Auf einer katholischen Veranstaltung in Berlin am 9.9.2017 äußerte sich Außenminister Gabriel so:
„Religionen bewahren ein tiefes Wissen um Schuld, Vergebung und Versöhnung und können für Ausgleich und Gerechtigkeit in Gesellschaften sorgen.“
Kann dieser Widersinn überhaupt noch getoppt werden? Wird hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Die Religionen Christentum und Islam (um die es Gabriel hier in der Hauptsache natürlich geht) binden „Vergebung“ und „Versöhnung“ an den unbedingten Glauben an ihren jeweiligen Gott. „Schuld“ entsteht laut diesen Religionen allein durch Verstoß gegen das jeweilige göttliche Gesetz. Alle drei von Gabriel genannten Begriffe stehen also relativ zu den jeweiligen Dogmen besagter Religionen. Sie liefern damit nicht die geringste Grundlage für „Ausgleich und Gerechtigkeit“ in der pluralistischen Gesellschaft eines säkularen Staates, am wenigsten noch der Islam, der im Unterschied zum heutigen Christentum keine Trennung von Religion und Staat kennt und mit den westlichen säkularen Konzepten Pluralismus, Demokratie und Gleichheit dogmatisch inkompatibel ist.
Entweder hat Gabriel von diesen Dingen keine Ahnung (eine verbreitete Demenz unter Politikern) oder er hat eine Wahlkampfparole rausgehauen, die an den Bock erinnert, der zum Gärtner gemacht werden soll.
Meine Argumentationsweise wird sich immer ein gutes Stück weit an dem ausrichten, den ich dabei anspreche. Wenn ich vor religiösen Menschen, in einem entsprechenden Kontext noch dazu, spreche, dann knüpfe ich logischerweise meinen Diskurs an einen religiösen Diskurs an, solange ich meine Aussagen damit nicht völlig konterkariere.
Über den Islam weiß ich wenig zu sagen, aber zumindest der Vergebungs-, Versöhnungs- und Schuldbegriff im Christentum ist mit Sicherheit komplex und vielschichtig genug, dass ich damit auch „undogmatische“ Gedanken anbringen kann.
Für eine „Religion-ist-übel-und-das-Problem-überhaupt“-Diskussion bin ich grundsätzlich offen, aber nicht in der Rubrik Auslandspolitik.
Deine Analyse stimmt soweit. Nun musst du analysieren: Warum hat Gabriel das gesagt? Gabriel ist ein Verfechter des Glaubens an eine Massen-Integration der hunderttausenden Flüchtlinge, die seit 2015 kamen. Das ist in der Tat Glaubenssache, denn die Realitäten sprechen nicht dafür, dass das klappt. Es käme fast einem Wunder gleich.
Die Kirchen unterstützen dieses Unterfangen aber. Im aktuellen Cicero ist ein wirklich empfehlenswerter Artikel über die fehlgeleiteten Kirchen, die sich promigrantisch und proislamisch positionieren und politisch einmischen. Sie verfügen (immer noch) über so viele Schäfchen, dass sich eine Beeinflussung der Leichtgläubigen vor der Wahl durchaus bemerkbar machen könnte.
Es lohnt sich, das Heft zu kaufen! Zurück zu Gabriel: Es wird deutlich, was er im Schilde führt. Eine Hand wäscht die anderen. Seine Aussage repräsentiert eine wahrlich unheilige Allianz zwischen den Ämter-innehabenden Politikern und den Kirchen, die Deutschland bereits jetzt schweren Schaden zugefügt hat.
ist doch mal wieder schönster Alarmismus, weil man einen Text nur so liest, wie man ihn gerne verstehen möchte.
Kennst Du eigentlich die Bedeutung des Wortes „können“ ?
Das ist völliger Quatsch. Beide Religionen haben sehr wohl auch tolerante Aussagen - nicht nur im Kontext ihrer eigenen Religion.
Der Dualismus zwischen Toleranz und radikalem Dogmatismus mit Alleinvertretungsanspruch ist allen großen Religionen gemein - selbst dem ach so „sanften“ Buddhismus, wie man aktuell in Myanmar sehen kann.
Auch das ist erst mal so undifferenziert ziemlich falsch. Die Tatsache, daß den großen christlichen Religionen im Laufe der Aufklärung der Primat des Staates und seiner (mehr oder weniger neutralen) Gesetzlichkeit aufgezwungen wurde, heißt nicht, daß dieser Primat auch uneingeschränkt von den christlichen Kirchen akzeptiert wird.
Beispiele für den Versuch, das Rad der Zeit zurückzudrehen, gab und gibt es in der jüngeren europäischen Geschichte mehr als genug.
So hat zB die katholische Kirche in Spanien, Irland oder Polen, die Orthodoxie in Griechenland und Russland oder auch diverse evangelikale Fundamentalisten diesen staatlichen Primat bis heute nie wirklich anerkannt. (Der Begriff der „schwäbischen Taliban“ für radikalevangelische Pietisten vor allem in Württemberg ist nicht nur Frotzelei).
ich kann Sigmar Gabriel im Wesentlichen und ausnahmslos nur zustimmen.
Ohne jemandem, der sonst wie auch „gläubig“ ist - und von daher alle oder keiner - Unrecht zu tun. Wer tatsächlich angstfrei (d.h. gläubig) ist, kann am aller besten vergeben (ohne zu vergessen), versöhnen, ausgleichen und Gerechtigkeit herstellen.