Handabhacken bei Dieben -auch in christl. Ländern?

Hallo und Guten Tag,

ich will es jetzt ein für alle mal wissen: Stimmt es, dass im Mittelalter auch in christlichen Ländern Handabhacken bei Diebstahl üblich war? Z.B. wird das in diesem Artikel (wo es eigentlich um etwas ganz anderes geht, nämlich um Haare) im ersten Satz behauptet:

http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article…

Bzw. was war denn im Mittelalter die Strafe für Diebe?

Weiß das jemand?

Vielen Dank im Voraus für Antworten,

Jasper

Howdy,

ich will es jetzt ein für alle mal wissen: Stimmt es, dass im
Mittelalter auch in christlichen Ländern Handabhacken bei
Diebstahl üblich war? Z.B. wird das in diesem Artikel (wo es

man lese

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f9/D…

Darumb in diesem Fall
der Mann mit dem Strang
und das Weib mit dem Wasser
oder sonst nach gelegenheit der Personen
und ermessung deß Richters in ander weg
mit außstechung der augen
oder abhauwung einer hand
oder einer andern dergleichen schweren leibstraff
gestraft werden soll

(Tippfehler meinerseits darf jeder behalten)

Gruss
norsemanna

Hallo

ich will es jetzt ein für alle mal wissen: Stimmt es, dass im
Mittelalter auch in christlichen Ländern Handabhacken bei
Diebstahl üblich war? Z.B. wird das in diesem Artikel (wo es
eigentlich um etwas ganz anderes geht, nämlich um Haare) im
ersten Satz behauptet:

Bzw. was war denn im Mittelalter die Strafe für Diebe?

Das kann man nicht generell sagen, weil es im Mittelalter, ebensowenig wie heute noch, ein einheitliches Strafrecht für alle christlichen Länder gab. Was in der Reichsstadt Nürnberg am Galgen endete, mag in der Reichsstadt Ulm den Richtblock bedeutet haben, wofür man in Regensburg im Kerker landete, wurde in Paderborn mit Verbannung aus der Stadt bestraft.
Generell war man schneller zur Hand mit Leibstrafen als heute, weil es erstens billiger war und zweitens aus sozialen Gründen: Wenn ein Delinquent eine Familie zu ernähren hatte, war allen, zumindest allen anderen, eher damit geholfen, ihn „nur“ auszupeitschen, anzuprangern oder zu brandmarken, als ihn ins Verlies zu werfen oder auszuweisen. Außerdem war jede Arbeitskraft vor der Erfindung der Dampfmaschine rar und damit wertvoll.

In Konstanz, damals 6000 Einwohner, wurde jedes Jahr durchschnittlich eine Todesstrafe vollstreckt. Man mag daran ermessen, wo etwa die Grenze zum todeswürdigen Kapitaldelikt gezogen worden sein muss.

In Großbritannien wurde man noch im 19. Jahrhundert für ein gestohlenes Brot nicht ins Gefängnis gesteckt oder bekam die Hand amputiert, sondern man kam gleich an den Galgen. Später ging man dann dazu über, die Leute nach Australien zu deportieren. In Kalifornien kommt man heute nach dem dritten Strafurteil lebenslang ins Gefängnis, ganz egal, was die ersten beiden Delikte waren.

(Generell sind die angelsächsischen Länder durch die letzten vierhundert Jahrhunderte das Paradebeispiel dafür, wie man bei den Menschenrechten den anderen hinterherhinkt.)

Wann endete also überhaupt in der christlichen Welt - als ganzes betrachtet - das Mittelalter für dich?

Gruß
smalbop

Nachfrage

Was in der Reichsstadt Nürnberg
am Galgen endete, mag in der Reichsstadt Ulm den Richtblock
bedeutet haben, wofür man in Regensburg im Kerker landete,
wurde in Paderborn mit Verbannung aus der Stadt bestraft.
Generell war man schneller zur Hand mit Leibstrafen als heute,

Hallo,

kommt es nicht auch darauf an, wer etwas macht? Ich habe mal gehört, dass Eigentumsdelikte sehr scharf bestraft wurden (also jemand klaut ein Brot), während Todschlag (der Landherr erschlägt einen Bauern) mit einer Strafzahlung erledigt war.

Gruß
PW

Hallo

Was in der Reichsstadt Nürnberg
am Galgen endete, mag in der Reichsstadt Ulm den Richtblock
bedeutet haben, wofür man in Regensburg im Kerker landete,
wurde in Paderborn mit Verbannung aus der Stadt bestraft.
Generell war man schneller zur Hand mit Leibstrafen als heute,

kommt es nicht auch darauf an, wer etwas macht? Ich habe mal
gehört, dass Eigentumsdelikte sehr scharf bestraft wurden
(also jemand klaut ein Brot), während Todschlag (der Landherr
erschlägt einen Bauern) mit einer Strafzahlung erledigt war.

Zumindest in Deutschland werden Eigentumsdelikte auch heute noch vergleichsweise hart bestraft und Straftaten gegen Leib und Leben lasch.
Wobei es damals ganz sicher ein Unterschied war, ob das Opfer ein freier Mann war oder ein Leibeigener. Wenn ein Ritter etwa den durchreisenden Kaufmann aus einer freien Reichsstadt ermordete, verfiel er auch damals der Reichsacht. Wenn es ein fremder Leibeigener war, musste er nur dessen Leibherrn „Schadenersatz“ zahlen. Oft wurde auch bei Freien „Blutgeld“ bezahlt - wenn sich etwa Täter einerseits und Angehörige des Opfers und Magistrat der Stadt andererseits entsprechend einigten - dann wurde auf weitere Strafe verzichtet. Es stand dann der Gedanke im Vordergrund, die Hinterbliebenen auf Kosten des Täters abzusichern, einen Sozialstaat gab es ja noch nicht. Wobei man auch sieht, dass der Opferschutz an sich wohl keinen allzu großen Stellenwert in der Strafjustiz hatte. Es liegt auch auf der Hand, dass unfreien Tätern diese Möglichkeit, sich loszukaufen, schon mangels Vermögens nicht offen stand.

Generell ist dieses Thema aber zu komplex, als dass da jemand den Überblick über das gesamte christliche Abendland haben könnte, fürchte ich.

Gruß
smalbop

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Carolina
Der Verweis auf die Constitutio Criminalis Carolina (auch einfach ‚Carolina‘ oder CCC) von 1532 ist (zumindest für das Deutsche Reich) die einzig sinnvolle Antwort. Sie steht zwar am Beginn der Neuzeit, aber selbsrverständlich greift sie mittelalterliche Rechtspraktiken auf und vereinheitlicht sie für das gesamte Reich. Vorher galten Strafgesetze (idR ist es sinnvoller, von Rechtsbräuchen zu sprechen) eben nur lokal.

Fortschrittlich war die Carolina nicht nur in Hinsicht auf die Vereinheitlichung der Rechtsprechung, sondern auch in Hinsicht auf Differenzierung bei Straftatbestand und Täter.

Mit Diebstahlsdelikten befassen sich die Artikel 157 bis 174 der Carolina, wobei das Prinzip der Differenzierung bereits in den drei Artikeln 157 - 159 deutlich wird.

Unterschieden wird zunächst nach Wert des Diebesguts, wobei die Grenze zwischen ‚großem‘ und ‚kleinem‘ Diebstahl bei 5 Gulden (also ziemlich hoch) angesetzt wird. Dann wird unterschieden zwischen ‚geheimem‘ (heimlichem) Diebstahl und offenem - wobei ‚offener‘ Diebstahl in Richtung Raub geht. Weitere entscheidende Tatmerkmale sind die Verbindung mit Einbruch und der Gebrauch von Waffen.

In Bezug auf den Täter wird vor allem beachtet, ob es sich um einen Erst- oder Wiederholungstäter handelt, außerdem vor allem bei Ersttätern „Stand und Wesen“ des Täters. Erstaunlicherweise findet sich hier schon der Gedanke einer möglichen Besserung des Straftäters, der bei der Zuweisung der Strafe durch richterliches Ermessen Rechnung getragen werden kann. Nicht zuletzt ist für die konkrete Bestrafung von großer Bedeutung, ob der Straftäter in der Lage ist, Geldbußen zu leisten.

Um dies anhand der Artikel 157 - 159 zu demonstrieren:

Artikel 157 betrifft den „allerschlechtesten heimlichen Diebstahl“; „allerschlechtest“ bedeutet hier den geringfügigsten. D.h. der Wert des Diebesgutes liegt unter 5 Gulden, der Täter ist unbescholten und wird nicht auf frischer Tat erwischt (heimlicher und geringer Diebstahl). Strafe ist eine Geldbuße im doppelten Wert des Diebesgutes. Kann diese nicht erbracht erbracht werden, Kerkerhaft, wobei deren Länge im Ermessen der Richter steht.

Artikel 158 betrifft dieselben Tatbestandsmerkmale, nur wurde hier der Diebstahl offen ausgeführt. Hier ist Strafe öffentlicher Pranger, Prügelstrafe sowie Ausweisung. Bei guter Prognose kann das Urteil auf das Strafmaß des Art 157 gemildert werden, jedoch mit Geldbuße im vierfachen Wert des Diebesguts.

Bei Art. 159 kommt nun erschwerend der Einbruch hinzu (Einbruchdiebstahl). Weiteres erschwerendes Tatbestandsmerkmal ist der Gebrauch von Waffen. Hier ist nun selbst bei geringem Diebstahl (Wert unter 5 Gulden) die Todesstrafe fällig - durch Hängen bei Männern oder Ertränken bei Frauen. Bei Vorliegen mildernder Umstände kann das Strafmaß herabgesetzt werden: auf Ausstechen der Augen, Abhauen einer Hand oder eine vergleichbar schwere Körperstrafe.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hängen bzw. Ertränken
Hallo Ralf,

weißt Du auf die Schnelle zu sagen, warum Männer gehenkt, Frauen aber ertränkt wurden? Eine größere Recherche brauchst Du wegen meiner Frage nicht durchzuführen.
Ich vermute, dass der Tod am Galgen weniger qualvoll ist, zumindest aber schneller eintritt als wenn man unter Wasser getaucht wird. Nun frage ich mich, warum man Frauen diesen qualvollen Tod angetan hat.

Grüße
Pit

weißt Du auf die Schnelle zu sagen, warum Männer gehenkt,
Frauen aber ertränkt wurden? Eine größere Recherche brauchst
Du wegen meiner Frage nicht durchzuführen.

Frauen trugen damals Röcke, oft genug ohne Unterwäsche.

smalbop

Hallo Ralf,

Servus,

ich bin zwar nicht Ralf, aber vielleicht kann ich auch helfen.

weißt Du auf die Schnelle zu sagen, warum Männer gehenkt,
Frauen aber ertränkt wurden? Eine größere Recherche brauchst
Du wegen meiner Frage nicht durchzuführen.
Ich vermute, dass der Tod am Galgen weniger qualvoll ist,
zumindest aber schneller eintritt als wenn man unter Wasser
getaucht wird. Nun frage ich mich, warum man Frauen diesen
qualvollen Tod angetan hat.

Das Ertränken galt als die am wenigsten brutale Hinrichtungsart der damaligen Zeit.
Dabei muss man bedenken, dass der Tod beim Erhängen bis zum 19. Jhdt durch Ersticken und nicht durch Genickbruch eintrat (siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Hanging#Methods_of_judi…). Das dauert dauert dann von 10 Minuten aufwärts, während beim Ertränken der Tod schon nach wenigen Minuten eintritt. Wurden Männer zum Tod durch Ertränken verurteilt, sah man das als Akt der Gnade an. Wenn man in Filmen Hinrichtungen durch Erhängen sieht hat das meist sehr wenig mit der Realität im MA oder NZ zu tun.

Grüße
Pit

Lg,
Penegrin

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Hallo smalbop, du fragst:

Wann endete also überhaupt in der christlichen Welt - als
ganzes betrachtet - das Mittelalter für dich?

Soweit ich weiß, fing man im 18. Jahrhundert, also in der Zeit der Aufklärung, zumindest an, die Abschaffung von Körperstrafen wie auch die Abschaffung der Todesstrafe zumindest zu diskutieren. Hat nicht z.B. Friedrich der Große in Preußen die Folter abgeschafft? Und hat Friedrich Wilhelm II. nicht sogar das „Spießrutenlaufen“ und die Prügelstrafe in seiner eigenen Armee abgeschafft? D.h. alleine, dass die Berechtigung von Körperstrafen zumindest diskutiert wurde - wenn auch nur in gelehrten Kreisen - lässt für mich hier das Mittelalter enden.

Gruß Jasper.

Hallo

Wann endete also überhaupt in der christlichen Welt - als
ganzes betrachtet - das Mittelalter für dich?

Soweit ich weiß, fing man im 18. Jahrhundert, also in der Zeit
der Aufklärung, zumindest an, die Abschaffung von
Körperstrafen wie auch die Abschaffung der Todesstrafe
zumindest zu diskutieren. Hat nicht z.B. Friedrich der Große
in Preußen die Folter abgeschafft? Und hat Friedrich Wilhelm
II. nicht sogar das „Spießrutenlaufen“ und die Prügelstrafe in
seiner eigenen Armee abgeschafft? D.h. alleine, dass die
Berechtigung von Körperstrafen zumindest diskutiert wurde -
wenn auch nur in gelehrten Kreisen - lässt für mich hier das
Mittelalter enden.

Schön, du sprichst jetzt von Preußen - in deiner Ausgangsfrage aber von der „christlichen Welt“. In der Armee des weltumspannenden Britischen Empire zum Beispiel wurde das Auspeitschen von Soldaten endgültig erst 1905 abgeschafft, kurz bevor die sich dann auch noch aufmachte, den rückständigen Preußen neben ihrem mittelalterlichen Monarchieverständnis auch noch ihren Imperialismus auszutreiben. Wann also endete das Mittelalter in der christlichen Welt - wenn man es schon an Körperstrafen festmacht?

Gruß
smalbop

Guten Morgen,

… kurz bevor die sich dann auch noch aufmachte, den
rückständigen Preußen neben ihrem mittelalterlichen
Monarchieverständnis auch noch ihren Imperialismus
auszutreiben.

Die Ironie kommt nicht so richtig raus bei diesem Satz.
Den Imperialismus - besser gesagt: die spätpreussische Großmannssucht - haben nicht die Briten den Preussen ausgetrieben, sondern die Preussen sich selbst.

Gruss
Laika

Moin,

wie penegrin sagte: „die am wenigsten brutale Hinrichtungsart der damaligen Zeit.“ Ich habe mal gelesen, dass Ertrinken durchaus nicht so unangenehm sein soll, wie man es sich vorstellt - wenn man mal das nach Luft würgen vor der Bewustlosigkeit mal weglässt.
Egal wie, erfahren möchte ich das nicht.

Laika

Moin,

Servus

wie penegrin sagte: „die am wenigsten brutale Hinrichtungsart
der damaligen Zeit.“
Ich habe mal gelesen, dass Ertrinken
durchaus nicht so unangenehm sein soll, wie man es sich
vorstellt - wenn man mal das nach Luft würgen vor der
Bewustlosigkeit mal weglässt.

Bei beiden Methoden tritt der Tod ja durch Ersticken ein. Von daher ist das wohl kein großartiger Unterschied. Allerdings dauert es beim Erhängen wesentlich länger, da man ja durchaus noch eine Zeitlang Lust bekommt. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass das kein schöner Anblick war und schon alleine deswegen Ertränken als ‚Gnade‘ angesehen wurde. Mediziner könnten wohl noch genauer erklären, was mit dem Körper passiert wenn er unter Wasser gerät. Da spielt sich ja auch noch einiges ab.

Laika

Penegrin

da man ja durchaus noch eine Zeitlang Lust bekommt.

Wem es Spaß macht…

Sorry für OT, aber der war einfach zu gut…

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Den Offiziersstock gibt es noch in der britischen Armee.

http://de.wikipedia.org/wiki/Swagger_stick

da man ja durchaus noch eine Zeitlang Lust bekommt.

Wem es Spaß macht…

Sorry für OT, aber der war einfach zu gut…

lol
So schnell kann’s gehen :smile:

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Hallo Penegrin,

vielen Dank, das ist einleuchtend.

Grüße
Pit