Habe ich etwas übersehen?

Was sich hinter Tor 3 versteckt…
Guten morgen,

neuen Schulden bezahlt. Würde die Wirtschaft so stark wachsen,
daß künftige Einnahmen, Tilgung und Zinsen decken, wäre das
ein Nullsummenspiel. Nur leider tut und kann die Wirtschaft
das nur selten und deshalb wachsen die Schulden immer
schneller. Irgendwann werden die Einnahmen und die neuen
Schulden nicht mehr reichen, die fälligen ‚Raten‘ (auslaufende
Anleihen plus Zinsen) zu zahlen, weil immer mehr Geld dafür
nötig ist.

im Prinzip richtig, nur ein bißchen anders: die Gefahr, daß nicht genug Geld da ist, war immer gering. Es war nur ein Dogma, daß die Anleger auch immer bereit sein würden, Staaten Geld zu leihen, wenn dieses benötigt würde. Es gab zwar gewisse Unterschiede bei den Zinssätzen bspw. zwischen Deutschland und Griechenland, aber daß es mal so weit kommen würde, daß die Anleger sich gar nicht oder nur zu sehr hohen Zinssätzen dazu bequemen würden, ihr Geld herauszurücken, war ein undenkbares Szenario.

Genauso wie es übrigens als unmöglich galt, daß eine größere Bank nicht vom Staat aufgefangen werden würde, was die Institute zu zweifelhaften Geschäften veranlasste.

Die Entwicklung von Wirtschaft und Zinsen sind schwer
vorhersagbar, deshalb wird der Zeitpunkt, wann es ‚knallt‘
schwer vorhersagbar sein und überall zu unterschiedlichen
Zeiten paassieren.

Das ist die Frage. Früher war es ja so, daß der ein oder andere Staat mal zahlungsunfähig war, was aber aufgrund der damals noch nicht so ausgeprägten Kapitalmärkte nicht besonders große Wellen schlug. Betroffen war im allgemeinen nur die Bevöllkerung des jeweiligen Landes.

Heute sieht das ein bißchen anders aus. Von Japan abgesehen, haben sich die meisten Länder doch recht kräftig im Ausland verschuldet. Wenn ein größerer Staat zahlungsunfähig würde, hätte das u.U. erhebliche Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften. Es kann also durchaus sein, daß es einen größeren Knall gibt oder ein Knall nach dem anderen erfolgt.

Aber ist es auf Grund der Praxis nicht zwangsläufig, daß es
irgendwann unvermeidlich überall knallen muss? Ob man da nun
die USA, Deutschland, Griechenland, Italien, Japan …
betrachtet, spielt doch kaum eine Rolle. Nur der Zeitpunkt ist
variabel, der Crash aber sicher.

Zumindest solange die Verschuldung schneller wächst als die Wirtschaft und damit die Staatseinnahmen. Ich habe mir gerade mal Zahlen für Deutschland herausgesucht: von 1995-2009 ist das Bruttoinlandsprodukt um knapp 30% gestiegen, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte um gut 60%.

Sehe ich es richtig, daß die Anleger zwar wissen, daß das ein
Pyramidenspiel ist, sie aber darauf hoffen (wetten), nicht das
Ende vor dem Crash zu erwischen, an dem alle ihren Einsatz
verlieren?

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was die Anleger glauben. Ich habe das Gefühl, daß es sich dabei wie auch bei Politikern, Journalisten und etlichen „Experten“ um geistige Zombies handelt, die zwar wissen, daß das Spiel gelaufen ist, aber es gleichzeitig so lange weiterspielen wollen, wie es nur geht.

Wenn das richtig sein sollte, was kommt danach? Eine (mehrere)
Währungsreform(en) und das selbe Spiel von vorn?

Das hängt davon ab, wie sich die Sache weiter entwickelt. Ich habe hier die drei Alternativen aufgezeigt, die ich im Moment sehe:
/t/staatsverschuldungen-wie-lange-noch/6554591/9

Man scheint sich für Variante 3 entschieden zu haben – verbunden mit einer stärkeren Nutzung des Zombie-Effekts: dem Gerede von einer einheitlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik kann ja nur jemand etwas abgewinnen, der sich in den letzten 20 Jahren nicht in Europa aufgehalten hat. Schon ein Streit über Bananenquoten und einheitliche Nummernschilder führte ja schnell zur Androhung von Handelssanktionen und körperlicher Gewalt.

Wer glaubt denn daran, daß sich die 17 Euro-Länder ausgerechnet beim Allerheiligsten kurzfristig einig werden? Dies insbesondere vor dem Hintergrund, daß völlig verschiedene Interessenlagen bestehen und man sich in den letzten zwei Jahren gerade in Wirtschafts- und Finanzfragen permanent in den Haaren liegt. Schon die Diskussion um die Besetzung der Posten in dieser „Wirtschaftsregierung“ wird mit allgemeiner verbaler und wahrscheinlich auch militärischer Aufrüstung einhergehen.

Und dann noch der Witz mit den Haushalts- und Verschuldungsbeschränkungen. Das ist doch nichts anderes als die Maastricht-Kriterien, an die sich auch kaum jemand hält- und wer sich daran hält, wird am Schluß noch dadurch bestraft, daß er den Staaten helfen darf, die sich nicht daran gehalten haben.

Man darf also getrost davon ausgehen, daß die Schulden weiter steigen werden. Was dann nach Szenario 3 kommt, weiß ich nicht. Vielleicht ist es mal wieder Zeit für einen Umbruch. 1990, 1945, 1918, 1871, 1848, 1815, 1789, 1714, 1648… Wir sind eigentlich schon ein Weilchen überfällig. Spannend wird es allemal.

Gruß
Christian