Carolina
Der Verweis auf die Constitutio Criminalis Carolina (auch einfach ‚Carolina‘ oder CCC) von 1532 ist (zumindest für das Deutsche Reich) die einzig sinnvolle Antwort. Sie steht zwar am Beginn der Neuzeit, aber selbsrverständlich greift sie mittelalterliche Rechtspraktiken auf und vereinheitlicht sie für das gesamte Reich. Vorher galten Strafgesetze (idR ist es sinnvoller, von Rechtsbräuchen zu sprechen) eben nur lokal.
Fortschrittlich war die Carolina nicht nur in Hinsicht auf die Vereinheitlichung der Rechtsprechung, sondern auch in Hinsicht auf Differenzierung bei Straftatbestand und Täter.
Mit Diebstahlsdelikten befassen sich die Artikel 157 bis 174 der Carolina, wobei das Prinzip der Differenzierung bereits in den drei Artikeln 157 - 159 deutlich wird.
Unterschieden wird zunächst nach Wert des Diebesguts, wobei die Grenze zwischen ‚großem‘ und ‚kleinem‘ Diebstahl bei 5 Gulden (also ziemlich hoch) angesetzt wird. Dann wird unterschieden zwischen ‚geheimem‘ (heimlichem) Diebstahl und offenem - wobei ‚offener‘ Diebstahl in Richtung Raub geht. Weitere entscheidende Tatmerkmale sind die Verbindung mit Einbruch und der Gebrauch von Waffen.
In Bezug auf den Täter wird vor allem beachtet, ob es sich um einen Erst- oder Wiederholungstäter handelt, außerdem vor allem bei Ersttätern „Stand und Wesen“ des Täters. Erstaunlicherweise findet sich hier schon der Gedanke einer möglichen Besserung des Straftäters, der bei der Zuweisung der Strafe durch richterliches Ermessen Rechnung getragen werden kann. Nicht zuletzt ist für die konkrete Bestrafung von großer Bedeutung, ob der Straftäter in der Lage ist, Geldbußen zu leisten.
Um dies anhand der Artikel 157 - 159 zu demonstrieren:
Artikel 157 betrifft den „allerschlechtesten heimlichen Diebstahl“; „allerschlechtest“ bedeutet hier den geringfügigsten. D.h. der Wert des Diebesgutes liegt unter 5 Gulden, der Täter ist unbescholten und wird nicht auf frischer Tat erwischt (heimlicher und geringer Diebstahl). Strafe ist eine Geldbuße im doppelten Wert des Diebesgutes. Kann diese nicht erbracht erbracht werden, Kerkerhaft, wobei deren Länge im Ermessen der Richter steht.
Artikel 158 betrifft dieselben Tatbestandsmerkmale, nur wurde hier der Diebstahl offen ausgeführt. Hier ist Strafe öffentlicher Pranger, Prügelstrafe sowie Ausweisung. Bei guter Prognose kann das Urteil auf das Strafmaß des Art 157 gemildert werden, jedoch mit Geldbuße im vierfachen Wert des Diebesguts.
Bei Art. 159 kommt nun erschwerend der Einbruch hinzu (Einbruchdiebstahl). Weiteres erschwerendes Tatbestandsmerkmal ist der Gebrauch von Waffen. Hier ist nun selbst bei geringem Diebstahl (Wert unter 5 Gulden) die Todesstrafe fällig - durch Hängen bei Männern oder Ertränken bei Frauen. Bei Vorliegen mildernder Umstände kann das Strafmaß herabgesetzt werden: auf Ausstechen der Augen, Abhauen einer Hand oder eine vergleichbar schwere Körperstrafe.
Freundliche Grüße,
Ralf