Grenzverlauf der Bundesländer

Hallo!

Eine Frage, die mich schon längere Zeit beschäftigt, ist die der Grenzziehung zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
Hier fällt das massive Ungleichgewicht deutlich ins Auge:

Auf der einen Seite wurde Nordrhein-Westfalen mit Infrastruktur und Ballungsgebieten nur so zugeschüttet (Städte mit >200 Ew. fallen nicht weiter auf, Städte mit immerhin noch >100 000 Ew. sind oft nicht einmal mehr überregional bekannt). Die Wirtschaftsleistung ist überproportional hoch oder war es zumindest einmal.
Dagegen scheint Rheinland-Pfalz von Anfang an zur Rückständigkeit verurteilt worden zu sein. Es besteht zu weiten Teilen aus schwach besiedelter Landschaft, größere Städte gibt es kaum, wirklich bedeutende überhaupt nicht, die Wirtschaft konnte sich offensichtlich nie richtig entwickeln (einzig für die Winzer scheint es ein wahres Paradies zu sein).

Die Grenze wurde offensichtlich so gezogen, daß alle größeren Städte/Ballungsräume gerade noch ins Gebiet Nordrhein-Westfalens fallen.
Köln-Bonn und Aachen liegen sehr nahe der Grenze. Mindestens eine dieser Städte bzw. den Ballungsraum Köln-Bonn hätte man angesichts der in Nordrhein-Westfalen im Überfluß vorhandenen Ballungszentren (Ruhrgebiet!) ohne weiteres Rheinland-Pfalz zuschlagen können.

Natürliche Grenzen, wie sie etwa der Rhein nach Osten darstellt, wurden hier offenbar nicht herangezogen.
Historisch bedingt ist der Grenzverlauf auch nicht, allenfalls durch die Einteilung der Besatzungszonen einige Jahre zuvor. Dann aber wäre wieder zu fragen, warum die Zonengrenzen genau so festgelegt wurden. Außerdem wurde bei der Neugründung der Bundesländer auf historische Grenzen oft sowieso kein Bedacht genommen.

Ich habe gegen keines der beiden Länder persönliche Vorbehalte und bin um eine objektive Sicht bemüht. Deshalb erwarte ich auch objektiv gehaltene Antworten, etwaiger fehlgeleiteter Lokalpatriotismus sollte außer Acht gelassen werden.
Wenn ich davon ausgehen kann, daß mein Eindruck der Situation stimmt, stellt sich die Frage:

Wurde dieses Gefälle gewollt erschaffen oder hat es sich nur als ein Nebeneffekt ergeben?

Freundliche Grüße,

R.H.

Hallo

Du hast dir ja die Antwort schon gegeben: Es sind nur die alten Besatzungsgrenzen zwischen britischer und französischer Zone. Klar, dass die Franzosen mehr an Wein als an Stahl und Kohle interessiert waren. :wink:

Historisch sind das Saarland und das ganze Rheinland beiderseits der von dir „monierten“ Grenzziehung Teile der preußischen Rheinprovinz. Andererseits wurden ja Rheinhessen und Rheinpfalz 1945 von Hessen bzw. Bayern abgetrennt und später dem Bundesland RLP zugeschlagen.
(Vermutlich würden darum RLP und Saarland als eines der heterogensten und ahistorischsten Gebilde unter den deutschen Gebietskörperschaften eine Verwaltungsneuordnung des Bundesgebietes nicht überleben.)

Ursprünglich waren in Deutschland ja nur drei Zonen vorgesehen, die französische wurde erst später aus der britischen und amerikanischen herausgeschnitten, da sich Stalin weigerte, „einem Land, das weniger zum alliierten Sieg beigetragen hat als Polen“ mit einer sowjetischen „Gebietsabtretung“ zu einer eigenen Besatzungszone zu verhelfen.

Aber weder Briten noch Amerikaner waren bereit, die Kontrolle über die Industrie- und Bevölkerungszentren aufzugeben. Um so mehr, als man Frankreich - historisch nicht ganz unbegründet - unterstellte, Ambitionen auf den Rhein als französische Ostgrenze zu haben.

Das gleiche Bild wie im Rheinland war ja auch in Baden-Württemberg zu sehen. Auch hier war die ganze wichtige Industrie und der Großteil der Bevölkerung in der amerikanischen Nordhälfte konzentriert. Die Zonengrenze verlief „entlang der Kreisgrenzen südlich der Autobahn Karlsruhe-München“ (heutige A 8), so dass auch diese Verkehrsader unter US-Kontrolle war.

Auch das Land Bremen verdankt seine Existenz allein dem Umstand, dass es als Nachschub-Überseehafen Teil der US-Zone war.

Gruß
smalbop

Hallo,

Historisch bedingt ist der Grenzverlauf auch nicht, allenfalls
durch die Einteilung der Besatzungszonen einige Jahre zuvor.

genau das ist der springende Punkt - das heutige Rheinland-Pfalz war französische Besatzungszone, wie in der Potsdamer Konferenz festgelegt. Und auf dieser Konferenz hatte Frankreich nichts mitzureden; dass die kein Filetstück bekamen, sollte nicht verwundern.

Rheinland-Pfalz wurde auf Grund einer Verordnung der französischen Militärregierung geschaffen - und die konnten ja nun erstens schlecht über Gebiete anderer Besatzuungsmächte verfügen und zweitens waren sie mit der Gründung von Rheinland-Pfalz ohnehin die letzten, das war der letzte übriggebliebene Rest.

Trotzdem - mit dem Saarland hätte durchaus eine Region mit entwickelter Montanindustrie in das Land Rheinland-Pfalz miteinbezogen werden können, hätte Frankreich dies nicht verhindert. Die hätten das Saarland halt gerne selbst geschluckt.

Freundliche Grüße,
Ralf

Servus,

Rheinland-Pfalz von Anfang an zur besteht zu
weiten Teilen aus schwach besiedelter Landschaft, größere
Städte gibt es kaum, wirklich bedeutende überhaupt nicht

(a) Hast Du Dir die Struktur von Industrie und Dienstleistungen von Mainz, Ludwigshafen/Rh und Kaiserslautern mal angeschaut?
(b) Die These, dass Industrie zwingend Großstädte braucht, ist selbst für die klassische Schwerindustrie m.E. nicht belegbar. Krupps kommen und gehen, aber Gienanth und De Dietrich gießen in ihren ländlichen Werken heute noch. Der Pfälzerwald ist voll von Papierfabriken und Sägereien, zu Zeiten der Gründung von RHP saß die deutsche Schuhindustrie zum größten Teil zwischen Pirmasens und Landau über die Dörfer verteilt. Auch Glas hängt klassisch am Holz dran.

Es ist sicher richtig, dass RHP in den ersten Jahren nach 1949 nicht grad zu den vermögenden der neugeschaffenen Bundesländer gehört hat (wie übrigens Bayern auch nicht). Die Struktur war aber offensichtlich kein Nachteil - RHP besteht nicht nur aus Eifel und Hunsrück. - Wenn Du heute den Vergleich mit NRW ziehst, schauts ziemlich anders aus.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin.

In Rheinland-Pfalz und gerade in der Gegend von Kaiserslautern verkehre ich auch öfters und kenne mich deshalb recht gut aus. Es liegt mir fern, bestimmte Städte oder Regionen verächtlich machen zu wollen, wie ich es hier in diesem Forum schon oft gelesen habe.
Allerdings machen deine Aussagen auf mich in diesem Fall den Eindruck einer Art Verteidigungsversuch.

Natürlich sind auch mir die BASF und das Kaiserslauterer Opelwerk bekannt. Für Mainz, immerhin Landeshauptstadt und bedeutendste in Rheinland-Pfalz, vermute ich, daß eher der Dienstleistungssektor Träger der Wirtschaft sein wird. Dennoch, selbst Mainz kann man doch in seiner Bedeutung nicht auf eine Stufe etwa mit Stuttgart, Frankfurt, Hannover oder gar Köln und Hamburg stellen, und ein paar einzelne namhafte Industriewerke können für die wirtschaftliche Entwicklung des ganzen Landes sicher nicht genug ausmachen, für die strukturelle noch weniger. Pfälzische Gießereien und Papierfabriken scheinen den Kohl auch nicht fett zu machen.
Ich habe auch nicht behaupten wollen, daß für Industrie Großstädte notwendig seien (was auch ich nicht glaube). Vielmehr sehe ich das Vorhandensein von Städten einer gewissen Größe selbst als Ausdruck struktureller Entwicklung. Das zieht ja auch viel nach sich, wie etwa kulturelles Angebot, Niederlassungen verschiedener Firmen, Flughafen, Medienpräsenz und vieles andere.

Sicher kann man auch in kleinen Städten mit kleinen Firmen gut leben und wirtschaften, je nach eigenen Vorlieben vielleicht besser als in den Großstädten. Dennoch sehe ich es als eine Art der Unterentwicklung. Ob diese für die Bevölkerung von Nachteil ist, hängt natürlich von verschiedensten Gegebenheiten ab, nicht zuletzt von ihrer subjektiven Anschauung.

Grüße,

R.H.

Wirtschaftliches Potential von Regionen
Servus,

um die Verteidigung irgendwelcher Chauvinismen gehts mir dabei nicht so - ich steh der Tatsache, dass es irgendwo irgendwelche Industrie gibt, eher neutral gegenüber.

Mir geht es mehr darum, dass man das wirtschaftliche Potential einer Region nicht nur 1949 nicht an der Konzentration von Bevölkerung, Rohstoffvorkommen und Schwerindustrie ablesen konnte, sondern generell nicht - insbesondere nicht bei einer so heterogenen Struktur wie RHP, ein Bundesland aus der Retorte.

Ich glaube nicht, dass man 1949 einem Hohen Kommissar die Prognose hätte verkaufen können, dass kurz nach der Jahrtausendwende das BIP pro Kopf im neu geschaffenen Bundesland RHP gleichauf mit demjenigen des ebenfalls neu geschaffenen Niedersachsen läge, damals noch mit bedeutender Schwerindustrie und einigem Bergbau, und dass dieser Wert in den damals noch ganz bzw. weitgehend landwirtschaftlich geprägten und rohstoffreien neuen bzw. etwas älteren Ländern Baden-Württemberg und Bayern um mehr als zehn Prozent über dem BIP pro Kopf von NRW läge - das entspricht etwa dem Abstand zwischen NRW und RHP - wobei beide letztgenannten in den fünfzig Jahren seither schon ganz schöne Achterbahnfahrten erlebt haben.

Schöne Grüße

MM