Hallo!
Die Griffe dienen zum Festhalten während normaler Fahrt oder als Ein- und Ausstiegshilfe. Bei 4türigen Autos, bei denen man also nicht zum Erreichen der Rückbank über einen schräg geklappten Fahrer- oder Beifahrersitz klettern muß, sind die Griffe weitgehend überflüssig. Es gibt Menschen, die aufgrund von Beeinträchtigungen aus einem Sitz nicht wieder hochkommen, die deshalb irgendwas zum Festhalten brauchen.
Unter gar keinen Umständen haben Griffe im Fahrzeuginneren etwas mit Unfallschutz zu tun. Eher ist das Gegenteil der Fall, denn jedes im Fahrgastraum montierte Teil kann Ursache für Verletzungen sein. Es gibt überhaupt keine Systeme und Vorrichtungen im Auto, die von den Insassen im Moment des Unfalls wofür auch immer bewußt benutzt werden können. Alle dem Insassenschutz dienenden Vorrichtungen arbeiten entweder automatisch oder müssen vor dem Crash benutzt werden, wie z. B. der Sicherheitsgurt. Die Vorgänge während eines Aufpralls laufen um Größenordnungen zu schnell ab, um Menschen eine Reaktion zu ermöglichen, die über Zufallstreffer hinaus kommt. In den auf die Insassen wirkenden Energien ist immer ½ m* v² wirksam, denen Sehnen, Muskeln und Knochen auch eines bestens trainierten menschlichen Körpers nichts entgegen zu setzen haben. Der menschliche Körper ist dabei wie die Mücke unter dem Latschen, es treffen einfach um viele Zehnerpotenzen zu hohe Kräfte auf. Abwehrreaktionen können überhaupt nichts ausrichten. Die Kräfte sind so groß, daß von Gelenken nichts mehr übrig bleibt und Knochen einfach zusammengeschoben werden. Solche Effekte treten schon bei niedrigen Geschwindigkeiten von z. B. 50 km/h auf. Aufgabe der Fahrzeugkonstrukteure ist, Strukturen zu schaffen, die beim Crash noch genügend Hohlraum lassen zum wie auch immer gearteten Überleben.
Selbst alle technischen Schutzsysteme überstehen nur einmaligen Gebrauch und sind danach zerstört. Ein einmal durch einen Unfall beanspruchter Sicherheitsgurt muß ausgetauscht werden. Sein Gewebe wurde so stark gedehnt, daß es eine weitere Beanspruchung nicht mehr aushält, dabei entweder reißt oder Schäden anrichtet, weil das Gewebe nicht mehr nachgibt.
Vor Einführung der Gurtpflicht in den 70er Jahren wurde überall über Sinn und Unsinn von Gurten diskutiert. Es wurde befürchtet, daß fortan reihenweise Autoinsassen gefesselt verbrennen und weit verbreitet waren Empfehlungen, man solle sich angesichts eines nahenden Unfalls lieber ganz fest am Lenkrad abstützen. Es gab sogar Anweisungen, wie man sich verhalten soll, um das in den Fahrgastraum eindringende Lenkrad in eine bestimmte Richtung zu lenken. Einige empfahlen, die Lenksäule im richtigen Moment eher Richtung Wagenmitte zu drücken, damit man hinterher nicht beim Aussteigen behindert wird. Heute werden derart naive Empfehlungen belächelt, aber sie gehen in eine ähnliche Richtung wie die Vorstellung vom Festhalten an irgendwelchen Griffen. Griffe sind stets nur für den Normalbetrieb vorgesehen, niemals für eine Unfallsituation.
Gruß
Wolfgang