Hallo Apothecarius,
Gut und Böse, das sind die beiden Zustände, die das Gewissen kennt.
Die Psychoanalyse sieht in dem Gewissen eine Funktion des Über-Ichs, und das Über-Ich besteht aus den verinnerlichten Elternfiguren.
Eltern sehen es für gewöhnlich als eine Teilaufgabe der Erziehung an, ihre Kinder mit gesellschaftlichen Normen, Geboten und Verboten vertraut zu machen. Deshalb ist „Gut“ und „Böse“ mit diesen Normen assoziiert.
Keine einzige dieser Normen ist absolut gültig, einige kommen vielleicht nur in manchen Familien vor, andere werden ziemlich allgemein anerkannt, manche Normen sind von größerer zeitlicher Konstanz, andere waren vor nicht langer Zeit noch akzeptiert und sind heute veraltet. In meiner Familie waren z. B. Homosexualität und selbst Rauchen „böse“, Trinken interessanterweise nicht.
Eine absolute Bedeutung dieser Begriffe gibt es nicht, es gibt aber unterschiedliche Ebenen des Betrachtens. Goethe schreibt irgendwo im Faust von der Kraft, die stets das Böse will und das Gute schafft. Auch dieser Satz drückt aus, daß es verschiedene Betrachtungsebenen gibt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, somit Gut und Böse eher keinen absoluten Sinn haben.
Gut und Böse sind irgendwie kindliche und emotionsbeladene, nicht rationale Begriffe, sozusagen die Fortsetzung von „Schlimm“ oder „Pfui“ einerseits und „Brav“ anderseits. Wirklich „erwachsene“ Termini hätten rationalen Gehalt wie „sozial (nicht) verträglich“, „funktioniert (nicht)“ u. ä.
Das war jetzt wohl nicht unmittelbar die Antwort auf Deine Frage.
Der von Dir vorgeschlagenen Definition möchte ich z. B. das Modell von Adam Smith entgegensetzen, der sich die Gesellschaft aus Menschen vorstellt, die alle nur ihren eigenen Vorteil suchen und dennoch führt gerade dieses egoistische Verhalten der Individuen zu einem Maximum an Wohlstand für die Gesellschaft im Ganzen („Die unsichtbare Hand“).
Und überhaupt: was ist „egoistisch“? Es kann einer „dumm“ egoistisch sein und damit rasch auf Konfrontationskurs mit den Interessen anderer kommen, oder „intelligent“ egoistisch und begreifen, daß sich die eigenen Interessen und die anderer durchaus verbinden lassen (Egon Friedell: Es gibt flache und tiefe Egoisten, letztere nennt man Altruisten).
Grüße,
I.