit einer Art „Gummiseil“ verbunden (das allerdings umso schwächer zieht, je mehr man es dehnt).Fliegt der Ball aus einer Ausgangslage mit einem Impuls gegen den Zug, wird er in Fahrtrichtung des Zuges beschleunigt. … ratter ratter …

Ähm, kann es sein, dass der Trick dabei liegt, dass die Sonde den Planeten „von hinten“ anfliegt, also mit geringer Relativgeschwindigkeit und der Planet dadurch lange Zeit hat, die Sonde zu beschleunigen, und dass die Sonde, nachdem die „vor“ dem Planeten vorbeigeschleudert wurde, mit höherer Relativgeschwindigkeit vom Planet wegbewegt, wodurch dieser weniger Zeit hat, die Sonde abzubremsen?

Ist das so? Kann man das mehr oder weniger einfach ausrechnen (-> wie stehen die Integrale der Relativgeschwindigkeiten über der Anflug- und Abflugphase zueinander)?

So funktionieren auch die
Swing-By-Manöver.

Wobei?

Grüße,
Jochen

Hallo Jochen,

Sollten sich die positive und negative
Beschleunigung (bei Darauf-zu- und Davon-weg-fliegen) nicht
genau ausgleichen?

das täte es, wenn der Planet still stünde (bezogen auf die Sonde).
Da sich der Planet aber nach dem swingby von der Sonde wegbewegt, wird dessen Gravitationswirkung entsprechend kleiner (=Bremswirkung). Die Different ‚gewinnt‘ die Sonde.

Gandalf

Hallo,

Kann mir jemand erklären, warum das funktionieren soll? Wenn
sich die Sonde nach einem Teilumlauf (zB. um die Sonne) wieder
von der Graviationsquelle wegbewegt, wird sie doch wieder
gebremst. Sollten sich die positive und negative
Beschleunigung (bei Darauf-zu- und Davon-weg-fliegen) nicht
genau ausgleichen?

Stände der Planet still, dann ja. Aber du vergisst, dass sich der
Planet in der Zwischenzeit weiter bewegt hat. Beim Wegfliegen der
Sonde ist der Planet also weiter von der Sonde entfernt, als beim
Hinfliegen. Daher ist die Gravitationskraft (und damit die bremsende
Kraft) beim Wegfliegen geringer, und diese Differenz führt insgesamt
dazu, dass die Sonde beschleunigt wird. Sie „klaut“ sich sozusagen
Impuls vom Planeten.

 Planetenbahn Planetnbahn
 \_\_ \_\_ 
 |\ |\ 
 \ \ 
 \ \ 
 \ \ 
 \ \,..,
 \ /\*\*\*\*\
 \ |Planet|
 \ \*\*\*\*/ 
 \ \_\_ `'-` \_\_
 ,.., /| , /|
 /\*\*\*\*\ / | | / |
 |Planet| . , . 
 \*\*\*\*/ . | . 
 `'-` ' | \*\*\* 
 \ ` \ \* S \* 
 | ` | \*\*\* 
 | , ` | , ` 
 \*\*\* \_ -' \_ -' 
 - - -\* S \* | - - - - ' | 
 \*\*\* | | 
 \ \
 Sonde Sonde
 im Hinflug im Wegflug

Wie du hier auf dieser „Grafik“ siehst, bewegt sich der Planet weiter,
während die Sonde an ihm vorbeifliegt. Dabei hat sie beim Wegflug
einen größeren Abstand zum Planeten:

mfg
deconstruct

Gruß
Jochen

Vektoraddition
Hallo,

der Effekt kann durch eine einfache Transformation der Hyperbelbahn der Sonde um den Planten in das Bezugsystem der Sonne erklärt werden.
(v -> v + v_planet)

Leider ohne Zeichnung:

Das Mamöver muss so eingeleitet werden, dass aus der Sicht des Planeten die Bahn so ist, dass die Geschwindigkeiten der Sonde im Anflug v_sonde und beim Verlassen v’_sonde nahezu senkrecht zu einander sind. Da der Vorgang symmetrisch ist, sind auch die Berräge gleich (wie du schon richtig vermutet hast).
Nun steht der Planet nicht sill, sondern bewegt sich zusätzlich noch mit v_planet um die Sonne, nehmen wir an, v_planet sei parallel zu v’_sonde beim Verlassen des Planetn. Um das Manöver im Bezugssystem der Sonne zu erhalen, muss man nun jeweils v_planet zu v_sonde bzw. v’_sonde dazu addieren. Da aber v_planet senkrecht zu v_sonde, aber parallel zu v’_sonde stehen, ist der Bertrag der Vektorsumme im zweiten Fall viel größer als im ersten.
Die Geschwindigket der Sonde ist also aus der Sicht des Sonnensystems (und darauf kommt es an) beim Verlassen des Planten größer als im Anflug und das erklärt den Swing-by-Effekt: Der Planet zieht förmlich die Sonde in eine neue Bahn und gibt im dabei Schwung mit.

Gruß
Oliver

Hi.
im

Wie du hier auf dieser „Grafik“ siehst, bewegt sich der Planet
weiter,
während die Sonde an ihm vorbeifliegt. Dabei hat sie beim
Wegflug
einen größeren Abstand zum Planeten:

Der Abstand muss in beiden Fällen gleich sein, weil das Manöver aus der Sicht des Planeten symmetrisch ist.

Gruß
Oliver

Hallo,

Der Abstand muss in beiden Fällen gleich sein, weil das
Manöver aus der Sicht des Planeten symmetrisch ist.

Versteh ich nicht. Der Planet bewegt sich ja. Bliebe der Abstand Planet-Sonde gleich, dann muss der Planet ja exakt der Bewegung des Planeten folgen. Dies ist aber doch wohl kaum so, da die Sonde ja auch einen Impuls mitbringt. Oder wie meinst du das?

mfg
deconstruct

Hallo,

Der Planet bewegt sich ja. Bliebe der
Abstand Planet-Sonde gleich, dann muss der Planet ja exakt der
Bewegung des Planeten folgen. Dies ist aber doch wohl kaum so,
da die Sonde ja auch einen Impuls mitbringt. Oder wie meinst
du das?

Ich meine folgendes:
Aus der Sicht des Planeten ist die Bahn der Sonde ja eine symmetrische Hyperbel um den Planeten, d.h. wenn man den Zeitpunkt mit dem minimalsten Abstand als t=0 setzt, so ist der Abstand Sonde-Planet zu den Zeiten t und -t gleich. Wenn man schließlich die Bahn zurück ins Bezugsystem der Sonne transformiert, ändert sich an dieser Tatsache natürlich nichts.

Der Swing-by-Effekt „entsteht“ erst nach der Transformation: denn erst wenn man zu der Geschwindigkeit v_sonde und v’_sonde die Geschwindigkeit v_planet dazuaddiert, ergibt sich, dass die Resultierende aufgrund der unterschiedlichen Richtungen von v_sonde und v’_sonde unterschiedliche Beträge hat.

Siehe auch das Analogogen „Ball gegen LKW“ im Thread weiter oben.

Gruß
Oliver

Ball gegen LKW
Hallo nochmal.

Mir ist eben auf der Heimfahrt noch ein schönes Analogon eingefallen:
Stell dir vor, du wirfst einen Ball mit 50 km/h gegen einen LKW, der mit 50 km/h auf dich zufährt. Der LKW-FAhrer sieht dann einen Ball mit 100 km/h auf sich zukommen, dieser prallt elastisch an der Windschutztscheibe ab und fliegt dann wieder mit 100 km/h zurück.
Aus deiner Sicht siehst du nun aber einen Ball mit 150 km/h auf dich zukommen, der Ball hat also aus deiner Sicht Energie erhalten! Der Energiezuwachs ergibt sich also erst, wenn du den Stoß in ein anderes Bezugssystem transformierst.

So ähnlich ist es beim Swing-by: aus der Sicht des Planeten passiert nichts ungewöhnliches, erst im System der Sonne ergibt sich ein Energiezuwachs.

Gruß
Oliver

Herzlichen Dank! Die Analogie ist gut! Und soooo einfach…!

LG
Jochen

Tennisschläger
Hallo nochmal,

hoffentlich nervt es dich nicht schon langsam, aber mir ist eben (wieder auf der Heimfahrt) noch ein besseres Analogon eingefallen: Stell dir vor, du befindest dich im Weltraum und um dich herum kreisen schwere Tennisschläger und du möchtest einen Tennisball nach außen bringen. Dann hast du zwei Möglichkeiten:

  1. Du wirfst den Ball selbst oder falls du sehr schwach bist:
  2. Du wirfst den Ball so, dass er von einen der Tennisschläger getroffen und so nach außen katapultiert wird.

Und beim Swing-by passiert genau das selbe, denn ob der Impulsaustausch jetzt über einen Stoß oder über eine Streuung im Gravitationspotenzial erfolgt, ist ja aus physikalischer Sicht egal.

So, jetzt dürfte es aber wirklich klar sein.

Gruß
Oliver

Hallo nochmal,

hoffentlich nervt es dich nicht schon langsam, aber mir ist
eben (wieder auf der Heimfahrt) noch ein besseres Analogon
eingefallen:

Aber mitnichten. Dank sei Dir dafür! Nettes Beispiel!

Und beim Swing-by passiert genau das selbe, denn ob der
Impulsaustausch jetzt über einen Stoß oder über eine Streuung
im Gravitationspotenzial erfolgt, ist ja aus physikalischer
Sicht egal.

Ist es das? Genau das war ja mein Problem! Übertragen auf die Gravitationseffekte, würden die Tennisschläger die Beschleunigung meines Balls nicht durch den elastischen Stoß erreichen, sondern indem sie die Bälle anziehen. Dann wird durch den Stoß meinetwegen die Richtung geändert, die Bälle bewegen sich von den Schlägern weg, aber diese ziehen die Bälle ja immer noch an, verzögern sie also jetzt. Mein gedankliches Problem lag in der Nichtbachtung der Relativgeschwindigkeiten von Ball und Schläger vor und nach dem „Kontakt“. Durch die Änderung der Flugrichtung ist die Relativgeschwindigkeit vom Ball zum Schläger nach dem Kontakt höher, damit ist die Verzögerungs"arbeit" (nennt man das so?) des Schlägern geringer als die Beschleunigungs"arbeit" davor. Die Energiedifferenz steckt im Impuls des Balles.

So, jetzt dürfte es aber wirklich klar sein.

Jup. Sei denn, ich habe oben was falsch widergegeben…

Danke nochmal!!!

Gruß
Jochen

Hallo.

Durch die Änderung der Flugrichtung ist die
Relativgeschwindigkeit vom Ball zum Schläger nach dem Kontakt
höher, damit ist die Verzögerungs"arbeit" (nennt man das so?)
des Schlägern geringer als die Beschleunigungs"arbeit" davor.
Die Energiedifferenz steckt im Impuls des Balles.

Nein, das hast du leider falsch verstanden.
Bei der Streuung an einem Potenzial oder einem Stoß (was im Grunde das selbe ist) wird schlicht und einfach nur Impuls ausgetauscht, sonst passiert nichts. Ob jetzt dieser Impulsaustausch zu einer Erhöhung oder einer Absenkung der kinetischen Energie führt, hängt entscheident vom Bezugssystem ab.

Nochmal das Beispiel: Ball fliegt mit 50km/h gegen einen LKW, der mit 50km/h auf dich zufährt (alles aus der Sicht der Straße)

1.) Aus der Sicht des LKW: Ball kommt mit 100 km/h und verschwindet mit 100 km/h => keine Energieänderung

2.) aus deiner Sicht: Ball geht mit 50 km/h und kommt mit 150 km/h => Energieerhöhung

3.) aus der Sicht eines Autos, das sich mit 150 km/h auf dich zu bewegt: Ball kommt mit 200 km/h und bleibt dann stehen => Energieverlust

Du siehst also: die Impulsänderung des Balles ist immer gleich, nämlich immer delta_p = m*200km/h. Aber je nach Bezugsystem ergibt sich eine andere Änderung der kinetischen Energie! Das hängt damit zusammen, dass die kin. Energie selbst vom Bezugsystem abhängig ist.

Und nochwas speziell zur Gravitation: Wo, wie und wie lange die Sonde jetzt im einzelnen wie beschleunigt oder abgemremst wird, ist schwer zu sagen, aber: es ist auch völlig unwichtig! Es kommt einzig und allein auf die Nettoänderung des Impulses an! … wie bei den Tennisschlägern.

Gruß
Oliver