Mich würde mal interessieren, ob man früher - z.B. frühes 16. Jahrhundert - wirklich seine Eltern und ggf. auch Bekannte - „gesiezt“ hat, wie man es aus romantischen Filmen oder Romanen kennt?
Wann durfte man „Du“ sagen, oder zu wem, wer wurde mit „Sie“ angesprochen und bis zu welchem Zeitpunkt?
In „gehobenen Kreisen“ und im Adel dürfte bis in den Anfang 20. Jahrhundert weit verbreitet das „Sie“ gegenüber Eltern üblich gewesen sein, ebenso die Anrede Untergebener in dritter Person ( "Was sagte Er?). Es scheint auch je höhergestellt die Persönlichkeiten waren, umso förmlicher auch im privaten gewesen zu sein. Wieweit diese Handhabung sich von höfischen und von z.B. französischen Adelsusancen beeinflußt darstellt, wann diese Förmlichkeiten entstanden sind, dürften Historiker am ehesten wissen.
LG
SL99
Guten Tag Takima,
ich habe von meiner Französisch-Lehrerin gehört, dass Präsident
Chirac seine Ehefrau mit „Sie“ aneredet hätte.
Und das ist noch nicht so lange her.
duzen, siezen, ihrzen, diese anreden taugen bis heute für hierarchische unterscheidungen. das gab es schon im frühen mittelalter, und war regional/länderspezifisch unterschiedlich. so genau lässt sich das heute wohl alles nicht mehr bestimmen.
im frühen 16. Jahrhundert hat man überhaupt niemanden gesiezt, somit auch niemanden aus der Familie.
Die höfliche Anrede war zu dieser Zeit „Ihr“, die höfliche Anrede mit „Sie“ stammt aus dem (reiferen) 18. Jahrhundert. Im wilden Süden Deutschlands wird die Anrede mit „Ihr“ bis heute verwendet.
wäre (zumindest auch) dadurch zu erklären, dass sie eine geborene Chodron de Courcel war, d.h. einer Familie von Notablen aus der „Ancienne Bourgeoisie“ Frankreichs angehörte, während Jacques Chirac Sohn eines Emporkömmlings war.
Wie wichtig Rang, Titel und Würden des Angeredeten im Französischen sind, zeigt, dass heute zwar verbreitet wie im Deutschen verstümmelt angeredet wird, aber im Grund ist es ausgesprochen flegelhaft, jemanden nur mit „Bonjour“, „Merci“, „Au revoir“ usw. anzublaffen.
Einem (freilich nicht mehr jungen) Freund von mir wurde von seinem Vater der abgehackte morgendliche Gruß „Bonjour!“ (statt comme il faut „Bonjour, mon père!“) mit „Bonjour, mon chien!“ erwidert.
Hast du irgendwelche Quellen, oder Schriften (Übersetzungen), die das bestätigen?
Wobei.. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das schon richtig.. Meine Frage wurde nur doof formuliert.
Ich meinte natürlich „Ihr“… Wäre ich vermutlich später noch drauf gekommen
Das war aber nicht die Frage. Es ging um allgemeine Umgangsformen Anfang des 16. Jahrhunderts. Das es heute noch vereinzelt Leute gibt, die das so wollen, weil sie sich für etwas besseres halten, ist für mich absolut nicht relevant.
man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass das niederländische Du/Sie anders funktioniert als das deutsche, und dass man in einer fremden Sprache mit solchen Nuancen selten richtig zu Hause ist - van Gaal ist hier als Wanderer zwischen den Welten nicht als Referenz für irgendwas heranziehbar.
Übrigens: Von den niederländischen Calvinisten wird Gott im Gebet gesiezt!
Übrigens 2: Weil die Holländer sich selber in diesen Dingen eher unsicher sind, haben sie als Referenz die Franzosen mit ihren bekannt gewählten Umgangsformen hergenommen und sagen tutoyeren und vousvoyeren - gefällt mir fast so gut wie in der Buchhalterey die Klanten und Leveranciers…