Hans Küng: PROJEKT WELTETHOS

Ich habe vor nicht all zu langer Zeit das Buch „Projekt Weltethos“ von Hans Küng gelesen.
Es ist meiner Meinung nach ein sehr sehr gutes Buch, die beste Grundlage für ein Weltethos .
Nur ein Gedanke in dem Buch widerstrebt meiner Vorstellung, und zwar der vom Verhältnis von Religion und Menschlichkeit.

Küng schreibt: (B IV, Das Humanum als ökumenisches Grundkriterium 2. Zum Verhältnis von Religion und Menschlichkeit):

„Insofern eine Religion der Menschlichkeit dient, insofern sie in ihrer Glaubens-und Sittenlehre, ihren Riten und Institutionen die Menschen in ihrer menschlichen Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit fördert und sie eine sinnvolle und fruchtbare Existenz gewinnen läßt, ist sie wahre und gute Religion. (positiv formuliert)
Insofern Religion Unmenschlichkeit verbreitet, insofern sie in ihrer Glaubens-und Sittenlehre, ihren Riten und Institutionen die Menschen in ihrer menschlichen Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit hindert und sie so eine sinnvolle und fruchtbare Existenz verfehlen hilft, ist sie falsche und schlechte Religion. (negativ formuliert)“

Mit dieser Definition von guter bzw. schlechter Religion habe ich Probleme.
Wird durch die Gleichsetzung einer guten Religion mit dem Nutzen der Menschen Religion nicht einfach als Lebenshilfe und -bestätigung abgetan?
Wo bleibt der Bezug zum Absoluten, das dem Humanum gegenübersteht?
Meiner Meinung nach macht Küng die Gebundenheit zu einem Absoluten einer utilitaristischen Ethik gleich!

Was meint ihr dazu?
Gruß Nathan

Mit dieser Definition von guter bzw. schlechter Religion habe
ich Probleme.
Wird durch die Gleichsetzung einer guten Religion mit dem
Nutzen der Menschen Religion nicht einfach als Lebenshilfe und
-bestätigung abgetan?

Das ist doch noch das positivste, was man von den Religionen sagen kann.

Wo bleibt der Bezug zum Absoluten, das dem Humanum
gegenübersteht?

Tja, das mit dem Absoluten ist so eine Sache.
Viele reden davon, aber Nachweise kann keiner bieten.

Meiner Meinung nach macht Küng die Gebundenheit zu einem
Absoluten einer utilitaristischen Ethik gleich!

Nochmals, dass ist das beste, was Religionen leisten können.
Und es gibt jämmerlich wenige, die das leisten.

Vielleicht der Buddhismus in seiner reinen Form, vielleicht dia Bahai.

Aber alle übrigen kannst du vergessen. Die drei monotheistischen zumal!

Gruß Fritz

Hallo Nathan,
ich habe Küng nicht gelesen und werde es auch zukünftig nicht tun, nachdem ich ihn in einer Fernsehserie zum Thema Weltreligionen erleben durfte und sowohl Art als auch Inhalt seines Vortrags zeitweise schwer erträglich fand. Ich kenne also den Kontext des Zitates nicht und habe auch nicht vor, tiefer in diesen einzudringen. Soweit mein Vorbehalt - mein Kommentar gilt also ausdrücklich einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat. Ob das Zitat diesen Zusammenhang repräsentativ wiedergibt, will ich mal dahingestellt sein lassen.

Nun denn, meine Meinung: ein schönes Beispiel für ein ideologisches Rückzugsgefecht.

Man schmückt sich - die Zeiten haben sich schließlich geändert - gerne mit der Bereitschaft zum interreligiösen Dialog und stilisiert sich zum Vorreiter religiöser Toleranz. Die Mär von der Alleinseligmachenden ist im Laufe der Zeit etwas ranzig geworden und nicht mehr sonderlich gut verkäuflich.

Aber so ganz will man halt auf die Differenzierung zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Religionen dann doch nicht verzichten. Wer jetzt nur ein klein wenig weiter denkt, merkt natürlich, auf was das hinausläuft. Es geht ja nicht (mehr) darum, dass eine Religion entweder absolut gut (das dürfte dann allemal die eigene sein) oder absolut schlecht ist. Es geht darum, einen Vergleichsmaßstab für Religionen zu definieren. Und dann gibt es halt Religionen, die ‚besser‘ und solche, die ‚schlechter‘ sind. Mithin auch eine ‚schlechteste‘ aber (und vor allem darauf kommt es an) eine ‚beste‘. Dreimal darf man raten, welche Herr Küng für die beste hält.

Nun wurde dem Katholiken Küng zwar 1979 von Papst Johannes Paul II. die Lehrerlaubnis entzogen - allerdings, weil er Zweifel an der Unfehlbarkeit seines obersten Chefs äußerte und der sich das nicht gefallen lassen wollte. Das angeführte Zitat hingegen sehe ich durchaus konform mit der offiziellen Lehrmeinung seiner Kirche

Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. […] Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht. […] Andere Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung, die an seiner Mittlerschaft teilhaben, werden nicht ausgeschlossen, aber sie haben doch nur Bedeutung und Wert allein in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi und können nicht als gleichrangig und notwendiger Zusatz betrachtet werden. […]
Der Dialog muß geführt und realisiert werden in der Überzeugung, daß die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und daß sie allein im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist.
(Enzyklika ‚Redemptoris missio‘ von 1990)

Ich persönlich bin übrigens durchaus vom Sinn und Nutzen eines interreligiösen Dialoges überzeugt - nur sollte der auf gleicher Augenhöhe stattfinden. Das ist einfach eine Frage des Respektes.

Nun zum Maßstab selbst, den Herr Küng da anempfieht. Gegen eine utilitaristische Ethik habe ich nicht das Geringste einzuwenden. Allerdings sollte man dann natürlich auch das ‚wozu‘ dieses Utilitarismus genau unter die Lupe nehmen. Herr Küng nennt hier als Zweck dieser Ethik, dass sie „Menschen in ihrer menschlichen Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit fördert und sie eine sinnvolle und fruchtbare Existenz gewinnen läßt“.

Das klingt wirklich sehr schön, ist aber für mich näher besehen nur eine reichlich prätentiöse Leerformel - ein Beispiel für das, wovon ich oben gesagt habe, dass ich es bei Küng gelegentlich schwer erträglich finde. Sie spiegelt vor, dass es einen Konsens darüber gibt, was „menschliche Identität, Sinnhaftigkeit und Werthaftigkeit“ denn eigentlich ist. Das ist hohles Wortgeklingel, sonst nichts. Diese Meinung - wie schon eingangs geschrieben - unter Vorbehalt. Möglicherweise erklärt ja Küng andernorts für jeden nachvollziehbar, was die ‚Sinnhaftigkeit‘ des Menschen, seine ‚Werthaftigkeit‘ und seine ‚Identität‘ ist. Ich habe allerdings leise Zweifel daran.

Mit freundlichen Grüßen,
Ralf

Wird durch die Gleichsetzung einer guten Religion mit dem
Nutzen der Menschen Religion nicht einfach als Lebenshilfe und
-bestätigung abgetan?

Nein, im Prinzip wird Religion nur von einem neutralen Standpunkt aus,
ohne gar erst zu entscheiden welche von den vielen richtig und wahr
sein könnte, betrachtet. Sie wird damit allerdings auch nur unter einem einzelnen Gesichtspunkt betrachtet, nämlich ob sie den Menschen
nutzt / die Menschen behindert, und sagt nichts darüber aus was sie sonst noch ist.

Wo bleibt der Bezug zum Absoluten, das dem Humanum
gegenübersteht?

Unbeachtet, da es für den vorhandenen Sachverhalt keinerlei Relevanz besitzt.