Habt ihr positive Vorbilder

von älteren, sehr viel älteren Menschen?

Ich bin immer wieder fasziniert von 80-90jährigen, die ausgeglichen, fröhlich sind, eine positive Ausstrahlung haben. Auf Anhieb fallen mir mindestens 20 solcher Menschen ein.

Ich werde von 2en berichten:
eine Dame, sie war schon 98 (und wurde gesegnete 102) lief jeden Tag, ob Winter ob Sommer, gepflegt angekleidet mit Hut und Handschuhen, Regenschirm, um in die Stadt zu fahren und Kaffee zu trinken. Ihre Wäsche hielt sie selbst immer noch Ordnung, Blusen wurden von ihr selbst gebügelt, ja ihre Wäsche war super gepflegt (weiß ich von der Masseurin), die Schuhe waren geputzt und sie war immer freundlich, klöhnte mal, tratschte nie und war auch geistig absolut fit und im Tagesgeschehen auf dem neuesten Stand. Ich weiss, sie las jeden Tag 1/2 Stunde in ihrer Lexikothek. Die ‚Dame‘ habe ich immer bewundert.
Die andere ist meine Ex-Schwiegermutter. Bis zu ihrer Erkrankung mit 86 Jahren habe ich sie nie (!!) jammern, meckern, schimpfen gehört (sie hatte dann einen Schlaganfall und wurde zum Pflegefall, auch ich versorgte sie mit und auch dann hat sie nur insofern gejammert, als sie wollte, dass wir sie einschlafen ließen) Und das von Fritz angesprochene Nörgeln war ihr absolut unbekannt. Nur wenn ihre Katze ausbüchste schimpfte sie wie „ein Rohrspatz“. Sie hat auch Kummer gehabt, aber hatte immer ein freundliches Wort. Weil sie so beliebt war, hat sie sogar bis 70 voll gearbeitet als Personalkontrolleurin in einem großen Kaufhaus (und auf den freien Tag verzichtet, weil ja die jungen Frauen ihn mehr bräuchten). Bis 86 ist sie (angefangen mit 65) jedes Jahr 6 Wochen in die USA geflogen. Eine tolle Frau.

So ausgeglichen möchte ich im Alter auch sein. Selten treffe ich solche Menschen und hoffe selbst, keine Nörglerin zu werden … aber… wir können alle daran arbeiten, oder?

Nachdenkliche Grüße
kikut

Hallo,

ich kann nur sagen: Peter Drucker.

http://www.peter-drucker.com

speedofthoughts

Liebe Kikut,

Gott schütze mich vor dem Wunsch ein hohes oder gar biblisches Alter zu erreichen. Deine Beispiele sind doch die Ausnahme. Ein hohes Alter ist selten ein schönes Alter.

Die geriatrische, lebenserhaltende Medizin wird in Kürze (teilweise schon jetzt) nur noch für vermögende alte Menschen eingesetzt werden. Ganz ungeniert wird schon von Altersreduzierung gesprochen. Diese Zukunft ist wenig erstrebenswert!

Darüberhinaus liegt es doch nicht in unserem Ermessen wann wir abgerufen werden. Das sollten wir lieber einer höheren Instanz überlassen, als kindische Hoffnungen zu hegen. Zur Reife gehört auch der Gedanke an den eigenen Abschied.

Wie könnte mir das hohe Alter eines rüstigen und vitalen Menschen Vorbild sein? Sollte ich versuchen ebenso zu werden? Es kann mich verwundern, erstaunen und überraschen. Es ist aber, wenn überhaupt, nur zu einem ganz geringen Teil sein eigener Verdienst.

Zeitlebens ist der Zeitpunkt unseres Todes ein unbekannter Faktor. Genießen wir also jeden neuen Tag und halten und an Vorbilder die wir erreichen können oder könnten.

Viele Grüße
Michael

Hallo Christel,
nun will ich doch auch dazu meinen Senf absondern :smile:
Ich habe viele Vorbilder. Ich habe Vorbilder aus vielen Altersstufen. Als ich jung war, waren das naturgemäß viele, die älter waren als ich. Heute nimmt die Zahl derer, die von mir bewunderte Dinge sagen und tun und die jünger sind als ich, ständig zu.
Und ich denke, das ist auch gut so. Vorbildlich sollte doch immer ein Handeln, eine Haltung sein, auf die wir von allein nicht gekommen wären, die uns aber hilft, unser Leben zu bereichern.
Zwei praktische Beispiele:
Als Kind fand ich meinen Onkel toll, der grade mal 14 Jahre älter ist als ich. Der hat nach dem Krieg sein Abitur gemacht, sich sein Studium selbst verdient, war geschickt in allen handwerklichen Dingen.
Heute finde ich die Unbefangenheit, das Unbekümmerte vieler junger Leute um die 20 vorbildlich. Es sind Eigenschaften, die ich als hilfreich zur Lebensbewältigung empfinde, und die nachzuvollziehen ich angesichts vieler Erfahrungen (fast) verlernt habe.
Auch das Staunenkönnen und die Entdeckungsfreude sehr junger Menschen finde ich immer wieder nachahmenswert. Ich meine diese kindliche Neugier, herauszukriegen, was hinter der nächsten Ecke steckt, was etwas bewegt. Auch das ist mir immer wieder Vorbild.

Grüße
Eckard.

1 Like

hallo Eckard,
ich habe ja nicht gesagt, dass ich nicht auch junge oder jüngere Menschen bewundere. Es ist nur so - gemessen auch an Fritz’ Posting, dass ältere Menschen häufige sehr sehr nörgelig und unzufrieden sind. Egal ob sie Grund haben oder nicht, ich stelle nur immer wieder fest, dass es etliche gibt, die trotz aller Widrigkeiten, die ihnen wiederfahren sind, sie eine offene, herzliche und fröhliche Art haben - die ich sehr anziehend finde.

:Und ich denke, das ist auch gut so. Vorbildlich sollte doch

immer ein Handeln, eine Haltung sein, auf die wir von allein
nicht gekommen wären, die uns aber hilft, unser Leben zu
bereichern.

Genau das meine ich, in meinem Umfeld sind nicht viele solche aufgeschlossenen Menschen, oder ich habe nicht erkannt, wie die das Leben anderer bereichern könnten.

Heute finde ich die Unbefangenheit, das Unbekümmerte vieler
junger Leute um die 20 vorbildlich. Es sind Eigenschaften, die
ich als hilfreich zur Lebensbewältigung empfinde, und die
nachzuvollziehen ich angesichts vieler Erfahrungen (fast)
verlernt habe.

Genau das meine ich, ich habe es auch verlernt, unbekümmert, spontan zu sein und eigne es mir mühsam wieder an. Nur es klappt noch nicht so, weil ich persönlich zu leicht wieder in den stimmungsmäßigen Keller ziehe oder ziehen lasse. Darum ja meine Bewunderung von Menschen, die positiv sind - trotz aller Stolpersteine in ihrem Leben

Auch das Staunenkönnen und die Entdeckungsfreude sehr junger
Menschen finde ich immer wieder nachahmenswert. Ich meine
diese kindliche Neugier, herauszukriegen, was hinter der
nächsten Ecke steckt, was etwas bewegt. Auch das ist mir immer
wieder Vorbild.

zustimmende und auf Fröhlichkeit und Ausgeglichenheit aufbauende Grüße
Christel

Mary & Jim
Hallo kikut,

im Januar vergangenen Jahres waren wir in Kilfinan, Schottland. Wir wohnten in einem kleinen Hotel, einer ehemaligen Kutschenstation aus dem 18. Jh. Es gab in dieser Woche ein Ceilidh im Hotel, eine Geburtstagsfeier, zu der sämtliche Einwohner der beiden naheliegenden Dörfer Kilfinan und Otterferry strömten, summa summarum etwa 70 Leute, ein Teil der Herren kam im Kilt. Wir waren selbstverständlich dabei, Schotten sind sehr gastfreundlich.

Die Tafel bog sich, Famous Grouse floß in Strömen, es gab schottische Tänze, es wurde viel gelacht und gesungen. Jim, ein etwa 70jähriger Mann, trug unter viel Gelächter ein ellenlanges gälisches Lied im Sprechgesang vor. Seine gleichaltrige Frau amüsierte sich ebenfalls sehr, die beiden tanzten, lachten und scherzten mit den anderen.

Die Hotelmanagerin ezählte uns, daß die beiden an diesem Tag von ihrer dreiwöchigen Reise zurückgekommen waren und ihr Haus verwüstet vorgefunden hatten: In ihrer Abwesenheit war ein Wasserrohr im oberen Stockwerk geplatzt. Erst nach Tagen war die Katastrophe durch Nachbarn entdeckt worden, als das Tauwetter eingesetzt hatte und Wasser unter der Tür hindurch auf die Straße strömte. Mary & Jim konnten in ihrem Haus nicht übernachten, sie schliefen vorerst im Hotel.

Am nächsten Morgen schien die Sonne, wir machten uns auf den Weg und trafen dabei Mary, die auf der Schwelle ihres Hauses stand. Die beiden lebten im 300 Jahre alten winzigen ehemaligen Schulhaus des Dorfes. „Wollt ihr es sehen?“ fragte sie uns. Wir nickten betreten und traten ein. Sie führte uns durch die wenigen Räume. Alles war naß, durchfeuchtet, modrig. Sie hob ein paar nasse Dinge an. „Ich glaube nicht, daß man noch irgendwas retten kann. Wir haben jetzt nur noch die Sachen im Koffer, mehr nicht.“ Sie lächelte, zuckte die Achseln und blinzelte in die Sonne „Was soll man machen.“

Ihre ruhige Gelassenheit. Ihre Fähigkeit, trotz ihrer Lage mit den anderen zu feiern. Nicht zu verzweifeln. Den Mut nicht zu verlieren. Zu wissen, es geht irgendwie weiter. Das hat mich sehr sehr beeindruckt.

Viele Grüße
Diana

Seit ein paar Wochen endlich mal
Hallo Kikut,

ja, seit drei Wochen kenne ich eine 65jährige Deutsche, die alleine in einem Haus in den Bergen von Wales lebt. Ich war dort mit meiner Mutter (63) zu Besuch, Frau Bredow vermietet zwei Zimmer des (sehr großen und wunderbar eingerichteten) Hauses an Feriengäste.

Bewundern tu ich sie einerseits, weil sie den Laden alleine schmeißt (mit Esel, Pferden, einem riesigen Grundstück, einer Orchideensammlung, dem Garten und eben auch immer wieder Gästen) dabei aber nicht besonders „rüstig“ ist. Aber sie liebt ihr Zuhause und das gibt ihr die Kraft, von einem Tag zum anderen weiter zu machen.

Sie hatte ein sehr anstrengendes Leben und ihre Familie (+ Ehemann) lebt noch in Deutschland, aber sie hat in Wales vor 15 Jahren ihre „Liebe“ gefunden und sich entschieden, ganz dort zu bleiben, mit allen Konsequenzen. Das finde ich toll.

Zum anderen finde ich sie auch menschlich sehr interessant, gebildet, halsstarrig und humorvoll. Wenn ich mal so alt bin, möchte ich auch so sein. Von mir aus auch gerne halsstarrig, das ist nicht das schlechteste.

Schöne Grüße
Trilli

PS: Ich fand es immer sehr schwer, weibliche Vorbilder zu finden.

hallo Trilli,

das ist ja wirklich ein tolles Erlebnis. Ja, es ist nicht einfach Vorbilder zu finden, denn viele ältere Menschen verbittern. Du siehst, mit einem erfüllten Tagesablauf - und den hat deine neue Bekannte - ist vieles einfacher.

Danke für deine Zuschrift
kikut