Hartz IV fördert weitergehendes Lohndumping

Die „Frankfurter Rundschau online“ bringt heute einen guten Artikel darüber, wie sich Hartz IV auf die Löhne in Deutschland auswirken wird. Und das betrifft keineswegs nur Arbeitnehmer, die neu eingestellt werden sollen, sondern auch langjährige Mitarbeiter von Firmen. Beispiel:

„Da ist z.B. der Sicherheitsmitarbeiter vom Stuttgarter Flughafen, der erzählt:
Sein Chef habe ihm schon im November 2003 gesagt: Jetzt gibt es noch neun Euro in der Stunde. Wenn das Gesetz kommt, müssen Sie mit sieben Euro zurecht kommen.“

Der ganze Artikel ist zu finden unter: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_po…

Der Druck auf Arbeitslose erhöht auch den Druck auf Arbeitnehmer. Das ist Fakt.

Grüßle, Christa

Hallo Christa,

das ist „normal“, weil wir es beim Arbeitsmarkt mit einem Markt zu tun haben, wie es auch ein Gemüsemarkt z.B. ist.
Sinken die Einkaufspreise für Salatköpfe, werden in der selben Sekunde auch die Salatköpfe preiswerter, die bereits teurer eingekauft auf Lager liegen, da sie sonst unverkäuflich würden, wenn die Konkurrenz die Preise senkt.
Eine Einkaufspreisfixierung (nichts anderes sind Mindestlöhne) führt dagegen dazu, dass es sich für einen Händler bald nicht mehr lohnt, Salatköpfe zu verkaufen, da der erzielbare Verkaufspreis ggf. niedriger ist als der fixierte Einkaufspreis. Es wird dann schlicht keine Salatköpfe mehr geben.

Nichts anderes erleben wir derzeit bei un- oder niederqualifizierten Arbeitern. Wir haben Mindestlöhne, die über einer rentablen Beschäftigung dieser Arbeiter liegen, deswegen wird lieber automatisiert oder ins Ausland abgewandert.
Ebenso „normal“.

Fraglich ist für mich nur, ob wir lieber Sozialhilfe oder Lohnzuschüsse zahlen wollen bzw. wie wir so viele Menschen wie möglich richtig qualifiziert bekommen. Den Unternehmern hier Vorwürfe machen zu wollen, greift dagegen viel zu kurz.

Grüße
Jürgen

Hallo Jürgen,

Nichts anderes erleben wir derzeit bei un- oder
niederqualifizierten Arbeitern. Wir haben Mindestlöhne, die
über einer rentablen Beschäftigung dieser Arbeiter liegen,
deswegen wird lieber automatisiert oder ins Ausland
abgewandert.

Es ist möglich, dass man als Gering-Qualifizierter leichter arbeitslos wird. Aber ich kenne VIELE Hochqualifizierte, die arbeitslos sind. Und nicht eingestellt werden, weil sie „zu teuer“ sind.

Fraglich ist für mich nur, ob wir lieber Sozialhilfe oder
Lohnzuschüsse zahlen wollen bzw. wie wir so viele Menschen wie
möglich richtig qualifiziert bekommen. Den Unternehmern hier
Vorwürfe machen zu wollen, greift dagegen viel zu kurz.

Dazu müsste wirklich mal eine Studie erstellt werden, WAS genau Zukunft hat. In den letzten Jahren wurden alle möglichen Leute zu Büro-Fachleuten aus- und weitergebildet. In meinem Kurs waren 22 Frauen. Genau 2 davon haben eine Stelle in einem Büro bekommen.
Auf Stellenangebote im Bürobereich bewerben sich oft 100 und mehr BewerberInnen.

Grüßle, Chrisa

Hallo Christa!

Es ist möglich, dass man als Gering-Qualifizierter leichter
arbeitslos wird.

Das ist sogar zwingend so.

Aber ich kenne VIELE :Hochqualifizierte, die
arbeitslos sind. Und nicht :eingestellt werden, weil sie :„zu teuer“ sind.

Dann wird entweder auf der zu besetzenden Stelle die Qualifikation des Bewerbers nicht gebraucht oder dessen Gehaltsvorstellungen sind nicht marktgerecht. Wer einen Krankenpfleger braucht, wird keinen Chirurgen einstellen, wer einen RA-Gehilfin braucht, nimmt dafür keinen Juristen mit der Befähigung zum Richteramt und wer einen Löter sucht, wird den Ingenieur nicht haben wollen. Aber notfalls können der Ing. als Löter, der Arzt als Pfleger und der Jurist als RA-Gehilfe arbeiten. Nur umgekehrt gehts nimmer.

Daraus folgt unmittelbar: Der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit heißt Qualifikation.

Dazu müsste wirklich mal eine :Studie erstellt werden, WAS
genau Zukunft hat. In den :letzten Jahren wurden alle :möglichen Leute zu :Büro-Fachleuten aus- und :weitergebildet. In meinem
Kurs waren 22 Frauen. Genau 2 :davon haben eine Stelle in :einem Büro bekommen.
Auf Stellenangebote im :Bürobereich bewerben sich oft :100 und mehr BewerberInnen.

Da hast Du den Effekt von solchen Prognosen, von mir aus auch Studien: Ganze Heere stürzen sich dann auf diese Tätigkeitsfelder, mit der Folge, daß nur ein Bruchteil davon eine Anstellung bekommt.
Umgekehrt ist es ebenso unsinnig, also den Leuten zu sagen, werdet nicht Schneider, Schuster oder Hufschmied. Immerhin können ein paar Leute, die solche angeblich toten Berufe mit Lust, Geschick und Gespür für den Markt ausüben, verdammt gut davon leben. Letztlich muß jeder selbst wissen, was er tut und darf das Geschwätz anderer Leute bestenfalls als Anregung, aber nicht als Handlungsanweisung begreifen.

Ich hab auf Deiner Homepage gestöbert. Du bist Bürokauffrau und berichtest, daß nur wenige Absolventen eine Anstellung fanden. Daraus kann man nicht den Schluß ziehen, in diesem Beruf gäbe es generell schlechte Anstellungschancen. Fremdsprachenkenntnisse, sicheres Auftreten, Geschick im Umgang mit Menschen, vielleicht noch spezielle Kenntnisse einer Branche und schon kann das Bild ganz anders aussehen.

Es gibt keine allgemeingültigen Aussagen zur Berufswahl, außer: Jungen Menschen dürfen die Wege nicht verbaut werden. Wenn es irgend geht, Abitur machen. Bei der Berufswahl nicht nur das Dutzend Standardsachen ins Auge fassen, es gibt hunderte Ausbildungsberufe. Mit dem Abi als Basis kann man sich sofort und/oder ein ganzes Berufsleben lang nötigenfalls per Fernstudium beliebig orientieren. Kein Kursus des Arbeitsamtes oder der Berufsförderungswerke kann Vergleichbares auch nur ansatzweise leisten.

Ich glaube an keine kurzfristige Lösung des Arbeitslosenproblems. In weiten Kreisen der Bevölkerung muß mehr Bildungsbewußtsein entstehen, muß Bildung als Wert vor Auto und Urlaub rangieren. Dann klappts auch mit der Arbeit.

Gruß
Wolfgang

Hallo Wolfgang,

du schreibst:

Wer einen Krankenpfleger braucht, wird keinen Chirurgen einstellen …

dazu fällt mir grade ein Witz ein:
Ein Malermeister braucht dringend einen Gehilfen und ruft deshalb bei der Agentur für Arbeit an.
Die Sachbearbeiterin dort kann ihm aber nur einen arbeitslosen Gynäkologen anbieten.
Zwar ist der Malermeister seeeehr skeptisch, stellt den Mann aber doch ein.
Nach einem Monat ruft die Sachbearbeiterin beim Malermeister an und sagt, sie hätte jetzt einen Malergesellen, der Arbeit sucht. Ob sie den vorbeischicken solle, dann könne der den Gynäkologen ersetzen.
Da protestiert der Malermeister:
„Nö, den geb ich nicht mehr her! Neulich sollten wir eine Wohnung renovieren. Der Wohnungsinhaber hatte den Termin vergessen, wann wir anrücken und kam erst 3 Stunden später. Da hat der Gynäkologe schon mal durch den Briefschlitz den kompletten Flur gestrichen.“

Ich glaube an keine kurzfristige Lösung des
Arbeitslosenproblems. In weiten Kreisen der Bevölkerung muß
mehr Bildungsbewußtsein entstehen, muß Bildung als Wert vor
Auto und Urlaub rangieren. Dann klappts auch mit der Arbeit.

und damit hapert es schwer. Heute sind die Kinder und Jugendlichen auf schnelle (mühelose) Erfolge aus. Wahrscheinlich hängt es mit der Berieselung durch DauerTV und Computerspielen (GameBoy etc.) zusammen. Denke ich wenigstens.
Kürzlich hat mein Neffe (22) mich gefragt, ob ich nicht alles schon verlernt hätte, was ich in meinem Kurs 1998-1999 gelernt habe. Weil ich ja arbeitslos bin, und das Gelernte nicht anwende. Ich habe ihm meine HP gezeigt, und gesagt, dass ich mir 3 Bücher über HTML gekauft und mir das selber beigebracht habe - in meiner unfreiwilligen Freizeit. Da hat er nur den Kopf geschüttelt.
Weil er nicht versteht, warum jemand FREIWILLIG etwas lernt, was ihm nicht direkt etwas nützt. Also, weil ich ja keinen Profit davon habe.
Das heißt dann: „Und - was hast du davon?“

Ich habe ihm meine HP gezeigt, und gesagt, dass ich
mir 3 Bücher über HTML gekauft und mir das selber beigebracht
habe - in meiner unfreiwilligen Freizeit. Da hat er nur den
Kopf geschüttelt.

Und handcodiertes HTML mit korrekt codierten Umlauten sieht man auch immer seltener. Zumindestens habe ich keinen Generatortyp gesehen.

Hi!

Daraus folgt unmittelbar: Der beste Schutz vor
Arbeitslosigkeit heißt Qualifikation.

Na ja …
Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe, dann sieht das so aus:

Frau, Mitte 30, akademische Ausbildung, mehrere Jahre in einem Unternehmen tätig für die Öffentlichkeitsarbeit. Vor ein paar Jahren wegen Unternehmenskrise gekündigt. Seit zwei Jahren arbeitslos, weil Unternehmen für die Öffentlichkeitsarbeit keine Leute mehr suchen. Bewerbungen auf „Sekretärin“ oder „Bürokraft“ zum jeweiligen Tarifgehalt werden mit Begründung „Überqualifizierung“ abgelehnt.

Mann, Mitte 40, IT-Spezialist für Datenbanken, mehrere Jahre für verschiedene Unternehmen tätig, gekündigt weil anstehende Projekte auf ewig geschoben wurden und somit ein Personalüberhang existierte. Seit fast einem Jahr ohne Job, weil überall IT-Mitarbeiter freigesetzt oder Projekte in Billiglohnländer vergeben werden. Mögliche Spezialisierung auf SAP (hier besteht Bedarf am Markt) wird weder vom Arbeitsamt noch von sonstigen Trägern gefördert.

Frau, Anfang 30, ausgebildete Immobilienkauffrau, durch Pleite des Arbeitgebers arbeitslos geworden. Sucht seit über einem Jahr einen neuen Büro-Job (Branche beliebig, da Immobilien-Markt tot). Wurde mehrfach wegen ihres Alters („Familienplanung?“) aus Vorstellungsgesprächen verabschiedet.

Frau, Ende 20, Doktor der Chemie, seit einem halben Jahr ohne Job nach Auslaufen eines zeitlich begrenzten Arbeitsvertrages, da die Stelle an der Uni den Streichungen im Öffentlichen Dienst zum Opfer fiel. Bewerbungen kommen mit Kommentar „kein Bedarf“ zurück.

Keiner von denen ist minderqualfiziert oder gehört der Gruppe der Nichtausgebildeten an. Geholfen hat ihnen das trotzdem nix, weder bei der Arbeitsplatzerhaltung noch bei der Arbeitsplatzsuche.

Grüße
Heinrich

Hallo Heinrich,
Du machst mir ja richtig Mut in Bezug auf die Berufsaussichten meiner Söhne. Mit dem Einen hat’s noch Zeit, der ist erst 10.
Der andere ist 22 und geht immer noch zur Schule, wird im Herbst vermutlich eine Ausbildung zum IT-Kaufmann anfangen.
Läßt der sich zum Sozialhilfeempfänger ausbilden?
Dann wäre Bankräuber doch die bessere Alternative, da besteht ein gewisses Restrisiko, daß das etwas einbringt. … Leider liegt und dieser Job nicht.
Gruß, Rainer

Hallo Heinrich!

Der beste Schutz vor
Arbeitslosigkeit heißt Qualifikation.

Na ja …
Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe…

Gegen jede Aussage werden sich Einzelfälle finden lassen, die am Wahrheitsgehalt der Aussage nichts ändern.

Frau, Mitte 30, akademische Ausbildung…

Mann, Mitte 40, IT-Spezialist…

Frau, Anfang 30, ausgebildete Immobilienkauffrau…

Frau, Ende 20, Doktor der Chemie…

Ich weiß nicht, was sich im konkreten Fall hinter einer „akademischen Ausbildung“ oder einem „IT-Spezialisten“ verbirgt, aber im Fall der Immobilienkauffrau…

Keiner von denen ist minderqualfiziert…

kann fehlende Qualifikation ein Grund für schwierige Vermittelbarkeit sein. Jahrzehntelang wählten halbe Schülerjahrgänge xy-Kaufmann/frau. Die Inhalte solcher Ausbildung sind vorsichtig ausgedrückt dürftig, sind noch als Ergänzung tauglich, aber zunehmend schwerer als alleinige Basis für ein Berufsleben.

Chemiker haben es schon seit vielen Jahren schwer. Trotzdem wird die promovierte Chemikerin eine adäquate Anstellung finden. Sie wird suchen müssen und braucht Flexibilität hinsichtlich ihres Arbeitsortes.

Gruß
Wolfgang

Hi!

Der andere ist 22 und geht immer noch zur Schule, wird im
Herbst vermutlich eine Ausbildung zum IT-Kaufmann anfangen.
Läßt der sich zum Sozialhilfeempfänger ausbilden?

Kommt drauf an.

Will er „realisierend“ arbeiten (also Programme schreiben, Datenbanken aufbauen, Front Ends entwickeln, Homepages gestalten usw.), dann kann er sich gleich auf dem Arbeitsamt melden.

Will er „konzipierend“ arbeiten (also Unmengen von Papier produzieren, in denen Analysen, Abläufe und Umsetzungen beschrieben sind), dann dürfte er durchaus eine Chance auf eine Anstellung im IT-Sektor haben.

Das Wissen um Abläufe wird in den Unternehmen bleiben müssen. Die Umsetzung dieser Abläufe in DV-Programme werden Billiglohnkräfte im Ausland erledigen.

Grüße
Heinrich

Hallo,

Kommt drauf an.

Er denkt eigentlich an eine Admin-Tätigleit, also Hardware und Software in der Industrie pflegen und an Erfordernisse anpassen, reparieren. …

Gruß, Rainer