Haben Menschenaffen ein Baculum ?

Hallo Nemo.

Du hast völlig recht, sexuelle Selektion erklärt in wunderbarer Weise Dinge, die sonst nur schwer zu erklären wären, wie extreme Auswüchse beim Gefieder von Vögeln oder auch deren teilweise bizarres Balzverhalten, bei dem die Männchen Räubern oft schutzlos ausgeliefert sind. Ich zweifle nicht an der Wirksamkeit sexueller Selektion, sondern ich zweifle nur an den speziellen Theorien bzgl. des verschwinden des Baculums.

Zurück zum Menschen. Ein Penis mit Baculum hat nicht viele
Möglichkeiten Signale zu senden, er steckt in vorgegebener
Größe in seiner Hülle und wird meist erst unmittelbar vor der
Kopulation ausgefahren. Bei der üblichen Begattungsart unter
Säugetieren kann das Weibchen das kaum noch sehen.

Das passt eben bei Primaten nicht so richtig. Der Penis ist nicht in einer Tasche versteckt (ok, manche sind so klein, dass sie ohne Erektion gänzlich in der Vorhaut verschwinden). Nicht wenige Primaten präsentieren ihre Erektion auch gerne (vor allem unsere nächsten Verwandten die Chimpansen) und die Sexualpraktiken bei einigen (auch hier vor allem die Chimpansen) gehen über das sonst übliche Rein-Raus-Spiel hinaus.

Wenn aber das, was da, mangels verknöchertem Schwellkörper so
traurig herunter hängt, sich beim Anblick der weiblichen Reize
nach oben reckt und auch noch vergrößert, dann wird das eine
große Signalwirkung haben.

Den (vor-)menschlichen Damen dürfte es gefallen haben, zumal
sie ja längst auch außerhalb der fruchtbaren Zeit Spaß am Sex
gefunden hatten. Ein verknöcherter Schwellkörper, der das
Baculum ja ist, hätte diese Signalwirkung wesentlich
beeinträchtigt.

Ich sehe hier keinen Unterschied zu einem Penis mit Baculum. Die Größe hängt wie gesagt nicht vom Vorhanden- oder Nichtvorhandensein desselben ab.

Und hier kommt nun die Theorie von Dawkins voll ins Spiel. Wer
krank ist, Schmerzen oder Depressionen (Furcht) hat, bekommt
keine oder nur eine mindere Erektion.

Würde ebenso auch für Penise mit Baculum gelten.

Die Vorliebe der Frauen für große, steife Penisse hat sich
also sehr wohl positiv auf die Art ausgewirkt. Nebenbei hat
diese Vorliebe eben auch bewirkt, dass der menschliche Penis
heute so unverhältnismäßig groß ist.

Keinen Einwand hinsichtlich der Größe, aber hinsichtlich des Verschwindens des Baculums.

Gruß
Olaf

Hallo Klaus, Hallo Nemo,

tut mir leid, dass ich schon wieder herumnörgeln muss.

Was mir auch noch einfällt : Der Mensch hat 23
Chromosomenpaare, die Menschenaffen jeweils 24. In der
Biologie sind Mechanismen zur Verdopplung eines
Chromosomenpaars bekannt, der umgekehrte Mechanismus eher
nicht.

Das hieße doch eigentlich, dass nicht der Mensch durch
Mutation aus der Evolutionslinie der Affen ausgeschert ist,
sondern umgekehrt ! Salopp ausgedrückt stammt also nicht der
Mensch vom Affen ab, sondern der Affe vom Menschen.

Zunächst einmal, die Chromosomenzahl kann durch Mutationen sowohl erhöht als auch verringert (siehe Deletion) werden. Beides sind bekannte Mechanismen. Daraus kann man nicht unmittelbar eine Abstammungsfolge ableiten.

Wenn man annimmt, dass es in der Entwicklungslinie des Homo sapiens nie ein Baculum gegeben hat, würde daraus folgen, dass nicht nur alle anderen Primatenarten diese Struktur unabhängig voneinander entwickelt haben. Die nächsten Verwandten der Primaten sind die Carnivoren (Raubtiere), Insectivoren (z. B. Igel, Maulwürfe), Schiroptera (Fledermäuse), Rhodentia (Ratten, Mäuse ect.) und Lagomorpha (Hasen, Kaninchen ect.) (http://www.tolweb.org/Eutheria/15997). Auch die haben ein Baculum und gemeinsame Vorfahren mit den Primaten. Das Baculum scheint also eher ein sehr ursprüngliches Merkmal in dieser Verwandtschaftsgruppe zu sein. Das alle diese Tiergruppen das Baculum unabhängig voneinander entwickelt haben ist zwar nicht unmöglich, aber sehr sehr sehr unwahrscheinlich. Tut mir leid, aber das scheint mir auch keine Lösung zu sein.

Gruß
Olaf

Hallo Olaf,

da bist du aber schon sehr weit gegangen mit unserer Verwandtschaft!
Geht man dem Ganzen aber nach, sieht man doch, dass die Palette weit gestreut ist, von Arten, die noch sehr ursprünglich, „primitiv“ geblieben sind, bis hin zu hoch spezialisierten Arten.
Aber auch bei hochspezialisierten Arten wird man einzelne ursprüngliche Merkmale entdecken, die bei anderen Arten längst verschwunden sind.
Geht man etwas näher an unsere Verwandtschaft heran und nimmt nur die Primaten, so findet man Arten mit und ohne Baculum.

Es gibt zweifellos, im Rahmen der Evolution, Mutationen, die vergleichsweise häufig und immer wieder auftreten.
So z.B. Albinismus (1 : 20 000), (ausgerechnet in Afrika sogar 1 : 10 000).

Ein anderes Beispiel ist der blaue Wellensittich, der in wildlebenden Populationen auch immer wieder mal auftritt.

Man braucht dazu nicht einmal ständig wiederkehrende Mutationen, es genügt, dass sich dieses Merkmal rezessiv vererbt.
Die grünen Wellensittiche schleppen dieses Gen teilweise mit sich herum, ohne dass es äußerlich, (im Phänotyp) in Erscheinung träte.
Erst, wenn sich zufällig zwei rezessiv blaue Wellensittiche mit einander paaren, kommen wieder einmal sichtbar blaue Wellensittiche zum Vorschein. Das statistische Ergebnis ist dann: 25% reinerbig und äußerlich grün, 50% äußerlich grün, aber spalterbig in blau und 25% reinerbig und äußerlich blau.
Wie wir alle wissen, kann sich der blaue Wellensittich aber in der freien Natur nicht durchsetzen, er fällt zu sehr auf. Einmal, weil das Gras eben grün ist, zum anderen, weil er, als Schwarmvogel, zu leicht durch einen Greifvogel zu fixieren ist.
Das würde sich in dem Moment ändern, wenn das Gras in Australien blau werden würde.

Das „hinterlistige“ an rezessiven Genen ist jedoch, dass sie eben in Verbindung mit einem dominanten Gen überdeckt werden, somit im Phänotyp nicht auftauchen und deshalb gewöhnlich durch die Selektion nicht angreifbar sind.
Nach Dawkins „Das egoistische Gen“ sind somit die rezessiven Gene eigentlich die „schlaueren“.

Albinismus wird auch rezessiv vererbt, taucht er im Phänotyp auf, wird er für gewöhnlich durch Selektion vernichtet.
Bei einigen Tieren, die dauernd oder die meiste Zeit im Schnee leben, hat er sich aber bewährt und deshalb ist für diese Tiere jetzt weiß, die Normalfarbe.

Gehen wir nun davon aus, dass irgendwann einmal ein rezessives Gen entstanden ist, das eine Verknöcherung des Schwellkörpers bewirkt hat, so wird es dieses Gen eventuell noch heute geben.
Es wird gelegentlich auftauchen und je nachdem, ob es für die Art nützlich oder schädlich ist, eliminiert werden, oder sich durchsetzen.
Beim Menschen hat es sich eben nicht durchgesetzt, beim Gorilla schon.

Nun müsste man nur noch wissen, ob es hin und wieder Menschen mit Baculum gibt…

Gruß, Nemo.

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Stelle Dir einen aufrecht durch die Savanne streifenden Jäger
und sammler vor, der diesen empfindlichen Körperteil aufrecht
vor sich herträgt.

Vielleicht wird der Penis eines Affen ja einfach dadurch „aktiviert“, dass er sich bzw. sein Becken aus der angewinkelten Haltung aufrichtet. Und der Mensch ist schon in seiner normalen Körperhaltung aufgerichtet und da stört’s.

Das hieße, dass der Wegfall des Baculum eine direkte Folge des aufrechten Gangs wäre und nichts mit Sexualverhalten zu tun hätte.

Das wäre allerdings schade (für die Diskussion).

mfg
Klaus