Handwerksmeister sinnvoll oder nicht - internationaler Vergleich?

Ein Bekannter hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es in vielen anderen Ländern nicht die berufliche Stellung „Handwerksmeister“ gibt. Die scheint es nur in deutschsprachigen Regionen (Deutschland, Österreich, Schweiz, Norditalien) zu geben, wohl auch mit unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen.

Ist es sinnvoll, dass man für bestimmte Rechte (Ausbildung, Führen eines Betriebs) Meister sein muss oder nicht?
Wie ist das z. B. in Frankreich oder Großbritannien geregelt? Ist die rechtliche Lage da insgesamt freier (wer sich das zutraut, darf), oder gibt es da andere Regelungen?

Karl

Ich nehme an, dass in den Ländern, in denen nicht alles bürokratisch bis zum Exzess reguliert wird, der Markt das regelt…gerade im Handwerk (wg. Meister) geht das schnell.

In Frankreich gibt es den Brevet de Maîtrise, der so einigermaßen mit einem Meisterbrief vergleichbar ist.

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Servus,

es hat u.a. wesentlich dazu beigetragen, dass z.B. das Freiburger Münster, aber auch die Rathäuser in Michelstadt und Augsburg bis heute stehen.

Entgegen gängigen Dafürhaltens haben nicht die Deutschen die Bürokratie erfunden, sondern ihre westlichen Nachbarn. Für selbständige Elektriker gibt es nicht weniger als sechs verschiedene mögliche Qualifikationen, für die im Einzelnen geregelt ist, welche Tätigkeiten sie ausführen dürfen:

  • bac technologique („Technisches Abitur“)
  • bac pro ELEEC („Berufsabitur der Fachrichtung Elektroniker für Energie und Gebäudetechnik“)
  • BM (Meisterbrief)
  • BEP électrotechnique (etwa = Ing(FH))
  • CAP („Zertifikat beruflicher Eignung“)
  • BP électricien („Gehilfenbrief Elektriker“)

Die gegenseitige Anerkennung von ungefähr gleichwertigen Abschlüssen innerhalb der EU hat dazu geführt, dass es im Elsaß recht viele selbständige Elektriker mit türkischen Namen gibt, die in D mutmaßlich wegen der sprachlichen Hürden an der Meisterprüfung gescheitert sind und es nutzen, dass in F der Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung für viele Tätigkeiten eines selbständigen Elektrikers ausreicht. Wer das dann nachher wie kontrolliert, welche Tätigkeiten tatsächlich ausgeführt werden, sei dahingestellt.

Ob die Ursache des Großbrandes beim Hosting-Anbieter OVH in Strasbourg im März 2021 abschließend aufgeklärt werden konnte, weiß ich nicht.

Schöne Grüße

MM

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Auch der Nachweis einer entsprechenden Erfahrung in der Praxis reicht aus. Bei Personen, die bereits 1996 in dem Beruf gearbeitet haben, wird diese Erfahrung ohne weiteren Nachweis angenommen. Das erklärt auch, wie es sein kann, dass jemand seine Dienste sowohl als Elektriker als auch als Sanitärinstallateur anbietet.

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Und wie ist das, wenn man erst seit 3 oder 5 Jahren arbeitet? Muss man da bestimmte Anträge stellen, wenn man einen Betrieb leiten will?

Ich denke schon, vermutlich bei der zuständigen Handwerkskammer.

Die Frage lässt sich nicht so ganz einfach beantworten, weil einige Aspekte in einem Spannungsverhältnis zueinanderstehen. Ich denke, so ganz grundsätzlich dürften sich wohl die meisten Menschen darüber einig sein, dass ein gewisses Qualitätsniveau bei Handwerksberufen (natürlich bei anderen Berufen auch) wünschenswert ist. Bei manchen Handwerkern würde ich sogar so weit gehen, dass da auch ein gewisses öffentliches Interesse besteht. Bei Installateuren, Elektrikern oder Maurern zum Beispiel.

Nun ist aber der Umstand, dass ein Betrieb von einem Meister geführt wird, nicht zwingend Garant dafür, dass der a) die Ausbildung der Lehrlinge und Gesellen vornimmt und b) der Meister nach 10, 20, 30 oder mehr Jahren in seinem Beruf immer noch auf dem neuesten Stand ist.

Die andere Frage ist halt, ob das Führen eines Betriebes (also nicht die Ausführung der Tätigkeit) an Bedingungen wie eine abgeschlossene Ausbildung geknüpft sein sollte. Das kennen wir tatsächlich nur von wenigen anderen Berufen (Apotheker zum Beispiel), was auch Sinn ergibt, denn ob der Betrieb langfristig (kaufmännisch) erfolgreich ist, kann der Öffentlichkeit im Grunde egal sein.

Insofern ist natürlich die Antwort naheliegend, dass der Meisterbrief für das Führen eines Handwerkbetriebes in gewisser Weise entbehrlich ist. Dass es den Meisterbrief überhaupt noch gibt, dürfte an der starken Lobby liegen, die es erfolgreich in den letzten Jahrzehnten geschafft hat, den Meisterzwang für die meisten Handwerke zu verteidigen. Da geht es natürlich nicht primär um Qualitätssicherung, sondern darum, um sich Pfründe zu sichern und sich Konkurrenz (insbesondere aus dem billigen Ausland) vom Leibe zu halten. Insofern ist der Grundgedanke heute in gewisser Weise noch der gleiche wie vor einigen Jahrhunderten in der Welt der Zünfte und Gilden.

Gruß
C.

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Servus,

in der Tat - aber ob das, was er macht, gemeingefährlich ist oder nicht, geht die Öffentlichkeit schon was an. Wenn ich aktuell „Solarteur“ lese, kommen mir unweigerlich wieder die Bilder in den Sinn, die ich vor vielen Jahren über Ludwigshafen und Mannheim gesehen habe, und an deren Ursprung etwas so Banales wie eine unsinnig zusammengeklemmte Photovoltaik-Anlage auf dem Dach einer Lagerhalle für Styroporgranulat stand:

Da wäre bei der Installation der Anlage jemand, der weiß, was er tut, schon gefragt gewesen.

Und - im Gegensatz zu einem Inhaber eines Gehilfenbriefs oder einem Ingeniör (ich bin in Sachen Landwirtschaft beides) hat ein Meister eben sowohl kaufmännische, als auch rechtliche Grundlagen seines Tuns auf der Meisterschule gelernt.

Freilich wäre es gut, diese bereits zum Inhalt von regelmäßigen Berufsausbildungen zu machen. Dann reichten aber die üblichen drei bzw. zwei Jahre nicht mehr aus, und Leuten, die ganz schlicht als Gesell ihre Brötchen verdienen möchten, würden unnötige Hürden in den Weg gestellt.

Von daher halte ich die Trennung von Meister und Gesell für gar nicht so unsinnig und durchaus auch sachlich begründet.

Moral:

Meister ist, der was ersann
Gesell ist, der was kann
Ein Lehrling: Jedermann.

Denn so ist’s Handwerksgebrauch, mit Gunst und Verlaub!

Schöne Grüße

MM

… bekomme ich Ausschlag.

Solarteure sind Elektriker, bei denen der Verstand nur zum Zusammenstecken von roten und schwarzen Adern reichte.

Aus großer Unvernunft entstand die Idee, mich als Installateur bei einem großen Wechselrichterhersteller listen zu lassen. Seitdem bekomme ich Anfragen von Neukunden, die Bestandsanlagen haben. Darunter ein Großteil Anlagen, die komplett zusammengeschustert wurden und zu keinem Zeitpunkt den Mindestanforderungen gerecht wurden.

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