Hat Buddha noch Träume ?

Hallo,
auf einem Spaziergang ergab sich im Gespräch über Buddhismus die interessante Frage, ob Buddha bzw. auch ein sich auf dem Weg zur Erleuchtung befindlicher Bodhisattva nachts noch träumt (d.h. noch Unbewußtes zu verarbeiten hat ) ? Hat jemand dazu eine Idee oder vielleicht einen Literaturhinweis ?

Vielen Dank im voraus

  • und weiterhin schöne Träume (da wir ja alle noch keine Buddhas sind)
    von magritte

Hallo Magritte
Da Buddhas Körper und Seele grundsätzlich so funktionierten wie die aller Menschen, hatte er natürlich auch nachts Träume.
Leute wie Buddha, LaoTse, Sokrates, Jesus mögen sich ja spezieller mit dem Sein und den Möglichkeiten des Menschen befasst haben, trotzdem haben sie sicherlich Wünsche, Ängste und Sehnsüchte gehabt.
Gruß,
Branden

Hallo,
mir fehlt offen gesagt die Lust, das etwas abwegige und hochspekulative Thema eingehender zu erörtern. Daher nur ein Literaturhinweis zum Unbewussten (bhavanga citta) im Buddhismus: Buddhaghosas Visuddhimagga, Kapitel XIV (den Abschnitt über den vinnana-kkhanda). Eine deutsche Übersetzung findet sich hier: http://www.palikanon.com/visuddhi/vis_idx.html

Freundliche Grüße,
Ralf

Moin,

auf einem Spaziergang ergab sich im Gespräch über Buddhismus
die interessante Frage, ob Buddha bzw. auch ein sich auf dem
Weg zur Erleuchtung befindlicher Bodhisattva nachts noch
träumt (d.h. noch Unbewußtes zu verarbeiten hat ) ?

Ich denke, diese Frage (im Sinne von „Unbewusstes zu verarbeiten“ kann man getrost verneinen.

Begründen möchte ich diese Antworten mit Erkenntnissen (über den Geist) aus dem tibetischen Buddhismus.

Das Ziel eines tibetischen Buddhisten ist es, durch entsprechende Praxis die endglütligen Zustände von Dharmakaya, Sambhogakaya und Nirmanakaya zu erlangen. Falls du mit diesen Begriffen nichts anfangen kannst, Wiki gibt zumindest mal Grundlagen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Trikaya

Aber wie macht man das nun? Eine Möglichkeit wäre, sich mit den drei Zuständen Tod, Zwischenzustand (Bardo) und Inkarnation auseinanderzusetzen, und weil das für den Normalo immer noch eine Nummer zu hoch ist, fängt man an mit der Erforschung des Geisteszustands beim Schlafen, Träumen und Wachsein.

Die Übung auf dieser untersten Ebene eines Praktizierenden besteht darin, völlige „Erkenntnis“ seines Geistes sowohl beim Schlafen, als auch beim Träumen und Wachsein zu erlangen. Erkenntnis bedeutet in diesem Zusammenhang zunächst, dass ein Praktizierender im Bezug auf Träumen/Schlafen in der Lage ist, zu erkennen, wann er traumlos schläft und wann er träumt, als auch in der Lage ist, das Träumen aktiv zu gestalten. Wenn ihm dies gelingt, ist er noch längst kein Buddha (also Erwachter), sondern befindet sich noch auf einer Vorübungsstufe. Man kann also davon ausgehen, dass es für einen Buddha erst recht keine unkontrollierten Träume irgend einer Art von Unbewusstseinsverarbeitung mehr gibt.

Hat jemand
dazu eine Idee oder vielleicht einen Literaturhinweis ?

Es gibt schon eine recht lange Zusammenarbeit zwischen führenden westlichen Wissenschaftlern im Bereich der Hirnforschung, Psychologie, Neurologie etc. und dem tibetischen Buddhismus. In diesem Rahmen finden die sogenannten „Mind & Life“ Konferenzen statt mit einem jeweiligen Schwerpunktthema. 1992 war das Schwerpunktthema „Sleeping, Dreaming and Dying“

http://www.mindandlife.org/conf92.html

Die Ergebnisse wurden auch auf deutsch publiziert und zwar unter dem Titel „Traum, Schlaf und Tod“ - Der Dalai Lama im Gespräch mit westlichen Wissenschaftlern, von Francisco J. Varela, ISBN: 3492230148 Buch anschauen

Gruß
Marion

Moin Marion,
Deine Darlegung ist mE auch konsistent mit dem Theravada-Abhidhamma. Das über patisandhi (‚wiederverknüpfen‘) aus einem karmisch gewirkten (vipaka) Bewusstseinsobjekt (und zwar dem Objekt eines vergangenenen ‚Sterbebewusstseins‘, cuti-citta) entstehende Unterbewusstsein (bhavanga citta), das als ‚Bewusstseinsstrom‘ (bhavanga sota) das Substrat sämtlicher höherer Bewusstseinsformen bildet, tritt durch das Erwachen / die Erleuchtung (bodhi) ins Bewusstsein.

Bodhi ist wesentlich ein allumfassender Erkenntnisprozess, ist Überwindung von avidya (Unwissenheit) als tiefste Wurzel von duhkha (Leid). Dies bedeutet eben auch, dass nach bodhi das bhavanga citta nicht mehr unbewusst ist. Da beim Erwachten (Buddha) keine sankhara, keine karmischen ‚Formationen‘ (absichtsgesteuerte Modifikationen des Bewusstseins) mehr gebildet werden, entsteht beim Tod des Erwachten auch kein cuti-citta mit karmisch gewirktem Bewusstseinsobjekt - und entsprechend kein patisandhi mit neuem bhavanga citta als Folge.

Ein vollständig und restlos Erwachter (Samyak-Sambuddha) hat somit kein ‚Unterbewusstsein‘ oder ‚Unbewusstes‘ mehr. Aus buddhistischer Sicht ist der Unterschied zwischen normalem Wachbewusstsein und Traum kein grundsätzlicher - es sind lediglich verschieden tiefe Formen des Schlafs. Nicht umsonst leitet sich bodhi (die ‚Erleuchtung‘) vom Verbstamm ‚budhi‘ ab - ‚erwachen‘.

Freundliche Grüße,
Ralf

Thema verfehlt
Hallo Branden,

Da Buddhas Körper und Seele

‚Seele‘ ist ein metaphysisches Konzept, das wenig geeignet ist, buddhistische Auffassungen zu deuten. Der Buddhismus bestreitet nämlich, dass es so etwas wie eine ‚Seele‘ gibt.

Möglicherweise kannst Du als psychosomatischer Mediziner mit einem metaphysischen Konzept wie Seele erfolgreich arbeiten. So, wie ein Akupunkteur (oder sonst ein Praktizierender traditioneller chinesischer Medizin) mit dem Konzept von Qi und den Körpermeridianen durchaus erfolgreich arbeiten kann. Das heisst nicht, dass ‚Seele‘ oder das System der Qi-Meridiane etwas tatsächlich Existentes sind.

Deine Aussage

Da Buddhas Körper und Seele
grundsätzlich so funktionierten
wie die aller Menschen,

beruht auf einer unbeweisbaren metaphysischen Voraussetzung - sie kommt wissenschaftlich daher, ist es aber nicht. Der common sense, den Du da in Anspruch nimmst, ist nichts als ein kulturell geprägtes, wissenschaftlich nicht belegbares Vorurteil.

Wenn man nun ‚Seele‘ durch ‚Bewusstsein‘ ersetzt, so ist die Annahme, dass Körper und insbesondere Bewusstsein eines Erwachten (Buddha)

grundsätzlich so funktionierten
wie die aller Menschen,

zunächst einmal nur das - eine Annahme. Über diese - empirisch nicht klärbare Annahme - hinaus ist es auch durchaus nicht ausgemacht, ob die „grundsätzlichen“ Funktionen eines Bewusstseins auch das Träumen umfassen.

Leute wie Buddha, LaoTse, Sokrates, Jesus mögen sich ja
spezieller mit dem Sein und den Möglichkeiten des Menschen
befasst haben, trotzdem haben sie sicherlich Wünsche, Ängste
und Sehnsüchte gehabt.

Lassen wir die Anderen mal beiseite und beschränken wir uns auf Buddha, nach dem ja gefragt war. Buddha hat sich nicht nur

spezieller mit dem Sein und den Möglichkeiten des Menschen
befasst

sondern er hat sich darüber hinaus einer tiefgreifenden mentalen Schulung unterzogen. Und zwar eben mit dem erklärten Ziel

Wünsche, Ängste
und Sehnsüchte

für immer zu überwinden. Tausende von Menschen sind dem von ihm beschriebenen Weg gefolgt und haben bestätigt, dass dieser Weg zu eben diesem Ergebnis führt: zur Überwindung von Wünschen, Ängsten und Sehnsüchten.

Das muss niemand unbesehen glauben - was auch Buddha selbst lehrte: Folgt nicht, […] als geoffenbart geltenden Lehren, altehrwürdigen Überlieferungen, der Autorität heiliger Schriften, dem Hörensagen oder der jeweils landläufigen Meinung, reinen Vernunftgründen, Schlüssen aus bloßer Theorie und Logik, einem betörenden ,Charisma’ oder der vorgetragenen Größe eines Meisters! Aber wenn ihr selbst in euch versteht: ‚Diese Dinge sind heilsam, förderlich, von den Weisen gepriesen, und, wenn akzeptiert und unternommen, bringen sie allseits Nutzen und Glück‘, dann, […] möget ihr auch demgemäß handeln.
(Kalamer-Sutta, A III.66).

Es ist Sache buddhistischer Praxis - bestehend aus strikter Einhaltung eines ethischen Verhaltenskodexes, aus Schulung des Intellekts und aus intensiver meditativer Schulung des Geistes - zu untersuchen, ob das Gelehrte annehmbar ist, ob es richtig ist.

Deine Aussage jedoch beruht weder auf der praktischen Überprüfung buddhistischer Lehren noch auf einer theoretischen Kenntnis des buddhistischen Lehrsystems noch auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen / Beweisen. Nichts als eine (nicht sonderlich qualifizierte) persönliche Meinungsäußerung.

Freundliche Grüße,
Ralf

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