Hallo!
Auf der Suche nach etwas ganz anderem stolpere ich über eine Zeile bei Homer:
In Ilias (10. Gesang) kann Agamemnon nicht schlafen, weil er sich die ziemlich bescheuerte Lage seiner Panhellenen klar macht, und
„viele vom Kopf von der Wurzel aus raufte er aus die Haare …“ (so ganz wörtlich v. 15).
Nichts Besonderes? Ich stolpere über die Fortsetzung des Satzes:
„… für Zeus der oben ist“ (v. 16)
Das Haare-Raufen ist hier also nicht einfach das gewohnte Bild für Rat- und Mutlosigkeit, sondern eine reale Handlung.
Meine Fragen:
Gibt es so etwas wie ein Haar-Opfer? Was Agamemnon mit seinen ausgerauften Haaren machte, bleibt ungesagt; auf einen Altar legt er sie nicht, denn er steht erst danach auf und kleidet sich an (10, 21-23), aber dass der Vorgang „für Zeus“ geschah, ist m. E. klar.
Gruß!
Hannes
Hallo!
Auf der Suche nach etwas ganz anderem stolpere ich über eine
Zeile bei Homer:
In Ilias (10. Gesang) kann Agamemnon nicht schlafen, weil er
sich die ziemlich bescheuerte Lage seiner Panhellenen klar
macht, und
„viele vom Kopf von der Wurzel aus raufte er aus die Haare
…“ (so ganz wörtlich v. 15).
Nichts Besonderes? Ich stolpere über die Fortsetzung des
Satzes:
„… für Zeus der oben ist“ (v. 16)
Hier stehts etwas anders übersetzt:
http://www.gottwein.de/Grie/hom/il10de.php
Zitat:
15
Viel alsdann aus dem Haupt mit den Wurzeln rauft’ er sich Haare,
Hoch aufflehend zu Zeus; und das edele Herz ihm durchdrang Weh.
Dieser Gedank’ erschien dem Zweifelnden endlich der beste:
Erst zu Nestor zu gehn, dem neleiadischen König;
Ob er mit jenem vielleicht unsträflichen Rat aussöhne,
20
Welcher das Bös’ abwehrte von allem Volk der Achaier.
Aufrecht nun umhüllt’ er die Brust mit wolligem Leibrock;
Unter die glänzenden Füß’ auch band er sich stattliche Sohlen;
Warf dann das blutige Fell des gewaltigen Leun um die Schultern,
Falb und groß, das die Knöchel erreicht’; und fasste die Lanze.
25
So auch war Menelaos in bebender Angst, und niemals
Ruht’ ihm Schlaf auf den Augen, dem Sinnenden, was doch verhängt sei
Argos’ tapferem Volk, das um ihn durch weites Gewässer
Kam in der Troer Gefild’, unverdrossenem Streite sich bietend.
Erst nun ein Pardelvlies um den breiten Rücken sich hüllt’ er,
30
Zottig und buntgefleckt; dann barg er das Haupt in des Helmes
Ehernen Schirm, und fasste den Speer mit nerviger Rechte,
Schnell dann ging er zu wecken den herrschenden Bruder, der mächtig
Allen Achaiern gebot, wie ein Gott im Volke geehret.
Das Haare-Raufen ist hier also nicht einfach das gewohnte Bild
für Rat- und Mutlosigkeit, sondern eine reale Handlung.
Doch, ich sehe da eher Rat-, Mutlosigkeit.
Meine Fragen:
Gibt es so etwas wie ein Haar-Opfer? Was Agamemnon mit seinen
ausgerauften Haaren machte, bleibt ungesagt; auf einen Altar
legt er sie nicht, denn er steht erst danach auf und kleidet
sich an (10, 21-23), aber dass der Vorgang „für Zeus“ geschah,
ist m. E. klar.
Sehe ich nach Textansicht anders! Die Haare hat Agamemnon wohl achtlos weggeworfen, wie man eben so mit ausgerauften Haaren umgeht.
Es gibt aber eine Stelle in der Odyssee mit Rauchopfer, da werden m. W. n. u. a. auch Tierhaare verbrannt.
lg O
Hi Hannes,
es kommt darauf an, wie man
ὑψόθ’ ἐόντι Διί
liest. Sowohl als ὑψόθι als auch als ὑψόθεν gelesen, dürfte
„dem in der Höhe seienden Zeus“
die wörtliche Übersetzung sein.
Die Lesart „dem … entgegen“ oder „zu … hin“ scheint mir dem Bild der Szene zu entsprechen. „für Zeus …“ dagegen eher nicht.
Auch wenn die Übersetzung von J.H.Voß:
„hoch aufflehend zu Zeus“
seiner üblichen romantischen Überzeichnung zuzurechnen ist, scheint sie mir aber die Szene doch annähernd wiederzugeben.
Ob er sich die Haare nun real oder metaphorisch rauft: Dahinter ein Ritual zu vermuten und nicht nur die als Trauer-, Verzweiflungs- oder Zornesgeste bekannte Bewegung, die ja zu den Göttern gerichtet ist („Mein Gott!!“), sehe ich nicht so recht ein.
Gruß
Metapher
Hallo und Danke!!
es kommt darauf an, wie man
ὑψόθ’ ἐόντι Διί
liest. Sowohl als ὑψόθι als auch als ὑψόθεν gelesen, dürfte
„dem in der Höhe seienden Zeus“
die wörtliche Übersetzung sein.
Ich denke, dass es nur ὑψόθι xein kann. Auch meine Lexika geben nur dafür diese Stelle an.
Auch wenn die Übersetzung von J.H.Voß:
„hoch aufflehend zu Zeus“
seiner üblichen romantischen Überzeichnung zuzurechnen ist,
Über Vossens Übersetzung dieser Stelle würde ich nur urteilen, wenn ich den von ihm verwendeten griechischen Text kennen würde. Ich habe dazu nichts, und der von mir verwendete OCT (ed. Monro et Allen) gibt zu v. 16 keine abweichende Lesart an. Aber es könnte ja sein, dass Voss etwas anderes gelesen hat.
Ob er sich die Haare nun real oder metaphorisch rauft:
Dahinter ein Ritual zu vermuten und nicht nur die als Trauer-,
Verzweiflungs- oder Zornesgeste bekannte Bewegung, die ja zu
den Göttern gerichtet ist („Mein Gott!!“), sehe ich
nicht so recht ein.
Das geht mir nicht viel anders. Aber es könnte ja sein, dass es eine kultische Handlung gab, von der ich nichts weiß, und dann sähe die Sache wieder anders aus.
Die Lesart „dem … entgegen“ oder „zu … hin“ scheint mir
dem Bild der Szene zu entsprechen. „für Zeus …“
dagegen eher nicht.
Hab jetzt noch in einer neueren Übersetzung nachgeschaut: Hampe (RUB 249, S. 186) übersetzt ähnlich wie ich: „Für den Zeus in der Höhe“.
Schönen Gruß!
Hannes
Hallo!
Hier stehts etwas anders übersetzt:
http://www.gottwein.de/Grie/hom/il10de.php
Zitat:
[…]
Ja, das ist die Übersetzung des ollen Voss Gott-hab-ihn-selig
und seiner Nachbeter, soweit diese überhaupt übersetzen können und wollen.
Gruß!
Hannes