Hallo Nathan,
ich habe Küng nicht gelesen und werde es auch zukünftig nicht tun, nachdem ich ihn in einer Fernsehserie zum Thema Weltreligionen erleben durfte und sowohl Art als auch Inhalt seines Vortrags zeitweise schwer erträglich fand. Ich kenne also den Kontext des Zitates nicht und habe auch nicht vor, tiefer in diesen einzudringen. Soweit mein Vorbehalt - mein Kommentar gilt also ausdrücklich einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat. Ob das Zitat diesen Zusammenhang repräsentativ wiedergibt, will ich mal dahingestellt sein lassen.
Nun denn, meine Meinung: ein schönes Beispiel für ein ideologisches Rückzugsgefecht.
Man schmückt sich - die Zeiten haben sich schließlich geändert - gerne mit der Bereitschaft zum interreligiösen Dialog und stilisiert sich zum Vorreiter religiöser Toleranz. Die Mär von der Alleinseligmachenden ist im Laufe der Zeit etwas ranzig geworden und nicht mehr sonderlich gut verkäuflich.
Aber so ganz will man halt auf die Differenzierung zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Religionen dann doch nicht verzichten. Wer jetzt nur ein klein wenig weiter denkt, merkt natürlich, auf was das hinausläuft. Es geht ja nicht (mehr) darum, dass eine Religion entweder absolut gut (das dürfte dann allemal die eigene sein) oder absolut schlecht ist. Es geht darum, einen Vergleichsmaßstab für Religionen zu definieren. Und dann gibt es halt Religionen, die ‚besser‘ und solche, die ‚schlechter‘ sind. Mithin auch eine ‚schlechteste‘ aber (und vor allem darauf kommt es an) eine ‚beste‘. Dreimal darf man raten, welche Herr Küng für die beste hält.
Nun wurde dem Katholiken Küng zwar 1979 von Papst Johannes Paul II. die Lehrerlaubnis entzogen - allerdings, weil er Zweifel an der Unfehlbarkeit seines obersten Chefs äußerte und der sich das nicht gefallen lassen wollte. Das angeführte Zitat hingegen sehe ich durchaus konform mit der offiziellen Lehrmeinung seiner Kirche
Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. […] Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht. […] Andere Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung, die an seiner Mittlerschaft teilhaben, werden nicht ausgeschlossen, aber sie haben doch nur Bedeutung und Wert allein in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi und können nicht als gleichrangig und notwendiger Zusatz betrachtet werden. […]
Der Dialog muß geführt und realisiert werden in der Überzeugung, daß die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und daß sie allein im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist.
(Enzyklika ‚Redemptoris missio‘ von 1990)
Ich persönlich bin übrigens durchaus vom Sinn und Nutzen eines interreligiösen Dialoges überzeugt - nur sollte der auf gleicher Augenhöhe stattfinden. Das ist einfach eine Frage des Respektes.
Nun zum Maßstab selbst, den Herr Küng da anempfieht. Gegen eine utilitaristische Ethik habe ich nicht das Geringste einzuwenden. Allerdings sollte man dann natürlich auch das ‚wozu‘ dieses Utilitarismus genau unter die Lupe nehmen. Herr Küng nennt hier als Zweck dieser Ethik, dass sie „Menschen in ihrer menschlichen Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit fördert und sie eine sinnvolle und fruchtbare Existenz gewinnen läßt“.
Das klingt wirklich sehr schön, ist aber für mich näher besehen nur eine reichlich prätentiöse Leerformel - ein Beispiel für das, wovon ich oben gesagt habe, dass ich es bei Küng gelegentlich schwer erträglich finde. Sie spiegelt vor, dass es einen Konsens darüber gibt, was „menschliche Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit“ denn eigentlich ist. Das ist hohles Wortgeklingel, sonst nichts. Diese Meinung - wie schon eingangs geschrieben - unter Vorbehalt. Möglicherweise erklärt ja Küng andernorts für jeden nachvollziehbar, was die ‚Sinnhaftigkeit‘ des Menschen, seine ‚Werthaftigkeit‘ und seine ‚Identität‘ ist. Ich habe allerdings leise Zweifel daran.
Mit freundlichen Grüßen,
Ralf