Härtung von Stahl/Abkühlgeschwindigkeit

Hallo,

ich habe folgende Frage:

Warum ist eine Stahlprobe (C45K), die auf 900°C erhitzt und anschließend an der Luft langsam abgekühlt wurde, weicher als eine unbehandelte Stahlprobe?

Wie kann ich das begründen („körniger Zementit…“)?

Danke!

Hi,
Eisen/ Stahl existiert in verschiedenen Kristallsystemen. Bei RT liegt Alpha Modifikation/ krz Gitter (kubisch raumzentriert) vor mit geringerer Packungsdichte (68%) bzw. größerem Volumen als die zum Härten/ lösungsglühen notwendige Gamma Modifikation/ kfz Gitter (kubisch flächenzentriert) mit höherer Packungsdichte (74%) bzw. geringerem Volumen, bei C-haltigem Stahl etwa ab 723°C (Linienzug PSK im EKD). Die C Atome (Erbsen) sind dennoch in Gamma besser löslich, da die Eisenatome (Tischtennisbälle) einen größeren Zwischengitterabstand Z haben als Alpha (z zu klein, um C atome durchzulassen). Daher ist C nur im Gamma löslich. Wird nun rasch abgeschreckt von Lösungstemperatur Gamma (900°C), will sich das Kristallsystem von kfz in krz umwandeln. Wegen der raschen Abschreckung können die C atome aber nicht ausscheiden und verzerren den krz Alpha Mischkristall Mk. Dadurch entsteht ein übersättigter tetragonal raumzentrierter verzerrter Alpha Mk, der Martensit genannt wird (Volumenvergrößerung). Diese Verzerrung führt dazu, daß keine bzw. nur sehr geringe plastische Veformung erzielt werden kann - gleichbedeutend mit Härtesteigerung. Man kann sich das ungefähr wie beim Militär vorstellen: Austenit: Soldaten in „rührt euch“ Stellung. Bei Umwandlung in Martensit: „Stillgestanden! Achtung! Augen rechts!“.
Also diffusionslose Umwandlung von Gamma zu Martensit (Alpha Strich).
Bei langsamer Abkühlung kann C aus Gamma als bei RT also reines Eisen/ Ferrit mit annähernd 0% C und Perlit mit etwa 0,8%C vor.
Da bei 0%C 100% Ferrit und 0% Perlit, bei 0,8%C aber 0%Ferrit und 100% Perlit vorliegt, kann durch Dreisatz oder über Hebelgesetz (EKD) die Phasenanteile 56% Perlit (56,25%) und 44% Ferrit (43,75%) berechnet werden.
Das Umwandlungsverhalten von Stahl wird durch ZTU (Zeit, Temperatur, Umwandlung) bzw. TTT (Time, Temperature, Transformation) Diagrammen beschrieben. ZTU Diagramme gibts für kontinuierliche und isotherme Umwandlung.
lg O

Hallo,

erst einmal danke für die Antwort!

Könnte ich vereinfacht auch schreiben: „Die Luftgekühlte Probe ist weicher, da sich Ferritkristalle bilden und Kohlenstoffatome entweichen können. In der unbehandelten Probe bewirken diese C-Atome eine „Verzerrung“ des Austenitgitters (=> Härtung des Stahls).“

Hi,
NEIN
Die luftabgekühlte Probe bildet ein Gefüge aus aus Ferrit (Alpha Mk, krz) und Perlit (Eutektoid aus Ferrit und Zementit (Fe3C)) und steht somit im Gleichgewicht.
Rasche Abkühlung verhindert die Ausscheidung von C aus dem umkristallisierenden Gitter, sodaß im (verzerrten) Alpha Mk die interstitiell (auf Zwischenplätzen eingelagerten) C-Atome das Alpha Gitter verzerren, sodaß anstelle krz Alpha Mk ein trz (tetragonal raumzentriert) Gitter entsteht, das als Alpha` (A. Strich) bzw. Martensit bezeichnet wird.
Stell Dir vor, der Alpha Mk ist ein Bus. Beim Wechsel von Gamma zu Alpha (ein Anhänger wird abgehängt, Rest der Passagiere steigt in verbliebenen Bus ein) steigen die C Mitfahrer aus. Es ist Sitzplatz im Bus, keine Verspannung. Da der Bus nun aber dringend (rasche Abschreckung) an die Endhaltestelle muß (kein Ausstieg mehr), sind zuviele Fahrgäste im Bus (müssen stehen), es kommt zu Gedränge, Spannungen.
lg O

Hi,
hier ein paar Links zum Thema. Die Umwandlung von Austenit (Gamma) zu Martensit nennt man Bain Transformation bzw. Kurdjumov Sachs Beziehung.
lg O

http://www.uni-kassel.de/fb15/ifw/qualitaet/qveroeff…
http://www.physik.uni-augsburg.de/~ferdi/skript/teil…
http://www.tu-cottbus.de/fakultaet3/fileadmin/upload…

http://www.lernwerkstoffe.de/ekd.html
http://homepages.fh-regensburg.de/~heh39273/aufsaetz…