… Betroffenheitslyrik …
Lieber Peter,
sorry, aber zumindest macht diese aufgesetzte Betroffenheitslyrik, naja, sagen wir mal: unruhig.
Als Vorbermerkung: den Artikel im Spiegel vom 29.04.2002 als Informationsquelle herzunehmen, ist ein Irrtum, der einem mal passieren kann. Ärgerlich ist nur, dass der Spiegel von Zeit zu Zeit derart schlecht recherchiertes Geschreibsel überhaupt bring … Aber der Volontär ist halt auch nur ein Mensch.
Falls Dich meine Kritik an diesem Artikel näher interessieren sollte, sag Bescheid, dann schreib ich hier was dazu.
Zu Deinem Posting gibt es aber leider satzweise eine Menge zu sagen, ich möchte das auch satzweise tun.
einen schon betroffen machen.
naja, wenn das alles ist was Dich betroffen macht, dann kannst Du dich glücklich schätzen.
Es gibt ja noch Winzer, die ihren Beruf ernst nehmen.
Stimmt, jede Menge sogar. Allerdings muss jeder Winzer heutzutage Technologien einsetzen, die es vor z.B. 300 Jahren noch nicht gab. Sind das deshalb alles Verbrecher?
Überdies ist es ein Unterschied, ob Du in Deutschland als Winzer durchschnittlich 19 ha bewirtschaftest (der Durchschnittswert gilt für die im VDP zusammengeschlossenen Güter) oder ob die durchschnittliche Betriebsgröße so um die 250 ha beträgt (neue Welt). Schon in Bezug auf die Weinbergsarbeit, die Lese, sowie die Weiterverarbeitung ergeben sich aus den unterschiedlichen Betriebsgrößen unterschiedliche Notwendigkeiten.
Die
sind, neben den Verbrauchern die eigentlich Dummen, weil sie
z.B. ihre Auslesen recht mühevoll herstellen, und nicht etwa
durch eindampfen.
Dieser Satz ist eigentlich aus vielen Blickwinkeln nur als unsinnig zu bezeichnen.
Zum einen: Die Verbraucher sind vielleicht wirklich die Dummen, allerdings nicht, weil sie mutwillig verarscht werden, sondern weil sie in großer Mehrheit glauben, dass sie für 1,99 Euro z.B. einen Chianti Classico erwerben können, der real produziert wurde. Oder eine Spätlese aus Rheinhessen, oder einen Rioja Riserva, oder … oder … oder.
In diesem Zusammenhang empfehle ich Dir folgenden Artikel:
http://www.wein-plus.de/magazin/index.html?show=inha…
Der Autor ist ein profunder Kenner der Scene und der Artikel bennennt Ursache und Wirkung in seltener Eindeutigkeit.
Weiterhin zeigt Dein Satz lediglich, dass Du über die Verfahren der Mostkonzentration (so nennt sich das nämlich) nicht mal ansatzweise informiert bist. Deshalb einige Informationen:
Es gibt in der Weinwirtschaft drei gängige Verfahren, die Du mit
dem schönen Begriff „eindampfen“ halt doch etwas simplifizierend zusammenfasst:
- Die Vakuumverdampfung
Hierbei wird der Most bei Unterdruck auf ca 40 °C erhitzt. Da der Siedepunkt des Wassers bei Unterdruck herabgesetzt wird, kann so aus dem Most ein gewisser Anteil an Wasser extrahiert werden. Dieses Verfahren geht noch am ehesten unter dem Begriff „eindampfen“ durch.
- Die Umkehrosmose
Hierbei werden die osmotischen Vorgänge an einer Membran ausgenutzt. Gängig ist das Verfahren u.a. bei der Meerwasserentsalzung, sowie bei der Abwasserreinigung. Das Verfahren beruht auf zwei Kammer, die durch eine Membran mit der Durchlässigkeitsweite für Wassermoleküle beruht. Bei der kellertechnischen Anwendung der Umkehrosmose befindet sich nun in einer Kammer Wasser, in der anderen Wein. Die Kammer mit dem Wein wird nun unter Überdruck gesetzt, somit kehrt sich der (normale) osmotische Vorgang um, und Wasser aus dem Wein „wandert“ in die Kammer mit dem Wasser. Wenn Du das näher erklärt haben willst guck entweder in eine Suchmaschine Deiner Wahl oder frag nochmal.
- Die Kyroextraktion
Bei diesem Verfahren werden die ganzen (!!!) Trauben vor der Kelterung auf unter -7°C gefroren und dann weiterverarbeitet wie Eiswein.
Die unter 2. und 3. beschriebenen Methoden haben also mit „eindampfen“ schon mal gar nix zu tun.
Als nächstes sei angemerkt, dass Du auch durch „eindampfen“ aus einer dünnen Brühe keine Auslese machen kannst. Die Bestimmung der Zuckerkonzentration (und nichts anderes ist die Angabe Oechsle) muss zwingend vor jeglicher Weiterverarbeitung erfolgen.
Überdies ist, zumindest in Deutschland, nach einer mostkonzentrierenden Behandlung beim fertigen Endprodukt die Angabe eines Prädiktes verboten. Und in Deutschland ist die Mostkonzentration nur in Einzelversuchen in einigen wenigen Betrieben erlaubt. Die Kontrollen dort sind durchaus gewissenhaft. In Frankreich, Italien, USA, Australien, Spanien, Neuseeland, Chile, Südafrika, Argentinien ist das anders …
Als letztes hierzu: Jeder, aber auch jeder der mit dem Thema beschäftigt ist wird Dir eines bestätigen: Du erreichst durch Konzentrationsverfahren keine substantielle Verbesserung des Ausgangsmaterials. Ganz im Gegenteil: Jegliche Beeinträchtigung des Lesegutes (z.B. durch die verschiedenen Fäulnisarten) macht eine Bearbeitung durch mostkonzentrierende Verfahren unmöglich. Der Grund ist eigentlich ganz einfach: Durch den anteiligen Entzug des Wassers konzentrierst Du nicht nur die gewünschten Extrakt-, Säure- und Fruchtkomponenten, sondern auch jeglichen Fehlton.
Die Konsequenz ist doch schlußendlich: wir schaffen das
Weinrecht am besten ab.
Alleine zu diesem Satz könnte man Bücher schreiben:
Einerseits ist klar, dass die Erzeugung von zum menschlichen Verzehr gedachten Erzeugnissen gewisser Regelungen bedarf. Andrerseits ist gerade das bestehende deutsche Weinrecht ein derartigen Blödsinn, dass es vom französischen und italienischem nur knapp überholt werden kann …
Es gibt (Stand 2002) mittlerweile 16 verschiedene Begriffe um Wein qualitativ zu beschreiben, einige davon sind im deutschen Weingesetz festgeschrieben, andre nicht.
Die Regelungs- und, vor allem, die Kontrolldichte ist nirgendwo auf der Welt derart ausgeprägt wie in Deutschland.
Aber: nicht nur in Deutschland wird Wein produziert und die Klassifizierungregeln des deutschen Weingesetzes lassen sich nicht einfach auf andre Länder übertragen.
Mal davon abgesehen, dürfte diese Industrialisierung des
Weinbaus vielen kleinen Winzern das Genick brechen.
Diese Industrialisierung wurde von den Verbrauchern dieser Welt so gewollt und durch ihre Nachfrage so bestimmt.
Abgesehen davon ist bitte zu berücksichtigen, dass auch der Winzer ein Unternehmer ist - mit allen Risiken und allen Chancen.
Und nenne mir bitte einen Spitzenwinzer, der Schwierigkeiten hätte seine Produktion zu verkaufen. Ganz im Gegenteil ist es gerade bei den wirklich guten Betrieben eher schwierig, noch was zu ergattern. Und falls der Markt irgendwann mal die Güte haben sollte, Produkte die sich qualitativ auf dem Niveau der Gebietswinzergenossenschaft Franken bewegen, vom Markt zu spülen (sic!) dann wäre das nur begrüßenswert.
Die sozialen Kosten trägt dann im Rahmen der EG der
Steuerzahler.
Unsinn! Zumindest in D sind die meisten Winzer Einzelunternehmer und deren Pleite interessiert genausowenig wie die Pleite des schlechten Schusters, der guten, aber glücklosen Bäckers etc.
Grüße
mhg