Hannibal-Szene medizinisch möglich?

Hallo,

ich hab mal eine Frage an die Anästhesisten / Ärzte hier.

Ich hab vor kurzem den Film Hannibal gesehen. Es gibt da eine Szene, in der Lecter einem seiner Opfer die Schädeldecke abnimmt und Teile dessen Hirns entfernt. Soweit so… Allerdings ist das Opfer offenschtlich bei Bewusstsein (es spricht), aber voll mit Drogen / Medikamenten.

Ist das medizinisch möglich? Also jemandem soviele Schmerzmittel / Beruhigungsmittel zu geben, dass er das aufsägen des Schädels nicht mehr spürt, aber noch wach ist? Ganz zu schweigen dvon, dass ihm ein kleiner Teil des Hirns entfernt wird. Wo liegen die Grenzen? Ich meine örtlicheh Betäubung gibt es ja.

Danke und Grüße!

Hallo!
Ich bin zwar weder Arzt noch Anästhesist, habe aber mal in der Anästhesie als Krankenpfleger gearbeitet.
Grundsätzlich ist es sicher möglich solche „Operationen“ durchzuführen. Einige OPs am menschlichen Gehirn sind sogar in Lokalanästhesie üblich. Allerdings wird dabei nicht dei komplette Schädelkalotte entfernt. Das Hirn selbst ist nicht schmerzempfindlich, das umliegende Gewebe jedoch schon. Dort müßte man also auch was zur Schmerzausschaltung unternehmen. Denkbar wäre neben Lokalanästhesie entlang der Schnittkanten zusätzlich der Einsatz von Opioiden.

Gruß Robert

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Hallo!

Also ich bin kein Arzt, sondern Handwerker, aber ich wohne neben einem Krankenhaus:smile:)

Spaß beiseite!
Ich glaube mich zu erinnern, vor Ewigkeiten einen Bericht im Fernsehen verfolgt zu haben, bei dem dies ansatzweise tatsächlich so gemacht wurde. Natürlich nicht auf die martialische Weise wie im Film.
Es ging um einen Patienten, der einen Eingriff in unmittelbarer Nähe seines Sprachzentrums erlebte. Der Wachzustand des Patienten war die sicherste Möglichkeit festzustellen, ob man nicht zu nahe an relevante Bereiche gelangte.

Ist keine ausführliche Antwort, aber vielleicht kein schlechter Anfang. Sollten anwesende Mediziner, Schmerzen beim Lesen meines Artikels verspüren, bitte ich dies zu entschuldigen. Wie gesagt, ich bin Handwerker:smile:

Gruß
Christian

Lobotomie
Hi,

und ja - so etwas ist möglich.Zumindest scheint so etwas bei der jüngsten Schwester von John F. Kennedy gemacht worden zu sein. Sie war geistig auf Kinderniveau stehen geblieben - deshalb hielt man sie lange Zeit unter dem Deckel. Als sie pubertierte und Sie damit auch ganz normale Gelüste bekam, nahm man - so das Buch „Die Frauen der Kennedys“ - an ihr, damit sie die Familie nicht durch falsche Beziehungen kompromittiere, solch eine Operation bei vollem Bewusstsein vor. Dabei musste sie angeblich laut zählen, damit die Operateure wussten, wie weit sie noch gehen mussten, um aus dem Geisteszustand einer etwa Zehnjährigen den einer völlig „Besinnungslosen“ zu machen. Schau auch mal unter Lobotomie und Wikipedia. Angeblich, so frühere Fernsehberichte direkt nach der Wende, sei auch an Regimekritikern in Stasigefängnissen mitunter die Lobotomie vorgenommen worden. Erinnere mich da dunkel an eine Reportage über das Gefängnis in Bautzen…

Gruß,

Susanne

Hallo,
wieder Mal: auch ich bin kein Arzt :wink:
Aber ich habe einige Zeit in der neuropsychologischen Abteilung eines großen Krankenhauses gearbeitet und dort die psychologischen Tests gerade bei solchen OPs wie unten beschrieben mit-durchgeführt. Ich versuch das mal ohne Fachausdrücke zu beschreiben:
Bei vielen Operationen des Gehirns (z.B. bei Tumoren, fokalen Epilepsieherden etc.) ist der Patient notwendigerweise zumindest einen Teil der OP bei vollem Bewusstsein.
Die Kopfhaut wird lokal betäubt und von der Schädeldecke gelöst, was man noch recht gut schmerzfrei gestalten kann. Anschließend wird die Schädeldecke geöffnet (was wirklich eher aussieht wie im Werk-Unterricht…). Die meisten Schmerzen hatten die Patienten bei den OPs, bei denen ich dabei war, bei Entfernung der Gehirnhaut, danach sind zumindest die Schmerzen erstmal überstanden (jedenfalls bei vielen).
Das Gehirn selbst kann keine Schmerzen „empfinden“, wie weiter unten bereits geschildert.
Es werden dann bei vollem Bewusstsein des Patienten verschiedene Tests durchgeführt, um sprachliche und motorische „Funktionspunkte“ auf der Oberfläche des Gehirns zu lokalisieren und während der OP nicht zu verletzen. Diese sind nämlich bei jedem Menschen individuel verteilt, man kann nur „Regionen“ definieren, in denen - zumindest bei den meisten Menschen - diese „Funktionspunkte“ verteilt sind.
Ob an einem bestimten Punkt eine sprachliche Funktion sitzt testet man, indem man dem Patienten z.B. ein Bild von einem Elefanten zeigt und es ihn benennen lässt. Patient sagt also „Elefant“.
Dann legt man den jeweils zu testenden Punkt durch (minimale) Stromreize „lahm“, zeigt Patient z.B. ein Bild von einer Tasse. Patient sagt „Tasse“ -> kein „Sprachpunkt“.
Patient sagt aber „Grün“ oder gar nichts oder so --> „Sprachpunkt“.
Auf alle gefundenen Funktionspunkte (können auch motorische sein, d.h. bei Stromreiz bewegt sich der Arm nach oben oder so) werden kleine Markierungspunkte aus Papier gelegt, so dass der Patient am Ende ein bißchen so aussieht, als hätte er mit offener Schädeldecke Fasching gefeiert :wink:
Jetzt hat der Neurochirurg eine Art „Schnittkarte“.
Danach wurde - zumindest bei uns - der Patient meist in Narkose versetzt und ist erst nach der OP wieder aufgewacht.
Die Szene wäre also - zumindest theoretisch und in Teilen möglich, wenn er ihm gelänge, tatsächlich Drogen zu verabreichen, die sämtliche Schmerzen betäuben, ihn aber nicht sedieren. Und danach… Naja, es ist unwahrscheinlich, dass er beim Hirn wegschneiden nicht irgendwelche extrem auffälligen Störungen verursachen würde…
Hoffe, das hat Dir weitergeholfen!
Gruß,
NOrah

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Hallo,

der vorangegangene Post beschreibt alles ganz hervorragend. Etwas möchte ich hingegen noch ergänzen:

Sowei ich mich erinnere, werden Teile des Frontalhirnes entfernt. Dies muss nicht unbedingt sofort zu Verhaltensauffälligkeiten führen, wenn der Patient sediert ist. Die entfernten Bereiche sind vor allem für die Planung und Durchführung von Willkürmotorik zuständig, sowie für die Ausrichtung des Verhaltens nach Aussenreizen, weiter sind psychologische Betroffenheit durch Schmerzen und soziales Verhalten durch diese Hirnbereiche zumindest moderiert.

Übrigens: das Gehirn kann Verlust von Hirnmasse teilweise sehr gut kompensieren. Manchmal fällt dies im Alltag gar nicht auf So gibt es gute Beispiele von Personen, bei denen nach dem Tod durch Unfall, Herzinfarkt etc. ganz überraschend ein fast vollständiger Verlust einer Hirnhälfte festgestellt wurde, ohne dass der Patient auffällig gewesen wäre oder sich über medizinische oder psychische Fehlfunktionen beklagt hätte.

vg
sam

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Hallo Sam,

Übrigens: das Gehirn kann Verlust von Hirnmasse teilweise sehr
gut kompensieren. Manchmal fällt dies im Alltag gar nicht auf
So gibt es gute Beispiele von Personen, bei denen nach dem Tod
durch Unfall, Herzinfarkt etc. ganz überraschend ein fast
vollständiger Verlust einer Hirnhälfte festgestellt wurde,
ohne dass der Patient auffällig gewesen wäre oder sich über
medizinische oder psychische Fehlfunktionen beklagt hätte.

das halte ich gelinde gesagt für Humbug!
Wenn eine Hirnhälfte ausfällt, hast Du eine halbseitige Lähmung und Verlust der Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören) auf einer Seite vorliegen. Fällt die linke Hälfte aus, hast Du die Defekte auf der rechten Seite und umgekehrt.
So was wurde übrigens früher als Ultima Ratio bei schwersten Formen der Epilepsie durchgeführt.

Gandalf

Hallo Sam,

Hallo Gandalf,

Übrigens: das Gehirn kann Verlust von Hirnmasse teilweise sehr
gut kompensieren. Manchmal fällt dies im Alltag gar nicht auf
So gibt es gute Beispiele von Personen, bei denen nach dem Tod
durch Unfall, Herzinfarkt etc. ganz überraschend ein fast
vollständiger Verlust einer Hirnhälfte festgestellt wurde,
ohne dass der Patient auffällig gewesen wäre oder sich über
medizinische oder psychische Fehlfunktionen beklagt hätte.

das halte ich gelinde gesagt für Humbug!
Wenn eine Hirnhälfte ausfällt, hast Du eine halbseitige
Lähmung und Verlust der Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören) auf
einer Seite vorliegen.

Das stimmt ja auch - aber nur dann, wenn die zuvor intakte Hirnhälte völlig ausfällt. Ich schrieb: " fast vollständiger Verlust einer Hirnhälfte". Darüber hinaus existieren Fälle von Menschen, die nur mit einer Hirnhälfte geboren sind und keinerlei funktionelle Einbußen haben.

Fällt die linke Hälfte aus, hast Du die
Defekte auf der rechten Seite und umgekehrt.

Nein, Du hast auch ipsilaterale Effekte. Teilweise hast Du auch nur dann Effekte, wenn nur Elemente der dominanten Hirhälfte ausfallen.

So was wurde übrigens früher als Ultima Ratio bei schwersten
Formen der Epilepsie durchgeführt.

Nein, Du meinst Operationen, bei denen ein Teil der Verbindungen zwischen den Hirnhemisphären durchtrennt wird. Dabei wird nicht die Hemisphäre zerstört.

Gandalf

Sam

Wenn eine Hirnhälfte ausfällt, hast Du eine halbseitige
Lähmung und Verlust der Sinneswahrnehmung (Sehen, Hören) auf
einer Seite vorliegen. Fällt die linke Hälfte aus, hast Du die
Defekte auf der rechten Seite und umgekehrt.
So was wurde übrigens früher als Ultima Ratio bei schwersten
Formen der Epilepsie durchgeführt.

Gandalf

Hallo Sam,

So was wurde übrigens früher als Ultima Ratio bei schwersten
Formen der Epilepsie durchgeführt.

Nein, Du meinst Operationen, bei denen ein Teil der
Verbindungen zwischen den Hirnhemisphären durchtrennt wird.
Dabei wird nicht die Hemisphäre zerstört.

Neinnein.
Die Durchtrennung des Balkens ist eine andere Sache.
In extremen Fällen wird tatsächlich eine komplette Hirnhälfte deaktiviert.
Bei den ersten Fällen wurde die Hirnhälfte vollständig entfernt (entnommen), was man später aus Gründen der Stabilität nicht mehr machte.
Dann wurde das Hirn ‚nur‘ noch so geschädigt, daß es nicht mehr arbeitete. Das hab ich von einem Freund, der als Arzt in Bonn im dortigen Epilepsiezentrum arbeitet.

Gandalf

funktionelle Hemisphärektomie

Hallo Sam,

So was wurde übrigens früher als Ultima Ratio bei schwersten
Formen der Epilepsie durchgeführt.

Nein, Du meinst Operationen, bei denen ein Teil der
Verbindungen zwischen den Hirnhemisphären durchtrennt wird.
Dabei wird nicht die Hemisphäre zerstört.

Neinnein.
Die Durchtrennung des Balkens ist eine andere Sache.

Doch, das ist schon eine typische Methode, aber mittlerweile eine unter mehreren anderen.

In extremen Fällen wird tatsächlich eine komplette Hirnhälfte
deaktiviert.

Dein Freund hat Recht: und zwar in denjenigen Fällen, in denen eine Hemisphäre so stark erkrankt ist, dass sie keine Funktionen mehr übernehmen kann und nur noch epileptische Erregungen auch der gesunden Hemisphäre hervorruft. Das nennt man dann „funktionelle Hemisphärektomie“.

Gandalf

Sam

Wirklich hirnorganische Effekte???
Hi,

die vorredner haben ja schon viel gepostet.
Möglich ist die geschichte schon. Gestorben wär das opfer am ende aber eh, da unter diesen bedingungen eine bakterielle Infektion unvermeidbar wäre.

Eine andere sache sind die gezeigten effekte. Der film war auf rtl ja aufs schlimmste verschnitten, so dass man eher zur dvd oder buchlektüre raten muss.
Das opfer wird schon ganz gut unter droge gestanden haben, also kann man nicht so genau beurteilen, ob es sich tatsächlich um hirnorganische effekte gehandelt hat. Was allerdings DAFÜR sprechen würde ist sein verhalten im gespräch mit starling.
Er war taktlos, abgeflacht euphorisch und ausfallend. Das könnte gut für eine „frontale enthemmung“ sprechen, denn genau dafür ist der frontallappen zuständig…

LG Alex:smile: