Große Fraage zum thema nichteuklidische Geometrie

Hallo kann mir bitte jemand erklären was hyperbolischer Raum ist?
wie wird er konstruiert bzw. was heißt es gibt mindestens 2 Geraden (h,k) durch einen geegebnen Punkt§ der nicht auf einer gegebenen Geraden (g) liegt, wobei die beiden Geraden (h,k) parallel zur Geraden (g) sind???

Hi.
Das ist ne anspruchsvolle Frage. Das ist vor allem deshalb nicht so einfach…

  1. …weil ich hier keine schönen Bilder malen kann und
  2. …weil du vermutlich eine sehr feste Vorstellung davon hast, was eine Gerade ist.

Die „euklidische“ Geometrie ist die der Ebene, und zwar der unendlich groß gedachten Ebene, nicht nur so groß wie ein DIN-A4-Blatt.
Da hast du eine Gerade g und nen Punkt P, der nicht auf g liegt.

 P
 x 
.
.
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_g

Nun sollst du durch P Parallelen zu g finden. Wenn die Ebene unendlich groß ist, dann gibt es nur eine Chance:

 P
-----------------------x--------------------------h
.
.
\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_g

Jede andere, von h verschiedene Gerade, wird g irgendwo schneiden.

So. Und nun mal weg von der euklidischen Ebene. Man kann irgendwelche Voraussetzungen der euklidischen Geometrie fallen lassen, z.B. man macht seine Konstruktionen auf einer Kugel statt in einer Ebene, dann hat man eine sphärische Geometrie. Da gibt es aber keine Geraden mehr, weil jeder Versuch, eine zu zeichnen, von der Kugeloberfläche abhebt.

Dann kann man den Begriff „Gerade“ neu definieren. Auf der Kugel versteht man unter „Gerade“ (unterscheide: Gerade ist die euklidische Gerade, „Gerade“ ist die neu definierte) einen Großkreis, d.h. einen größtmöglichen Kreis auf der Kugel. Auf dem Globus sind z.B. der Äquator oder die Längenkreise solche „Geraden“.

Außerdem muss man „parallel“ neu definieren. Unter „parallel“ kann man dann verstehen: es gibt keinen Schnittpunkt.

Wenn man dann neben einer „Geraden“, z.B. dem Äquator, einen Punkt P markiert (z.B. Paris) und versucht, eine „Gerade“ (Großkreis) durch Paris zu ziehen, dann wird man es ums Verrecken nicht schaffen, dass der nicht den Äquator schneidet. D.h.: in der sphärischen Geometrie gibt es nicht mal eine einzige lumpige Parallele durch P zu g.

Okay, du wolltest ja eine hyperbolische Geometrie. Die ist nur nicht so einfach vorzustellen wie eine Kugel. Sie könnte zum Beispiel aussehen wie eine Trompete. Aber da hab ich ein anderes Angebot. Da wir in einer nichteuklidischen Geometrie „Gerade“ und „parallel“ sowieso neu definieren, können wir auch eine kleine Spielzeuggeometrie machen, die ihren Zweck erfüllt.

Also: Die eckardsche Geometrie. Sie findet auf einem DIN-A4-Blatt statt und ist am Rand des Blattes zuende. In ihr ist eine „Gerade“ das, was von einer Geraden (euklidisch) auf das Blatt passt.

 \_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_
| P |
| x |
| |
| |
| |
|\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_g|
|\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_|

Okay? Der Punkt P ist wieder da und liegt nicht auf g. Und nu kommts:
Es gibt eine „parallele“ „Gerade“ h zu g durch P. Da isse:

 \_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_
| P |
|------------x-----------h|
| |
| |
| |
|\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_g|
|\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_|

Aber nun zeichne noch eine „Gerade“ k, die schräg zu h verläuft. Is ein bisschen schwer mit ASCII, das sollen die Punkte sein:

 \_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_
| P .k |
|------------x-----------h|
| . |
| . |
|. |
|\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_g|
|\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_\_|

Nu isses passiert. k ist ungleich h, geht durch P, und schneidet g nicht. Weil vorher das Blatt zuende ist. Nach Definition ist also auch k „parallel“ zu g.

In der eckardschen Geometrie gibt es also zu einer „Geraden“ g durch einen Punkt P, der nicht auf g liegt, zwei verschiedene „Geraden“ h und k, die zu g „parallel“ sind. Die eckardsche Geometrie ist also eine hyperbolische Geometrie.

Okay, sieht aus wie ein mieser Trick. Aber der Witz (und der ist mathematisch ernst und nich zum Lachen) ist: sowie man die euklidische Ebene (die unendlich große!) verläßt, muss man „Gerade“ und „parallel“ neu definieren. Und mit diesen Definitionen kann es dann passieren, dass es gar keine „Parallele“ mehr gibt (sphärische Geometrie) oder sie kommen gleich in Scharen (hyperbolische Geometrie).

So long
Eckard C.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo, lieber Namensvetter,
danke für diesen tollen Beitrag, jetzt habe sogar ich das kapiert, obwohl ich das gar nicht gefragt hatte (Mathematisches ist nunmal nicht meine Stärke).
Bin froh, dass jetzt auch ein Eckard dieses Feld abdeckt.
Grüße
Eckard (der Postler)

Nichteuklidische Geometrien
Hallo

die Erklärungen von Eckard C. sind so toll, daß dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Ich meine, daß man daraus ein FAQ machen sollte!

Ich will hier nur noch etwas aus einem anderen Blickwinkel (nämlich einem historischen) zu den nichteuklidischen Geometrien sagen:

  1. Die geometrischen Argumente beziehen sich keineswegs nur auf 2 Dimensionen. Ebenso, wie euklidische Geometrien auch in 3 Dimensionen behandelt werden können (wie z.B. der anschauliche physikalische Raum) und darüber hinaus in beliebig höheren n-dimensionalen Räumen, so können auch die beiden Klassen nichteuklidischer Geometrien in n-dimensionalen Räumen gerechnet werden. Die Mathematik ist dabei in keiner Weise an die Anschauligkeit bzw. das Vorstellungsvermögen gebunden.

  2. Unter " einer Geometrie" versteht man (seit Euklid) eine Gruppe (oder ein System)von Axiomen und die daraus ableitbaren Einzelaussagen. Ein Axiom ist dabei eine Aussage, die ihrerseits nicht bewiesen werden kann und muß.
    http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
    Die Axiome dieser Gruppe unterliegen der Bedingung, daß sie voneinander unabhängig sein müssen. Dieses Axiomensystem wird nun genau dann als widerspruchsfrei bezeichnet, wenn keine daraus ableitbare Einzelaussage einem der Axiome widerspricht. Die Objekte oder Elemente, über die diese Ausagen gemacht werden, haben, sofern es um geometrische Axiomensysteme geht, die Bezeichnung „Punkt“, „Gerade“, „Ebene“ - auch, wenn diese Objekte mit denen, die der Anschauung entsprechen, gar nichts gemein haben.

  3. Zu den ursprünglichen euklidischen Axiomen der Geometrie gehörte nun ein Satz, der eng mit dem sog. „Parallelenaxiom“ zusamenhängt bzw. mit ihm gleichbedeutend ist: „Die Winkelsumme eines Dreiecks ist gleich der Summe zweier rechter Winkel“. Unter einem „rechten Winkel“ verstand man dabei folgendes: Wenn man eine Gerade von einer anderen Geraden so schneiden läßt, daß die Winkel, die sie zueinander bilden auf beiden Seiten gleich sind, dann nennt man diesen Winkel einen „rechten“ (auf griechisch hieß das ortho-gonal).

Nun hat man aber schon in der Antike gewußt, daß das euklidisce Axiomensystem auch dann bereits widerspruchsfrei ist, wenn man auf diesen „Parallenensatz“ bzw. „Winkelsummensatz“ verzichtet! Was man nicht wußte (und man ist dieser Frage viele Jahrhunderte lang erst gar nicht nachgegangen), ob auch eine Axiomensystem widerspruchsfrei sein kann, wenn man den Winkelsummensatz negiert: „Die Dreiecks-Winkelsumme ist größer oder kleiner als zwei rechte Winkel“.

In der ersten Hälfte des 19. Jhdt. konnte nun von Gauß und Riemann bewiesen werden, daß auch eine widerspruchsfreie Geometrie vorliegt, wenn der Satz „Winkelsumme > 180°“ zugefügt wird. Und der russische Mathematiker Lobatschewski und der Ungar Bolyai konnten beweisen, daß ebenso eine widerspruchsfreie Geometrie konstruierbar ist, wenn der Satz "Winkelsumme 0 (es gibt also unendlich viele davon) und bei der Lobatschewski-Bolyai-Geometrie ist k Modell machen: Für k > 0 nimmt man die Geometrie auf einer Kugeloberfläche. Dabei entspricht 1/k dem Radius der Kugel, der zugleich ein Maß für die „Krümmung“ (engl. curvature) der Oberfläche ist. Deshalb spricht man hier, wenn die Geometrien in höheren Dimensionen betrachtet werden, von „gekrümmten“ Räumen. Dieser Ausdruck „Krümmung“ kann aber zu Mißverständnissen führen:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Für k euklidisch k = 0
Begründer: Euklid
2-dimensional :
parallele „Geraden“: 1
Dreieckswinkelsumme: 180°
Kreisumfang wächst mit R: gleich
Kreisfläche wächst mit R2: gleich
3-dimensional :
parallele „Ebenen“: 1
Kugeloberfläche wächst mit R2: gleich
Kugelvolumen wächst mit R3: gleich

**hyperbolisch k
Begründer: Lobatschewski & Bolyai
2-dimensional:
parallele „Geraden“: ∞
Dreieckswinkelsumme: 2: schneller
3-dimensional:
parallele „Ebenen“: ∞
Kugeloberfläche wächst mit R2: schneller
Kugelvolumen wächst mit R3: schneller

sphärisch (oder elliptisch) k > 0
Begründer: Gauß & Riemann
2-dimensional:
parallele „Geraden“: 0
Dreieckswinkelsumme: >180°
Kreisumfang wächst mit R: langsamer
Kreisfläche wächst mit R2: langsamer
3-dimensional:
parallele „Ebenen“: 0
Kugeloberfläche wächst mit R2: langsamer
Kugelvolumen wächst mit R3: langsamer**

MOD: Ist jetzt FAQ 1233 (owT)
.

Auch verwurstet
Hallo Metapher,

habe mir erlaubt, Deinen Artikel ebenfalls als FAQ:1234 zu erstellen.

Gruß Kubi

Hallo Eckard C.
Gratuliere! Ich empfinde das als umwerfend einfach !
Ich muß auch sagen, daß damit für einige Zusammenhänge bei mir der Groschen erst richtig gefallen ist.
Danke!
P.S.
Jetzt bin ich gespannt wann Deine ‚Parallelen‘ sich das erste mal mit einer gewissen anderen ‚Gerade‘ schneiden die hier manchmal (z.B. etwas weiter unten) bis in’s Unendliche strapaziert wird. (:wink:)))
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Berresheim