Hallo,
da hat wohl wieder einer das Kind mit dem populistischen Bade
ausgeschüttet.
sehe ich grundsätzlich auch so.
d.) Die Aussage, er habe die Sklaverei wieder eingeführt, ist
in dieser Form sicher auch nicht richtig.
Ich denke doch. Am 16.07.1802 führte Napoleon die von den
Jakobinern am 04.02.1794 abgeschaffte Sklaverei in den
Kolonien (vor allem Haiti und Guadeloupe) wieder ein. Der
schäbige und völkerrechtswidrige Verrat Napoleons am Führer
der Schwarzen Toussaint l’Ouverture (man lockte ihn zu
Friedensverhandlungen, nahm ihn trotz zugesicherten freien
Geleits fest und ließ ihn in einem Kerker verhungern) ist
einer der schwärzesten Flecken auf Napoleons ohnehin recht
schmuddeligem Charakter.
Nun ja, auch das erfodert wiederum etwas Differenzierung.
a.) wie bereits dargestellt, bedeuteten Menschenleben nicht unbedingt viel für Napoleon. Das ist wahrscheinlich, was Du mit „schmuddeligem“ Charakter meinst.
b.) l’Overture war Führer eines Aufstandes auf damaligem französischen Staatsgebiet. Insofern war die Festnahme nicht völkerrechtswidrig. Man sollte auch festhalten, dass etliche hundert Plantagen in Flammen aufgegangen waren, dass die Weißen die gerade in der frühen Phase seines Aufstandes in die Hände der Sklaven gerieten, gnadenlos und auf bestialischste Weise abgeschlachtet worden waren und, das machte die Situation noch prekärer, eine reguläre Niderkämpfung des Aufstandes Truppenkontingente benötigt hätte, die man anderswo ja noch brauchte.
Andererseits hatte ja gerade Ouverture 1801 den spanischen Teil der Insel besetzt, wo die Spanier gerade die Sklaverei abgeschafft hatten und eine Landreform durchführten. Ouverture war also alles andere als ein unterdrückter Sklave. Im Gegenteil, mit dem Rang eines Generals der fanrzösischen Kolonialverwaltung und ab 1799 Gouvernuer der Insel Haiti, könnte man ihn durchaus zum Establishment zählen. Das waren auch die Möglichkeiten und Kenntnisse, die er benutzte, als er den Aufstand gegen Frankreich (für das er ja schon lange Zeit seine schwarzen Brüder unterdrückt hatte) entfesselte.
Ansonsten, ein kleines Detail am Rande. Der Führer der Truppen, die Napoleon entsandte war nicht Napoleon selbst. Es handelte sich Charles Leclerc, der auch für die Festnahme und das „wie“ dieser Festnahme zuständig war. Auch wenn ich mit nun vorstellen kann dass ein Napoleon darüber keine Träne vergoss (höchstwahrscheinlich war ein franz. General, der sich gegen Frankreich stellte für ihn sowieso so sehr das Letzte, dass die Hautfarbe schon keine Rolle mehr spielte), es bleibt der Fakt, die hier Napoleon zugeschriebene Tat wurde NICHT von Napoleon begangen.
c.) Der Beschluss des Nationalkonventes vom 4.2.1794 bezüglich der Aufhebung der Sklaverei war zwar formal ein großer Schritt, änderte jedoch an den tatsächlichen Verhältnissen in den französischen Kolonien nicht sher viel. Als Ouverture fünf Jahre später Gouverneur wurde (er hatte ja bereits als Teil der Kolonialverwaltung selbst daran mitgearbeitet), lebten die „ehemaligen“ Sklaven in totaler Abhängigkeit. Der Unterschied war, dass sie nicht mehr einer Halsgerichtbarkeit ihrer Herren unterstanden sondern das diese Funktion eben von der Kolonialverwaltung übernommen worden war. (vergl. Canfora bezgl. des Beschlusses der Nationalversammlung, vergl. Stuart: Toussaint l’Overture, Black leaders in struggle. Sie hat einerseits seinen Werdegang beschrieben, andererseits die Situation. Sie hat nur aufgrund der augenscheinlichen Zielsetzung ihres Buches vermieden, darauf hinzuweisen, dass O. an maßgeblicher Stelle in eben der Kolonialverwaltung saß, die sie so schön als Wurzel allen Übels malt). Man war also trotz des formalen Beschlusses 1799 von einer Befreieung der Sklaven de facto genauso weit entfernt wie vorher, wenn nicht weiter.
d.) 1802 führte Napoleon die Sklaverei, unter anderem auf Druck der Zuckerplantagenbesitzer, wieder ein. Die Plantagen waren immer noch im Wiederaufbau nach dem Aufstand Overtures, dazu kam, dass es in der Zwischenzeit andere militärische Anforderungen gab. Napoleon musste also zusehen, dass er sich die Einnahmen und Haiti als militärische Basis erhielt. Das war zwar nicht nett, aber nach inzwischen zwei Jahren, musste er zusehen, dass er wieder irgendwie Haiti befriedet bekam und er griff dabei (wie die meisten europäischen Politiker seiner Zeit) zu Druck und Rechteabschaffung. Das war aber im Prinzip auch nichts anderes als das, was die amerikanischen Fruit Companies oder die Engländer auch durchzogen. Die unterschiedliche Betrachtung dieser Tatsache in der Geschichtsschreibung liegt eher darin begründet, dass Napoleon am Ende seinen Krieg verlor. Da redet man dann nicht mehr darüber, dass alle sich schuldig gemacht haben, da ist es dann nur noch der Verlierer. Klar.
Toussaint l’Overture mag ein großer Mann gewesen sein. Er war zweifellos ein militärischer Genius. Allerdings hatte er lange vor dem Aufstand bereits eine schmutzige Weste und sie wurde nicht sauberer durch das, was während des Aufstandes geschah. Napoleon und die meisten seiner Generäle hatten ebenso schmutzige Westen. Und sie kümmerten sich doch ehrlich gesagt in ihrer Zeit genausowenig wie ihre Gegner darum. Das Problem besteht darin, dass wir einen nach unserem heutigen Verständnis idealisieren, den anderen verdammen. Beide waren Kinder ihrer Zeit, trugen die Verantwortung für viele Tote und können nach unserer Vorstellung als Massenmörder gewertet werden. Ich glaube diese einseitige Betrachtung so langsam zu einer Methodik populistischer Geschichtsreißer wird.
Die ‚Vergasung‘, die Ribbe beschreibt, wurde übrigens auf
Schiffen durchgeführt. Die Opfer wurden in den Schiffsrümpfen
eingesperrt und mit alten Perücken, die mit Schwefel
eingepudert und dann angesteckt wurden, begast. Zuverlässig
war die Methode nicht - Überlebende bekamen ein Säckchen mit
Sand um den Hals gebunden und wurden über Bord geworfen. Zwar
ein Beispiel für einen besonders dreckig geführten
Kolonialkrieg, aber als solches kein Einzelfall und sicher
kein ‚Modell‘ für Auschwitz, zumal Hitler dieses Detail
unbekannt gewesen sein dürfte.
Erlaube mir, Zweifel zu äußern. Ich höre ja so manche wirklich wilde Geschichte aus der Geschichte, aber nur selten zeigt sich, dass es nicht so gewesen sein kann, so deutlich in technischen Gründen, wie dieses Mal.
Zum Einen, Schiffe wurde damals aus abgelagertem Holz gebaut. Das brannte recht gut und nicht ohne Grund war Feuer im Schiff etwas, dass jeder Seemann mehr als Sturm und die ominösen Seeungeheuer aller Couleur fürchtete. Einen Schwelbrand absichtlich in einer Hulk im Hafen zu entfachen hätte dem Urheber wahrscheinlich schnell einen Strick eingebracht.
Zweitens waren Perücken ein nicht gerade unendlicher Markt mit unendlicher Versorgung. Die Dinger waren ein Schweinegeld wert. Selbst wenn also hier und da und dort mal alte Perücken aufliefen, dann wurde doch zumeist von den Perückenmachern eine Art Recycling verwendet, ganz einfach aus dem Grunde, dass die Perücken damals aus Menschenhaar gefertigt wurden, was erstens teuer und zweitens nicht in größeren Mengen ohne Wieteres beschaffbar ist. Wunderschöne Anleitungen dazu gabs mal auf einer Internetseite, die eine Unterabteilung zu historischen Perücken hatte. Muss ich mal wieder raussuchen, habe ich aber gerade nicht zur Hand.
Drittens, der Schwefel. Das Perücken geschwefelt wurden, war nicht so ungewöhnlich. Es gab damals noch eine erheblich größere Population aller möglichen Plagegeister, die Perücken liebten. Deren wurde man mit Schwefeldämpfen Herr. Vergast wurden also die Läuse. Und sicher auch nicht auf Schiffen. Tatsächlich galt Schwefel als ein Luxusartikel, den sich eben nur die Reichen (die sich ja auch die Perücken leisten konnten) kauften um dieser Unbequemlichkeit Einhalt zu gebieten. Das Gemeine Volk musste sehen wie es klar kam.
Soviel also zum Vergasen. Feuer auf Holzschiffen, geschürt mit unbezahlbaren Perücken und unbezahlbarem Schwefel. Die Quellen würde ich gerne sehen.
So, und dann die Sache mit den Sandsäcken. Sand gab es. Der wurde in französischen Schiffen oft als Ballast verwendet. Mal ganz abgesehen von der Frage, woher die vielen Säcke denn nun gekommen sein sollen, aber was meinst Du, wie viel Sand man da pro Ertränkung gebraucht hat und wie viel Sand so ein Schiff entbehren konnte, bevor es mangels Ballast kippte?
Solche Geschichte, in einer Zeit, in der es so viele einfachere Methoden gab, die ja bereits in großem Umfange erprobt waren, die billiger waren, die technisch machbar waren und für die alles zur Verfügung stand. Das erscheint mir wenig glaubwürdig.
Gruß
Peter B.