Grundsatzfrage zu Schulden:

Hallo zusammen,

bis heute dachte ich Schulden seinen was Schlimmes und Negatives, weil sie einen knechten und unfrei machen.
Heute ist die Überlegung da, daß sie doch was Gutes sein könnten, weil sie einem Wünsche und Lebensstandard sofort ermöglichen (z.B. Güter und Waren sofort, ohne darauf sparen zu müßen). Und wenn man die Rückzahlungsraten nicht mehr bedienen kann, bevor die Schulden abgetragen sind, ist das gar nicht schlimm, weil dies dann irgendein Anderer oder eine Solidarität vieler Anderer übernimmt. Außerdem bestraft die Inflation einen Sparer, der sich erst alles dann kauft wenn er das Geld zusammen hat, während die Inflation einen Schuldner tendenziell unterstützt. Sie reduziert ihm über die Jahre die Schuldenlast, sofern die Bank die Schuld-Zinsen nicht hoch genug erhebt (was sie aber normalerweise tut, oder?)
Was meint Ihr zu der etwas provokativ aufgestellten Thematik?

Danke im voraus!

Hallo,

was du schreibst ist nicht provokativ, sondern längst Realität.

Durch die Schaffung der Privatinsolvenz ist die Solidarisierung von Privatschulden auch längst möglich. Hauptsache es wird konsumiert.

In den USA funktioniert die Wirtschaft schon seit Jahrzehnten fast nur noch so.

Es wird uns zweifelsfrei in den Abgrund treiben.

Gruß
tycoon

Hallo!

bis heute dachte ich Schulden seinen was Schlimmes und
Negatives, weil sie einen knechten und unfrei machen.

Und wenn man die Rückzahlungsraten nicht mehr
bedienen kann, bevor die Schulden abgetragen sind, ist das gar
nicht schlimm, weil dies dann irgendein Anderer oder eine
Solidarität vieler Anderer übernimmt.

Was meint Ihr zu der etwas provokativ aufgestellten Thematik?

Nicht provokativ, nur einäugig betrachtet und in vielen Fällen einfach nur falsch (um kein deutlicheres Wort zu benutzen).

Natürlich bietet es ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, eine Investition aus dem Kassenbestand zu bezahlen. Das ist aber oft nicht möglich und auf die Investition zu verzichten oder sie erst viel später zu realisieren, kann durchaus existenzvernichtend sein. Natürlich kann man geliehenes Geld auch verplempern, für kurzfristigen Spaß und unsinnige Dinge ausgeben. Daraus entstehen vermeidbare Schulden, im Gegensatz zu Verbindlichkeiten, die zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und zur Refinanzierung führen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Vorhaben auch schief gehen können. Wer solche Risiken ausschließen will, darf rein gar nichts anfassen. Und wenn etwas schief geht, braucht man eine Möglichkeit, einen wirtschaftlich untragbar gewordenen Zustand in geregelter Weise zu beenden. Diese Regelung heißt Insolvenz. Bevor es die Möglichkeit der Insolvenz für gewöhnliche Menschen gab, wurde lebenslanges Elend mit dem Das-hätte-man-sich-früher-überlegen-Argument produziert. Außer ein paar Anwälten hatte niemand etwas davon. Der volkswirtschaftliche Schaden war erheblich größer als der durch die geregelte Verfahrensweise per Insolvenz.

Gruß
Wolfgang

Hallo,

dem UP ging es wohl weniger um Investitionen. Es war von Wünschen und Lebensstandard die Rede.

Bevor es die Möglichkeit der Insolvenz für
gewöhnliche Menschen gab, wurde lebenslanges Elend mit dem
Das-hätte-man-sich-früher-überlegen-Argument produziert.

Ich behaupte, dass die Meisten, die PI beantragen auch später am Existenzminimum nagen.

Außer
ein paar Anwälten hatte niemand etwas davon.

Die Abschreckung hatte schon Wirkung. Heute beantragen über 100.000 Personen pro Jahr die PI. Tendenz steigend.

Der
volkswirtschaftliche Schaden war erheblich größer als der
durch die geregelte Verfahrensweise per Insolvenz.

Es gilt das, was auch in der Griechenland-Frage gilt: Der Verkauf von Waren, die ich am Ende selbst bezahle, macht keinen Sinn!!

Gruß
Wolfgang

Gruß
tycoon

Hallo!

Bevor es die Möglichkeit der Insolvenz für gewöhnliche Menschen gab, wurde lebenslanges Elend mit dem
Das-hätte-man-sich-früher-überlegen-Argument produziert.

Ich behaupte, dass die Meisten, die PI beantragen auch später am Existenzminimum nagen.

Ob die Behauptung zutrifft oder nicht, sei dahingestellt, weil sie am Kern des Problems vorbei geht.
Als juristische Personen geführte Unternehmen konnten schon immer Insolvenz anmelden. Das war auch schon immer vernünftig, denn ein wirtschaftlich untragbares Gebilde muss man irgendwie zum Ende bringen können. Es ist aber nicht einzusehen, dass ein Weg, der für juristische Personen logisch und vernünftig erscheint, für natürliche Personen nicht gelten soll. Das war denn auch das stärkste Argument für die Neufassung des Insolvenzrechts.

Wenn jemand Tageszinsen von 100 DM zu zahlen hatte, aber nur 50 DM verdiente, stiegen die Schulden schneller, als sie abgetragen werden konnten. Solche Menschen wurden mitsamt ihren Familien dauerhaft „platt gemacht“. Natürlich gibt es Zeitgenossen, die aus dem Bauch heraus „recht so“ sagten, denen es dabei aber völlig abging, welcher Schaden angerichtet wurde. Das war menschlicher Schaden – so etwas kann nicht Sinn und Zweck einer Gesellschaft sein – und es war volkswirtschaftlicher Schaden. Jeder Betroffene wurde nämlich praktisch lebenslänglich chancenlos und zur wirtschaftlichen Belastung für das Gemeinwesen. Welchen Sinn sollte das haben? Weil jemand weshalb auch immer in die Überschuldung geriet, sollte der Rest des Lebens gelaufen sein? Befürworter solcher Vorgehensweise sollten ihre Wertvorstellungen dringend updaten.

Die Abschreckung hatte schon Wirkung.

Das war das unentwegt wiederholte Argument der Verfechter lebenslänglicher Verfolgung und geht nach wie vor am Sachverhalt vorbei. Da hatte jemand Fehler in seinem Geschäftskonzept gemacht oder konnte Geld von faulen Zahlern nicht eintreiben oder hatte ein Haus gekauft und ist ernsthaft krank oder arbeitslos geworden oder die Ehe ging in die Brüche – was soll denn dabei das Gerede von Abschreckung!? Das Gerede von Abschreckung wird auch nicht sachgerechter, weil es Leute gibt, die sich mit Kinkerlitzchen und Klimbim der Unterhaltungselektronik überschulden. Man kann immer die Beispiele einiger Hohlköpfe verallgemeinern, um vernünftige Regelungen zu blockieren oder anzugreifen.

Heute beantragen über 100.000 Personen pro Jahr die PI. Tendenz steigend.

Wir sind ein Volk von 80 Millionen Menschen, davon sind 60 Millionen volljährig, könnten also insolvent werden. 100.000 von 60 Millionen sind 0,16 % der Bevölkerung. Eine Privatinsolvenz dauert einschl. Wohlverhaltensphase etwas mehr als 6 Jahre. Damit befinden sich rund 1% der insolvenzfähigen Bevölkerung in einem Insolvenzverfahren. Diese niedrige Quote ist angesichts einer weit höheren Zahl überschuldeter Menschen erstaunlich und es lohnt sich, über die Gründe nachzudenken, denn wir können als Gemeinwesen kein Interesse an massenhaft überschuldeten Menschen haben. Wir brauchen freie Köpfe, arbeitende Menschen, keine demotivierten und unentwegt von Gerichtsvollziehern verfolgten Leute.

Wenn man zu den Ursachen für die niedrige Zahl privater Insolvenzen recherchiert, kommt tatsächlich Abschreckung ins Spiel. Das Insolvenzverfahren für Privatleute mit weniger als 20 Gläubigern ist nämlich abschreckend langwierig. Wenn nichts mehr zu holen ist, die wirtschaftliche Existenz praktisch tot ist, werden nur noch vermeidbare Kosten und vermeidbarer Aufwand verursacht, wenn man auf dem toten Pferd noch 6 Jahre reiten will. Einige Nachbarn in Europa handeln längst klüger, indem sie Privatinsolvenzen viel schneller erledigen, statt rückwärtsgewandt ewig darauf herum zu kauen, ohne dass es irgend jemandem nützt.

Schließlich noch dies: Heute geliefert – erst in 3 Monaten zahlen … Superschnäppchen, 0 % Zinsen, 48 Monatsraten … Urlaub auf Kredit – Finanzierungsangebot anbei … bei solchen Angeboten des Handels ist es kein Wunder, dass sich manche Menschen zum Kauf verleiten lassen, obwohl sie besser die Finger davon ließen. Natürlich ist jeder Erwachsene für sein Tun selbst verantwortlich, aber dann ist es gewiss nicht zu viel verlangt, wenn auch der Handel für sein Tun selbst verantwortlich zu sein hat. Wenn der Handel aggressiv mit Ratenangeboten wirbt, soll er gefälligst das damit verbundene Risiko tragen und wenn er das nicht möchte, soll er Cash verlangen.

Gruß
Wolfgang

Hallo,
da ist viel Wahres dran, aus der Sicht des Einzelnen.

Noch interessanter wird es, zu Niedrigzinszeiten Kredit mit Festzins zu vereinbaren und bei Hochzins-Inflation dann zu tilgen. Andersrum gehts auch, zum Nachteil des Schuldners.

Wenn schon solche Geldgedanken, dann lies auch mal zu Geldschoepfung der Banken, aus Kredit, wie Geld an sich entsteht.

Gruss Helmut

Hallo,

es mag Gründe geben die Betroffenen wieder am Wirtschaftleben teilhaben zu lassen.

Es ist aber ein schönes Märchen, dass ein Großteil der Betroffenen durch die beschriebenen Widrigkeiten des Lebens in die PI getrieben wurden.

M.E. dürfte es für Privatpersonen keine PI geben wenn sie mehr als 5 Gläubiger haben (meinetwegen auch 10).
Wenn ich bei 5 Telefonanbietern und 5 Versandhäusern Schulden habe, ist das wohl eher Betrug als Pech.

Gruß
tycoon